Bereits seit vier Jahren gibt es die Mitmachaktion: „Puppenstuben gesucht – Blühende Wiesen für Sachsens Schmetterlinge.“ Der Auftakt in Nordsachsen fand anno 2016 im Eilenburger Stadtpark statt. Mittlerweile gibt es im Landkreis 43 dieser „Eldorados“ für Insekten. Damit sollen vor allem in bebauten Gebieten wieder Lebensräume für Falter, Bienen, Hummeln & Co. geschaffen werden.
Mit dem Aufruf „Sachsen blüht“ soll das Blüten- und Lebensraumangebot für Insekten und Vögel in den Siedlungsbereichen durch die Möglichkeit einer gezielten Ansaat nochmals erhöht werden. Die Sächsische Landesstiftung Natur und Umwelt (LaNU) stellt hierfür kostenlos gebietseigenes zertifiziertes Saatgut für geeignete Flächen zur Verfügung.
Warum Schmetterlingswiesen wichtig sind, was diese ausmacht und wo diese im Landkreis Nordsachsen sind, erklärt Volker Dittmann vom Umweltamt des Landratsamtes Nordsachsen.
Was hat es mit dem Projekt „Schmetterlingswiesen“ auf sich ?
Die Idee wurde vor einigen Jahren gemeinsam mit Dr. Matthias Nuß aus Dresden entwickelt. Damit sollte einerseits auf die immer deutlicher zutage tretende Situation des starken Rückgangs von Insekten, auch Schmetterlingen, aufmerksam gemacht werden; andererseits aber auch direkt etwas für die Schmetterlinge und deren Lebensbedingungen unternommen werden.
Was unterscheidet eine Wiese von einer Schmetterlingswiese?
Eigentlich ist die Bewirtschaftung einer Schmetterlingswiese nicht anderes als die klassische, seit vielen Jahrhunderten praktizierte, extensive Bewirtschaftung einer Grünlandfläche. Das heißt, eine ein- bis zweischürige Mahd der Wiese mit einem ersten Schnitt im Mai bis Juni und einem späteren zweiten je nach Aufwuchs im Juli bis September.
Diese Bewirtschaftung führt zu den typisch arten- und blütenreichen, niedrig- bis mittelwüchsigen Wiesen; mit einer Vielzahl bunt blühender Kräuter wie Margeriten, Glockenblumen, Wiesenflockenblumen, Hahnenfuß-Arten, Ferkelkräutern, Johanniskraut, Wicken etc. Benötigt werden aber Bereiche, die wechselnd von der Mahd ausgenommen werden, damit die Schmetterlingsraupen auch nach einer Mahd noch Möglichkeiten haben, sich weiter zu entwickeln.
Kleinere Wiesenabschnitte, wiederum auf der Fläche wechselnd, sollten deshalb sogar den Winter über stehenbleiben, weil viele Schmetterlinge als Puppen an Kräuter bzw. Gräser geheftet das Winterhalbjahr überdauern.
Was passiert, wenn die Wiese nicht in diesem Rhythmus gemäht wird?
Werden Grünlandflächen gar nicht mehr gemäht, dann setzen sich hochwüchsige, schnittempfindliche Arten wie Landreitgras, Brennnessel und Kanadische Goldrute durch. Die Wiese „verbracht“. Viele niedrigwüchsigere und konkurrenzschwächere Arten werden schlicht wegkonkurriert und überwachsen.
Mäht man andererseits aber zu häufig – dreimal, viermal, bei manchen Grünflächen im Lauf eines Sommers bis zu zwanzigmal – dann ist dies für die Arten- und Blütenvielfalt genauso abträglich. Die meisten Wiesenkräuter können sich nicht regenerieren. Übrig bleiben artenarme Vielschnitt-Scherrasen mit wenigen Kräutern wie Gänseblümchen und Löwenzahn, welche mit ihren dem Boden anliegenden Blattrosetten praktisch unter dem Rasenmäher „wegtauchen“.
Ist der zu beobachtende Rückgang der Insekten nur auf den weit verbreiteten Mangel an Blühflächen zurückzuführen ?
Der Insektenrückgang hat mehrere Ursachen. Neben unserer weithin ausgeräumten Landschaft mit oft nur noch wenigen naturnahen Biotopstrukturen spielt vor allem die inzwischen viel diskutierte Anwendung von Insektiziden und anderen Pflanzenschutzmitteln eine entscheidende Rolle.
Darüber hinaus werden Insektenarten, die z.B. an feuchte Lebensräume angewiesen sind, durch die länger anhaltenden, heißen und trockenen Perioden im Frühjahr und Sommer noch einmal zusätzlich unter Druck gesetzt. Dies betrifft u.a. viele Arten der Feuchtwiesen, Bachauen, Sümpfe und Moore.
Wie sieht es mit Schmetterlingswiesen in Nordsachsen aus?
