Sachsen will 100 Medizinstudienplätze zusätzlich schaffen und eine Landarztquote einführen. Zudem sollen Medizinstudenten eine Mindestaufwandentschädigung im Praktischen Jahr in Akademischen Lehrpraxen und Lehrkrankenhäusern im ländlichen Raum erhalten. Die Maßnahmen gehören zu einem 20-Punkte-Programm zur medizinischen Versorgung in Sachsen, das Gesundheitsministerin Barbara Klepsch am 25. Juni 2019 in Dresden vorgestellt hat. Das Sächsische Kabinett hat das Programm zuvor beschlossen.
Gesundheitsministerin Barbara Klepsch: „Ich freue mich sehr, dass wir uns nach einer langen Diskussion mit unterschiedlichen Ansätzen nun doch auf ein Programm einigen konnten, dass im Kern für mehr Ärzte und eine bessere Versorgung steht. Das ist im Interesse aller Patienten – und dafür hat es sich gelohnt, zu streiten.“
Für das 20-Punkte-Programm sind wesentliche Kostenpositionen bereits im Doppelhaushalt eingeplant und können unmittelbar umgesetzt werden. Dafür stehen bereits rund 30 Millionen Euro im Doppelhaushalt 2019/2020 bereit. Die Mittel für die Aufstockung der Studienplätze und weitere Maßnahmen vor allem im hochschulischen Bereich sind erst mit dem nächsten Doppelhaushalt zu veranschlagen, denn hier müssen die Voraussetzungen geschaffen werden. Dafür braucht es entsprechende Vorlaufzeit.
Mit dem Programm werden die vormaligen 20 Maßnahmenvorschläge von 2012 weiterentwickelt und auf das Jahr 2035 ausgerichtet.
Konkret geht es unter anderem um mehr Studienplätze für Humanmedizin, Modellvorhaben an den Medizinischen Fakultäten der TU Dresden und der Uni Leipzig und um eine Landarztquote für Medizinstudenten, die sich für eine Tätigkeit außerhalb der großen Städte entscheiden.
Zudem will der Freistaat mehr Akademische Lehrpraxen im ländlichen Raum etablieren, Mindestaufwandentschädigungen für Studierende im Praktischen Jahr einführen und die Weiterbildung für den ärztlichen Nachwuchs absichern.
„Es geht uns aber nicht nur um die großen Kliniken, wir wollen auch die bestehenden Anreize für die Niederlassung von Ärzten insbesondere auf dem Land ergänzen“, so Barbara Klepsch. „Das Arbeiten als Arzt im ländlichen Raum muss attraktiver werden durch Innovationen und die Möglichkeit, Lösungen zu erproben. Wir können das bereits jetzt deutlich sehen an den aktuell eingeführten telemedizinischen Lösungen in der teleaugenärztlichen Sprechstunde in Zschopau und der kinder- und jugendpsychiatrischen Videosprechstunde in Weißwasser. Diese ist in der vorigen Woche an den Start gegangen.
An ausgewählten Orten sollen Lokale Gesundheitszentren entstehen, um für die Patienten an einer Stelle wichtige medizinische Leistungen anbieten zu können. In den Modellregionen Weißwasser und Marienberg werden mobile Arztpraxen erprobt. Gleichzeitig wird die Digitalisierung vorangetrieben, um bei den Patienten weite Wege und bei den Ärzten Zeit zu sparen.
„Gerade in der Digitalisierung liegt im ländlichen Raum viel Potenzial. Natürlich müssen dafür entsprechende Voraussetzungen geschaffen werden. Aber genau darauf zielt dieses Programm“, sagt die Gesundheitsministerin.
Satellitenpraxen und Patientenbusse sollen verstärkt zum Einsatz kommen. Ärzte sollen künftig entlastet werden, indem stärker als bisher nichtärztliche Praxisassistenten bzw. Versorgungsassistenten in der Hausarztpraxis zum Einsatz kommen. Im Ergebnis soll der Arzt mehr Zeit für seine Patienten haben.
