Ein Viertel aller Schulkinder in Sachsen zeigt psychische Auffรคlligkeiten. 1,6 Prozent aller Jungen und Mรคdchen zwischen zehn und 17 Jahren leiden an einer diagnostizierten Depression und 2,2 Prozent unter einer Angststรถrung. Hochgerechnet sind insgesamt knapp 10.000 Schulkinder in Sachsen betroffen.
Das zeigt der aktuelle Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit โรngste und Depressionen bei Schulkindernโ. Mรคdchen sind dreimal so hรคufig von Depressionen und fast doppelt so hรคufig von Angststรถrungen betroffen wie Jungen. Fรผr die Versorgung depressiver Schulkinder gibt die DAK-Gesundheit in Sachsen im Jahr pro Kopf durchschnittlich 2.710 Euro mehr aus als fรผr seelisch gesunde Gleichaltrige.
Im Auftrag der DAK-Gesundheit hat die Universitรคt Bielefeld die Gesundheits- und Versorgungssituation von Jungen und Mรคdchen in Sachsen umfassend untersucht. Die reprรคsentative Studie mit Abrechnungsdaten aus 2016 und 2017 nimmt insbesondere die seelische Gesundheit von Jungen und Mรคdchen in den Fokus. โWir wollen das Tabu brechen, das psychische Erkrankungen noch immer umgibtโ, sagt Christine Enenkel, Leiterin der DAK-Landesvertretung in Sachsen. โDie betroffenen Kinder leiden oft fรผr sich im Stillen, bevor sie sich jemandem anvertrauen und eine passende Diagnose bekommen. Wir mรผssen aufmerksamer werden โ ob in der Familie, in der Schule oder im Sportverein โ und nachhaltig helfen.โ
รngste und Depressionen treten auch parallel auf
Ein Viertel aller Jungen und Mรคdchen in Sachsen ist von einer psychischen Erkrankung oder Verhaltensstรถrung betroffen. Vor allem jรผngere Schulkinder fallen am hรคufigsten durch Entwicklungsstรถrungen auf, zu denen Sprach- und Sprechstรถrungen gehรถren. Auch Verhaltensstรถrungen, wie etwa ADHS sind verbreitet. Seltener, aber von hoher Relevanz fรผr die Versorgung, sind affektive Stรถrungen, zu denen auch die Depressionen gehรถren. 1,6 Prozent aller DAK-versicherten Jungen und Mรคdchen im Alter von 10 bis 17 Jahren sind so stark betroffen, dass sie einen Arzt aufsuchen.
Im Vergleich zum Vorjahr ist die Depressionshรคufigkeit 2017 in Sachsen um fรผnf Prozent gesunken. Mรคdchen leiden deutlich hรคufiger als Jungen. Mit einer diagnostizierten Angststรถrung kรคmpfen 2,2 Prozent aller Schulkinder. Hochgerechnet auf alle Kinder und Jugendlichen in Sachsen entspricht dies knapp 10.000 mit Angststรถrungen oder Depressionen. Diese Stรถrungsbilder treten auch parallel auf: Mehr als jeder sechste Heranwachsende mit einer diagnostizierten Depression hat parallel auch eine Angststรถrung.
Depressionen und Angststรถrungen zรคhlen nach Einschรคtzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den schwerwiegendsten Leiden in der Gruppe der psychischen Erkrankungen. Depressionen sind gekennzeichnet durch Niedergeschlagenheit, Traurigkeit und Interessenverlust. Bei schweren depressiven Episoden haben die jungen Patienten Schwierigkeiten, ihre alltรคglichen Aktivitรคten fortzusetzen. Sie ziehen sich stark zurรผck, schaffen es kaum noch, in die Schule zu gehen. Bei Angststรถrungen ist der natรผrliche Angstmechanismus des Menschen aus den Fugen geraten. Die Betroffenen zeigen Reaktionen, die der jeweiligen Situation nicht angemessen sind und losgelรถst von einer realen รคuรeren Gefรคhrdung ablaufen.
Unterschiede zwischen Stadt und Land
In Sachsen leben 53 Prozent der DAK-versicherten Kinder in stรคdtischen Gemeinden. Die Studie zeigt, dass Stadtkinder im Alter zwischen 15 und 17 Jahren hรคufiger eine diagnostizierte Depression haben, als Gleichaltrige vom Land (plus 67 Prozent). Vor allem leichte sowie schwere Episoden werden fรผr sie รถfter festgestellt. โDie Grรผnde fรผr die beobachteten Zusammenhรคnge kรถnnen an den unterschiedlichen Lebensgewohnheiten und Lebensbedingungen liegen. Fรผr Stadtkinder existiert aber auch ein dichteres Angebotsnetz an niedergelassenen Fachรคrzten. Sie bekommen leichter Hilfe und damit auch eine passende Diagnose mit der richtigen Behandlungโ, erklรคrt Christine Enenkel.
