Muss ich als Rentner jetzt wieder Steuern zahlen? Jede Rentenerhöhung hat aus steuerlicher Sicht ihre Haken und Ösen. Hinzu kommt zudem die Erhöhung der Rente für Mütter um einen halben Rentenpunkt, für diejenigen, die vor 1992 ein Kind geboren haben. Die Folge: Rund 48.000 Ruheständler müssen jetzt voraussichtlich Steuern zahlen. Aber wer?
Die Renten sind zum 1. Juli 2019 in den alten Bundesländern um 3,18 Prozent und in den neuen Bundesländern um 3,91 Prozent erhöht worden. Nach Angaben der Bundesregierung führt die Rentenanpassung dazu, dass voraussichtlich rund 48.000 Steuerpflichtige mit Rentenbezug zusätzlich einkommensteuerlich belastet werden *). Zahlen, wie viele Senioren immerhin verpflichtet sind, mit der Rentenerhöhung wieder eine Steuererklärung abzugeben, existieren jedoch nicht.
Wer muss jetzt Steuern zahlen, wer muss eine Steuererklärung beim Finanzamt einreichen?
„Es gibt keine Formel, die diese Frage beantworten könnte“, sagt Hans-Jürgen Bunk von der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e.V., Lohnsteuerhilfeverein, Beratungsstelle Leipzig: „Ob für die Rente überhaupt Steuern berechnet werden – das sollten Ruheständler individuell prüfen beziehungsweise prüfen lassen.“
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass jede Rentenerhöhung in voller Höhe zu dem zu versteuernden Rentenanteil hinzugerechnet wird. So addieren sich die Rentenerhöhungen der letzten Jahre zu Beträgen, die sich dann auch auf die Veranlagung auswirken können.
Ein Beispiel: Eine Rentnerin in den neuen Bundesländern musste im Jahr 2005 – dem Beginn der schrittweisen Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung – 58 Euro Steuern zahlen. Bedingt durch die Rentenanpassungen berechnete das Finanzamt 2018 Steuern in Höhe von 978 Euro.
Das Beispiel verdeutlicht, welche Auswirkungen die Rentenerhöhungen über die Jahre haben.
So können Rentner kalkulieren
Immerhin gibt es Anhaltspunkte mit denen Senioren kalkulieren können, ob sie Steuern zahlen oder eine Steuererklärung einreichen müssen. Der wichtigste Punkt ist immer der Besteuerungsanteil. Festgelegt wird dieser in dem Jahr, das auf den Rentenbeginn folgt. Wer also 2018 in Rente ging, muss 78 Prozent (2019) seiner Rente versteuern.
Die Umstellung der Rentenbesteuerung geschieht in kleinen Schritten über einen Zeitraum von 35 Jahren. Demnach werden die Rentenbeitragszahlungen im Berufsleben zunehmend steuerfrei gestellt und gleichen Maße dazu wird die Rente im Alter zunehmend besteuert. Einen Überblick, wie hoch der Besteuerungsanteil in welchem Jahr ist, findet man im § 22 Einkommensteuergesetz.
Im nächsten Schritt muss man neben dem steuerpflichtigen Rentenanteil noch alle weitere Einkünfte hinzurechnen, sofern vorhanden. Dazu zählen zum Beispiel Mieteinnahmen, Pensionszahlungen, Kapitaleinkünfte oder Einnahmen aus einem Nebenjob (außer bei der Bundesknappschaft angemeldete geringfügig Beschäftigte – 450 Euro Jobs).
Von den gesamten Einkünften kann man immer folgende Zahlungen abziehen: Beiträge für die Kranken- und die Pflegeversicherung. Liegen keine weiteren Ausgaben vor, werden noch die Werbungskostenpauschale (102 Euro) sowie die Sonderausgabenpauschale (36 Euro) abgezogen. Liegt das zu versteuernde Einkommen unter dem Grundfreibetrag, dann fallen auch keine Steuern an.