Die Stadt Eilenburg bewirtschaftet inzwischen etwa zehn innerstädtische Grünflächen insektengerecht und in Abstimmung mit dem Landschaftspflegeverband Nordwestsachsen und der Firma REMONDIS als Flächenbewirtschafter. Auch die Eilenburger Wohnungsverwaltung zeigte sich dem Vorhaben gegenüber sehr aufgeschlossen und pflegt bisher zwei Grünflächen im städtischen Bereich schmetterlingsgerecht.
Dass diese Aktivitäten durchaus von Erfolg gekrönt sind, zeigt in Eilenburg die Beobachtung des in Sachsen als stark gefährdet eingestuften Wegerich-Scheckenfalter. Auch viele andere Städte und Kommunen, etwa Bad Düben, Oschatz oder Delitzsch, haben insektengerecht bewirtschaftete „Schmetterlingswiesen“ in ihrem Grünflächenbestand ausgewiesen und pflegen diese.
Viele Kirchgemeinden machen das ebenfalls. Der Naturpark „Dübener Heide“ hat ein eigenes Programm zur Schaffung blütenreicher Flächen in Siedlungsbereichen – und es gibt letztlich auch schon eine Reihe von privaten oder Vereinsinitiativen, wie beispielsweise in Naundorf (Gemeinde Zschepplin).
Außerdem managt die Untere Naturschutzbehörde die „normale“ Betreuung der vielen Schutzgebiete in unserem Landkreis – gemeinsam mit den Eigentümern und Nutzern. Die artenreichen Waldwiesen im Wermsdorfer Forst, in der Dübener Heide und im Kämmereiforst, die sich im Eigentum des Staatsbetriebes Sachsenforst befinden, die großen Offenland- und Heideflächen des Tiglitzer Forstes bzw. des Standortübungsplatzes Delitzsch, bei denen eine enge Zusammenarbeit mit der Bundeswehr erfolgt, die blütenbunten Flächen der Wölperner Torfwiesen, die durch den NABU gepflegt werden, die langen Deichflächen und Gewässerrandstreifen, die in Abstimmung mit der Landestalsperrenverwaltung und der Unteren Wasserbehörde soweit wie möglich naturschutzgerecht gepflegt werden, zum Beispiel.
Reicht das?
Auch wenn schon in begrüßenswerter Weise eine Reihe von Aktivitäten bestehen, so gibt es Luft nach oben. Es sind immer noch zahlreiche Flächen im Siedlungsbereich feststellbar, die ständig kurz gemäht werden, obwohl sie weder als Sportfläche noch als Wäscheplatz oder Liegewiese genutzt werden, was einem längeren „Aufwachsenlassen“ entgegenstehen würde. Die insektengerechte Anpassung ist allerdings ein Prozess, der Schritt für Schritt vor sich gehen muss. Diesen begleiten und unterstützen wir gern.
Was leistet das Landratsamt selbst zum Thema Insektenschutz?
Der Landkreis ist Eigentümer bzw. Nutzer verschiedener Liegenschaften, der Verwaltungsstandorte in den vier Städten Delitzsch, Eilenburg, Torgau, Oschatz sowie verschiedener Schulen, des Beruflichen Schulzentrums Rote Jahne. Hier wird angestrebt, die Außenflächen um die Gebäude herum so gut wie möglich insektengerecht zu bewirtschaften; bei aller notwendigen Funktionalität.
In Eilenburg werden z.B. in Zusammenarbeit mit der Stadt die Grünflächen um die Parkplätze vor den Häusern nur noch zweimal im Jahr gemäht. Kleinere Inseln sind den Winter über stehengeblieben. In Delitzsch fanden bereits Abstimmungen zur Grünpflege des Landratsamtsgeländes statt; auch hier werden Grünflächen nur noch zweimal im Jahr gemäht, bei geringem Aufwuchs und randlicher Lage auch nur einmal, die Hecken und Gehölze werden nur zu den Parkplätzen und Gehwegen hin regelmäßig, ansonsten lediglich einmal im Jahr nach der Brutzeit verschnitten.
Was kann jeder von uns tun ?
Es einfach mal etwas wachsen lassen und einen Pflegegang weniger durchführen. Schon wenige Quadratmeter Fläche im Garten oder hinterm Haus, auf denen nicht gemäht wird und wo Wildkräutern die Chance gegeben wird, zu wachsen und zu blühen, sind wertvolle kleine Trittsteine und Blühoasen für Schmetterlinge, Bienen und Hummeln.
Die Samen für die einheimischen Blühpflanzen und Wildkräuter sind dabei meistens schon im Boden und werden durch Wind und Vögel verbreitet. Man muss ihnen eben nur die Chance geben, auszutreiben und zu erblühen. Natürlich kann der Prozess durch das Ausbringen von Blühmischungen unterstützt werden. Dabei sollte auf heimisches Saatgut geachtet werden.
Weitere Informationen finden Sie im Internet unter: www.schmetterlingswiesen.de
Auf der Karte werden alle Schmetterlingswiesen im Landkreis angezeigt: https://www.schmetterlingswiesen.de/PagesSw/Default.aspx?id=1860
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