Chronische Krankheiten steigern Risiko fรผr Depressionen
Der Report zeigt erstmals auf Basis von Abrechnungsdaten, wie stark bestimmte Faktoren die Entwicklung eines Seelenleidens beeinflussen. So tragen Kinder mit einer chronischen kรถrperlichen Erkrankung insbesondere im Jugendalter ein bis zu 4,5-fach erhรถhtes Depressionsrisiko. Dann belastet es, wenn nicht so unbekรผmmert leben kann wie kรถrperlich gesunde Gleichaltrige.
Das familiรคre Umfeld kann fรผr die Entwicklung eines Seelenleidens ebenfalls ein Faktor sein: Kinder psychisch kranker Eltern sind deutlich gefรคhrdeter (3-fach), selbst eine depressive Stรถrung zu entwickeln. โErkrankungen der Eltern kรถnnen fรผr Kinder und Jugendliche eine groรe seelische Belastung seinโ, erklรคrt Prof. Veit Roessner, รrztlicher Direktor der Klinik und Poliklinik fรผr Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Uniklinikums Carl Gustav Carus Dresden. โDaher sind gerade fรผr diese Betroffenen geeignete Prรคventionsangebote wichtig.โ
Depressive Jugendliche hรคufig mehrmals im Krankenhaus
โMit dem Kinder- und Jugendreport 2019 haben wir fรผr Sachsen auch belastbare Analysen zur Versorgungssituation von Kindern mit psychischen Auffรคlligkeitenโ, erklรคrt Julian Witte von der Universitรคt Bielefeld als Studienautor. 15 Prozent der depressiven Schulkinder in Sachsen bekommen ein Antidepressivum. Der Anteil der Betroffenen mit Rezept liegt damit leicht unter dem Bundesdurchschnitt.
Beim Anteil der Jungen und Mรคdchen mit einer Klinikeinweisung liegt Sachsen etwa im Bundesdurchschnitt (minus 1 Prozent): Knapp jedes zehnte sรคchsische Schulkind mit einer diagnostizierten Depression wurde 2017 stationรคr behandelt. โDurch einen Krankenhausaufenthalt kommen die betroffenen Kinder fรผr durchschnittlich 59 Tage aus ihrem Schul- und Familienalltag raus. Deshalb mรผssen wir sie insbesondere nach der Krankenhausentlassung noch besser unterstรผtzenโ, betont Christine Enenkel.
DAK-Gesundheit entwickelt neue Angebote
Die DAK-Gesundheit in Sachsen startet das neue integrierte Versorgungsangebot โveoโ, damit Betroffene nach einer Krankenhausentlassung besser aufgefangen werden. โveoโ ermรถglicht depressiven Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen zwรถlf und 17 Jahren fรผr drei Jahre eine vernetzte ambulante Nachsorge und Versorgung. Das Programm hilft Kinder- und Jugendtherapeuten, Kinder- und Jugendpsychiatern sowie Haus- und Fachรคrzten dabei, die die ambulante Nachsorge zu optimieren.
Weitere wichtige altersgruppenspezifische Beteiligte wie Beratungsstellen, Schulpsychologen und Jugendรคmter werden ebenfalls eingebunden. Das Ziel ist eine bessere Vernetzung und damit eine schnelle und unproblematische Hilfe fรผr die betroffenen Kinder โ ohne lange Wartezeiten und komplizierte Terminabsprachen.
Parallel intensiviert die DAK-Gesundheit ihre Aktivitรคten im Bereich Stressprรคvention. Gemeinsam mit der Cleven-Stiftung hat sie mit fit4future Teens ein neues Prรคventionsprogramm zum Thema Stressprรคvention fรผr weiterfรผhrende Schulen entwickelt. Auรerdem bietet sie Kindern ab zwรถlf Jahren individuell an, ihre seelische Stรคrke mit einer neuen Software zu trainieren. โDAK Smart4meโ ist kostenfrei zugรคnglich und passwortgeschรผtzt auf Smartphones und allen anderen Bildschirmgerรคten nutzbar. Infos dazu gibt es unter: www.dak.de/smart4me
Der aktuelle Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit fรผr Sachsen untersucht umfassend die Behandlungsdaten der Jahre 2016 und 2017 von 20.624 minderjรคhrigen Versicherten der DAK-Gesundheit im Freistaat. Die Analysen sind am renommierten Lehrstuhl fรผr โGesundheitsรถkonomie und Gesundheitsmanagementโ der Universitรคt Bielefeld gelaufen.
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