Umstritten ist die Rentenreform seit der Einführung 2005. Im Fokus der Kritiker: die mögliche Doppelbesteuerung. Vor Gericht konnte eine Zweifachbesteuerung bislang allenfalls in Einzelfällen nachgewiesen werden. Doch nun äußert ein Richter des Bundesfinanzhofes schwere verfassungsrechtliche Bedenken. Der Punkt: Künftige Rentnergenerationen müssten doch mit einer Doppelbesteuerung rechnen. „Nach unserer Auffassung hat das erhebliche Sprengkraft und dürfte zu einigen Veränderungen der Rentenreform führen“, sagt Hans-Jürgen Bunk von der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e.V., Lohnsteuerhilfeverein, Beratungsstelle Leipzig.
“Es bedarf keiner komplizierten mathematischen Übungen, um bei Angehörigen der heute mittleren Generation, die um 2040 in den Rentenbezug eintreten werden, eine Zweifachbesteuerung nachzuweisen.” Das ist einer der zentralen Sätze von Egmont Kulosa, den die Süddeutsche Zeitung jetzt veröffentlichte. Kulosa ist Richter am höchsten Finanzgericht, dem Bundefinanzhof, er gehört dem zehnten Senat an, Alterseinkünfte und -vorsorge sind sein Fachgebiet. Kulosa soll dies in einem Beitrag für einen Fachdienst für Steuerberater und -juristen geschrieben haben.
Umstellung auf die “nachgelagerte Besteuerung”
Zum Hintergrund: Grundmerkmal der Rentenreform von 2005 ist die schrittweise Einführung der sogenannten „nachgelagerten Besteuerung“. Das heißt: Zunehmend werden die Rentenzahlungen besteuert, parallel dazu sind die Beiträge zur Altersvorsorge zunehmend steuerfrei. Eine Doppelbesteuerung solle es nicht geben, dies versichert auch die aktuelle Bundesregierung.
Kulosa setzt mit seinen Bedenken an den Geschwindigkeiten an, mit denen die Veränderungen durchgeführt werden. Die Steuerbefreiung der Altersvorsorge-Beiträge geht in Stufen seit 2005 voran und ist 2025 abgeschlossen. Bis 2005 wirkten sich 60 % der vor allem von Arbeitnehmern gezahlten Rentenversicherungsbeiträge steuermindernd aus, 2015 waren es 80 %, 2020 werden 90 % und 2025 100 % die Steuern mindern.
Die Besteuerung der Renten entwickelt sich über einen längeren Zeitraum. Bei der Einführung im Jahr 2005 mussten nur 50 Prozent der Rente versteuert werden. Am Ende der Umstellung, im Jahr 2040 liegt der Anteil der zu versteuernden Rente bei 100 %.
Wer also 2040 in Rente geht und 100 % der Rente versteuern muss, der konnte jedoch nur 15 Jahre lang die Beiträge auch voll von der Steuer absetzen, argumentiert Bundesfinanzhof-Richter Kulosa. Für die übrigen Berufsjahre musste er zumindest in Teilen Steuern zahlen. In diesen Fällen liege eine Doppelbesteuerung vor, die außerdem verfassungswidrig sei. Dies würde dann auch Rentner in Leipzig betreffen.
Berechnung der Rentensteuer komplex
„In den Medien hat Kulosas Auffassung bereits für erheblichen Wirbel gesorgt“, sagt Hans-Jürgen Bunk: „Fraglich ist, ob sich die Bundesregierung bewegt und ob die Oppositionsparteien aus ihren Ankündigungen ernst machen.“ Die FDP hatte angekündigt, das Verfassungsgericht anzurufen. Die Linksfraktion im Bundestag forderte, die Übergangszeit zur vollen Besteuerung um 30 Jahre bis 2070 zu verlängern.
Hans-Jürgen Bunk: „Wir halten es auch für richtig, dass Richter Kulosa offensichtlich nur Altersvorsorge-Beiträge und den steuerpflichtigen Rentenanteil gegeneinander aufrechnet.“ Denn tatsächlich ist die Berechnung der Rentensteuer komplex. Zugrunde gelegt wird der mit dem Rentenbeginn festgesetzte steuerpflichtige Rentenanteil (2019: 80%). Allerdings kann man von dem steuerpflichtigen Anteil noch einiges abziehen. So zum Beispiel die Werbungskostenpauschale von derzeit 102 Euro, vor allem aber auch die Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherung. Auch zum Beispiel Krankheitskosten können steuermindernd geltend gemacht werden.
Zudem wird der Grundfreibetrag herangezogen (2019: 9.168 Euro). Nur der darüber hinaus gehende Betrag ist steuerpflichtig. Zusätzlich kompliziert wird die Berechnung der Rentensteuer übrigens durch die Rentenerhöhungen. Denn diese fließen zu 100 Prozent in den steuerpflichtigen Rentenanteil ein.
„Doch letztlich muss man sich darüber im Klaren sein: Der Grundfreibetrag oder die Absetzbarkeit der Sozialversicherungsbeiträge haben in der Debatte über eine mögliche Doppelbesteuerung nichts verloren“, sagt Hans-Jürgen Bunk: „Auch wenn einige Politiker das anders sehen.“
2020 werden rund 5,12 Millionen Rentner steuerpflichtig sein. Voraussichtlich 51.000 Rentner müssen in 2020 damit rechnen, erstmals wieder Steuern zahlen zu müssen. Hintergrund dafür ist die zu erwartende Rentenerhöhung im Jahr 2020. Dies hat das Bundesfinanzministerium auf eine Anfrage der Partei die Linke mitgeteilt. Insgesamt leben in Deutschland etwa 21 Millionen Rentner.
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