Hintergrund:
Den Bedarf an Fachärzten in der Allgemeinmedizin und in bestimmten ausgewählten Fachgebieten in Sachsen nachhaltig zu decken, ist eine Herausforderung der nächsten Jahre. Insbesondere im ländlichen Raum, aber auch in der Stadt Chemnitz, wird es zunehmend schwieriger, Vertragsarztsitze wieder zu besetzen und die Versorgung bedarfsgerecht durchzuführen. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Sachsen hat für 24 Planungsbereiche von 47 Planungsbereichen drohende Unterversorgung bei der hausärztlichen Versorgung festgestellt.
Zum Stand 01.01.2019 gibt es 255 offene Hausarztstellen (d. h., diese Stellen können besetzt werden, bis Überversorgung im jeweiligen Planungsbereich festgestellt wird. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn das Soll-Versorgungsniveau – Einwohnerzahl pro Arzt – für die jeweilige Arztgruppe > 110 Prozent beträgt). Insgesamt sind derzeit 2.638 Hausärzte tätig (unter Berücksichtigung von Beschäftigungsumfängen).
Neben der hausärztlichen Versorgung hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den Fachgebieten Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Augenheilkunde, Kinder- und Jugendmedizin, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Neurologie sowie Psychiatrie und Psychotherapie drohende Unterversorgung in mindestens einem Planungsbereich und damit einhergehend einen ärztlichen Nachwuchsbedarf festgestellt.
Auch im öffentlichen Gesundheitsdienst in Sachsen (Gesundheitsämter) gab es nach einer Erhebung des SMS im Jahr 2017 insgesamt 29 unbesetzte Stellen.
Die Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung ist eng mit der Ressource Arzt verknüpft. Die Altersstruktur der Ärztinnen und Ärzte in Sachsen sowie die zu erwartenden Altersabgänge in den nächsten 15 Jahren verstärken diese Entwicklung. Das Durchschnittsalter liegt bei 54 Jahren, 28 Prozent der Hausärzte sind 60 Jahre und älter.
Der Bedarf an Ärzten erhöht sich nicht nur aufgrund des demografischen Wandels der Bevölkerung, sondern auch aufgrund der Zunahme von beruflichen Ausfallzeiten (z. B. durch erhöhte Inanspruchnahme von Elternzeiten) und der Tatsache, dass die Anzahl der Ärzte, die in Teilzeit bzw. Anstellung tätig sind, gestiegen ist.
Das vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz (SMS) beauftragte „Gutachten zur Entwicklung des ambulanten Versorgungs- und Arztbedarfs in Sachsen 2030“ beschreibt nicht nur für die einzelnen Mittelbereiche Sachsens die derzeitige ambulante medizinische Versorgungssituation. Vielmehr wird auf deren Basis eine Projektion zur zukünftigen Entwicklung des Versorgungs- und Arztbedarfs bis zum Jahr 2030 durchgeführt und es werden vom Gutachter Handlungsempfehlungen dargestellt. Diese geben Impulse, wie die ambulante Versorgung an die zukünftigen regionalen Bedingungen angepasst werden kann.
Das SMS hat zudem vom Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland eine wissenschaftliche Prognose mit dem Inhalt „Projektion des Bedarfes für Medizinstudienplätze in Sachsen 2019 bis 2035“ erstellen lassen.
Die Staatsregierung knüpft an die durch das Kabinett am 31. Januar 2012 beschlossenen 20 Maßnahmenvorschläge an (Ärztliche Versorgung in ländlichen Gebieten/Ressort-übergreifende Maßnahmen zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten ärztlichen Versorgung in ländlichen Gebieten im Freistaat Sachsen, Beschluss Nr. 05/0509) und hat diese weiterentwickelt.
Keine Kommentare bisher