Der Grundfreibetrag entspricht dem „Existenzminimum“, das der Fiskus nicht besteuert. Dieser wird regelmäßig vom Gesetzgeber festgelegt. Der Grundfreibetrag lag 2017 bei 8.820 Euro, 2018 bei 9.000 Euro, 2019 bei 9.168 Euro und 2020 wird er bei 9.408 Euro liegen.
Auch wenn man noch keine Steuern zahlen muss: Unter bestimmten Umständen besteht dennoch die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung. Und zwar dann, wenn die gesamten Jahreseinkünfte – also ohne Abzüge – den Grundfreibetrag übersteigen, dann sind Rentner gesetzlich verpflichtet, eine Steuererklärung auszufüllen.
„Das ist wie gesagt nur eine Kalkulation“, sagt Hans-Jürgen Bunk: „Lohnsteuerhilfevereine können dies genau ausrechnen. Sie wissen auch, welche Ausgaben, zum Beispiel bei den Krankheitskosten, man absetzen kann.“
Über die Hälfte der Ruheständler erhalten weniger als 900 Euro Rente pro Monat – müssen sie dennoch Steuern zahlen?
Über die Hälfte der Rentner (51,4 Prozent) erhielt 2018 weniger als 900 Euro Rente pro Monat. Dies erklärte die Bundesregierung jetzt auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag.
„Im ersten Moment hat uns die Zahl auch völlig überrascht“, sagt Hans-Jürgen Bunk: „Tatsächlich muss man aber doch genauer auf die Details dieser Statistik schauen.“
Denn die Daten beziehen sich nach Angaben der Bundesregierung auf den Rentenbetrag nach dem Abzug von Sozialbeiträgen, aber vor Steuern. Darüber hinaus erklärte die Bundesregierung, dass in der Statistik mögliche zusätzliche Einkommensquellen und die Haushaltssituation nicht berücksichtigt sind.
Das Netto-Gesamteinkommen der Rentner liegt offensichtlich deutlich über den 900 Euro pro Monat. Dies geht aus dem Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung vom Herbst 2018 hervor. So verfügten Rentner-Ehepaare im Jahr 2015 im Osten über 2.257 Euro, im Westen über 2572 Euro. Alleinstehende Männer erzielten netto 1.389 Euro (West: 1.593 Euro). Alleinstehende Frauen kamen auf 1.370 Euro (West: 1422 Euro).
„Dennoch bleibt die Verarmung im Alter eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen“, sagt Hans-Jürgen Bunk: „Wir wünschen uns, dass die Bundesregierung hier bald Lösungen vorlegt.“
Nicht abwarten, bis das Finanzamt schreibt
2019 wurden nicht nur die Renten, sondern auch die Mütterrente angehoben. Mütter von Kindern, die vor 1990 geboren wurden, erhalten jetzt einen halben Rentenpunkt mehr, also insgesamt 2 Punkte. Auch dies kann womöglich dazu führen, dass wieder Steuern gezahlt werden müssen.
Es ist wichtig, nicht abzuwarten, bis das Finanzamt schreibt und eine oder mehrere Steuererklärungen anfordert. Denn das kann erhebliche Schwierigkeiten nach sich ziehen. Zum Beispiel dann, wenn Steuernachzahlungen für mehrere Jahre eingefordert werden.
Da können dann Beträge zusammenkommen, die man als Rentner erst einmal finanzieren muss. Die Schwierigkeiten verstärken sich unter Umständen noch einmal, weil das Finanzamt inzwischen auch Steuer-Vorauszahlungen festsetzt. Für betroffene Rentner mitunter eine Herausforderung.
Im übrigen haben die Finanzämter jetzt auch praktisch keinen Ermessensspielraum mehr. Das heißt: Werden für zurückliegende Jahre Steuern fällig, dann ist auch mit Verspätungszuschlägen und mit Zinsen zu rechnen.
Hans-Jürgen Bunk: „Deshalb raten wir Rentnern, die nicht wissen, ob sie Steuern zahlen müssen: Lassen Sie sich von einem Lohnsteuerhilfeverein oder einem Steuerberater beraten.“
Keine Kommentare bisher