Aufgrund von Tarifflucht und Lohndumping in Sachsen entgehen den Sozialversicherungen jährlich 3,4 Milliarden Euro und dem Fiskus mehr als zwei Milliarden Euro an Einkommensteuer. Der Freistaat hat dadurch Mindereinnahmen von 871 Millionen Euro, den Kommunen fehlen weitere 307 Millionen Euro.
Die mangelnde Tarifbindung von nur 40 Prozent wirkt sich unmittelbar auf die Kaufkraft der arbeitenden Bevölkerung aus: Mit flächendeckender Tarifbindung hätten die Beschäftigten in Sachsen rund 4,8 Milliarden Euro mehr pro Jahr im Portemonnaie.
Die Zahlen stammen aus einer Berechnung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), der die letzte Verdienststrukturerhebung (VSE) des Statistischen Bundesamtes nach Beschäftigten mit und ohne Tarifbindung zugrunde liegt.
„Der Rückstand bei den Nettoeinkommen der Beschäftigten in Ostdeutschland beträgt nach Angaben der Hans Böckler Stiftung bei gleicher Qualifikation aktuell 16,9 Prozent. Das ist skandalös ungerecht und behindert die Ost-West-Angleichung der Lebensverhältnisse“, sagte Sachsens DGB-Chef Markus Schlimbach. Zugleich bedeute dies auch weniger Geld für die Sozialversicherungen und weniger Steuereinnahmen. Dies sei unter anderem Ergebnis der Niedriglohnstrategie des Freistaates, die bis 2014 praktiziert wurde.
„Was die Unternehmen der Gemeinschaft durch Tarifflucht entziehen, sind keine Peanuts. Das Geld wird gebraucht für den sozialen Ausgleich, für Investitionen in Infrastruktur und in Bildung. Eine hohe Tarifbindung stärkt zudem die Kaufkraft und damit die Binnennachfrage, sie stabilisiert die Wirtschaft vor Ort und sichert gute Arbeit“, sagte Schlimbach.
Der sächsische DGB-Vorsitzende kritisierte die Tarifflucht der Unternehmen im Freistaat, die vom Arbeitgeberverband der Sächsischen Wirtschaft nicht gebremst werde. „Die Mehrheit der Unternehmen in Sachsen muss sich die Frage gefallen lassen, wie sie es mit ihrer sozialen Verantwortung halten“, sagte Markus Schlimbach. Tarifflucht und Lohndumping seien bedeutende Auslöser für das verbreitete Unbehagen über die sächsischen Verhältnisse und eine individuell stark empfundene Zurücksetzung der Menschen, so Schlimbach.
„Der Ausweg aus dieser prekären Lage führt nur über eine stärkere Bindung der Unternehmen an Tarifverträge. Wir sagen ganz klar: Wer die Bemühungen der DGB-Gewerkschaften um Tarifbindung in den Betrieben behindert, wendet sich gegen die Allgemeinheit“, so Schlimbach.
„Öffentliche Aufträge und Fördergelder sollten nur noch an tarifgebundene Unternehmen vergeben werden. Dazu braucht Sachsen endlich ein modernes Vergabegesetz. Der Staat darf Lohndumping nicht mit Steuergeldern unterstützen. Er muss als Vorbild vorangehen und die Vergabe seiner öffentlichen Aufträge endlich an gute Bezahlung nach Tarif knüpfen“, forderte der Gewerkschafter. Ein weiterer Hebel für stärkere Tarifbindung liege darin, Tarifverträge unkomplizierter und öfter für allgemeinverbindlich zu erklären.
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