Die Kulturministerkonferenz von Bund und Ländern hat in ihrer gestrigen Sitzung die Einrichtung einer Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland beschlossen. Insbesondere Menschen und Institutionen aus den Herkunftsstaaten der Objekte und den betroffenen Herkunftsgesellschaften soll es ermöglicht werden, sich über die Bestände in Deutschland zu informieren und konkrete Beratung auch zu möglichen Rückführungen und Kooperationen zu erhalten.
Sachsens Kunstministerin Dr. Eva-Maria Stange sagte: »Der Umgang mit dem Thema Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten ist vielschichtig und bisweilen streitbar. Es ist unsere Verantwortung und Pflicht, Menschen und Institutionen aus den Herkunftsstaaten bei ihrer Suche und Erforschung von Kunst- und Kulturobjekten, ethnografischen Artefakten und menschlichen Gebeinen in Deutschland zur Seite zu stehen. Die beschlossene Anlaufstelle verspricht praktische Unterstützung, auch wenn es etwa bei Rückführungen weiterhin individuell geprüfte Einzelentscheidungen geben wird.«
Die Kontaktstelle soll ihre Arbeit 2020 aufnehmen. Neben der Information und Beratung zählt zu ihren Aufgaben die einzelfallbezogene Weiterleitung von Anfragen an betroffenen Einrichtungen oder die verantwortlichen Stellen bei Bund, Ländern und Kommunen. Zudem soll die Vernetzung von Personen und Institutionen im In- und Ausland und die für die Beratung erforderliche Sammlung, Strukturierung, Dokumentation, Veröffentlichung und statistische Auswertung von Daten und Informationen weiter befördert werden. Zunächst als Pilotprojekt für drei Jahre angelegt, ist für die Arbeit der Kontaktstelle eine Summe für 400.000 Euro im Jahr vorgesehen. Sie soll bei der Kulturstiftung der Länder angesiedelt werden.
Im November 2018 hatte ein Bericht von Bénédicte Savoy und Felwine Sarr zur Restitution des afrikanischen Kulturerbes international hohe Wellen geschlagen und eine intensive, nicht selten kontroverse Debatte ausgelöst. In Deutschland wurde das Thema bereits sowohl in der Museumslandschaft als auch in der Politik diskutiert. Der Deutsche Museumsbund hat die Diskussion und Auseinandersetzung mit dem Thema koloniales Erbe vorangetrieben und im Juli 2019 seinen Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten unter Berücksichtigung der internationalen Perspektive überarbeitet.
Kunstministerin Dr. Eva-Maria Stange: »Die heute von den Kulturministerinnen und –ministern beschlossene Einrichtung einer Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten zeigt, dass auch für die Politik die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit von Museen und ihren Sammlungen unverzichtbar ist.« Der Freistaat Sachsen unterstützt Museen bei der Provenienzforschung und Digitalisierung.
Von der jährlichen Förderung für nichtstaatliche Museen in Höhe von 1,1 Mio Euro stehen 250.000 Euro im Jahr für Digitalisierungsprojekte zur Verfügung. Zudem wird die Recherchedatenbank Daphne an den Staatlichen Kunstsammlungen seit 2008 mit jährlich 1,5 Mio Euro gefördert. Damit soll ein durchgängiges elektronisches Verzeichnis aller in den Sammlungen der SKD bewahrten Kunstwerke und anderer musealer Objekte aufgestellt und dadurch Verluste bzw. bisher nicht inventarisierter Objekte ermittelt, möglicherweise zu restituierende Objekte festgestellt und Rechtssicherheit für die Bestände geschaffen werden.
Insgesamt hat der Freistaat mit dem Daphne-Projekt bereits rund 40 Millionen Euro in die Provenienzforschung investiert. Neben dem Schwerpunkt NS-Raubkunst fokussiert sich die Forschung derzeit verstärkt auf Sammlungsstücke aus ehemaligen Kolonien. Die Staatlichen Ethnografischen Sammlungen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sind beim Umgang mit menschlichen Gebeinen aus kolonialen Kontexten um Transparenz bemüht.
2017 wurden menschliche Gebeine an Repräsentanten von Volkgruppen des Ursprungslandes Hawaii übergeben, im April 2019 gab es eine Rückgabe an Vertreter der Yawuru Community aus Australien. Mit Neuseeland wurde im Juni dieses Jahres eine Vereinbarung zur Rückgabe unterzeichnet.
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