Neue Gentechnik-Verfahren müssen weiterhin als Gentechnik reguliert werden – so wie es auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil zum Thema bestätigt hat. Das fordern die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie Demeter von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner im Rahmen des morgen stattfindenden „Forum NMT 2019 – Perspektiven für den Umgang mit neuen molekularbiologischen Techniken“.
„Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 25. Juli 2018 ist glasklar: Auch neue Gentechnik-Verfahren wie CRISPR & Co sind Gentechnik und unterliegen der EU-Gentechnikgesetzgebung. Damit müssen sie einem Zulassungsverfahren mit Risikoanalyse und -bewertung unterzogen werden, Transparenz und Rückverfolgbarkeit sind zu gewährleisten. Dies sind Mindestvoraussetzungen, um das in der Europäischen Union geltende Vorsorgeprinzip umzusetzen, unvorhersehbare Risiken für Umwelt und Gesundheit zu minimieren sowie Wahlfreiheit für alle Wirtschaftsbeteiligten und Verbraucherinnen und Verbraucher zu gewährleisten. Dieses hohe Gut darf nicht von der Gentechnik-Industrie unterlaufen werden, denn diese will sich ihre Profite sichern, für Folgeschäden aber keinerlei Verantwortung übernehmen“, stellt Annemarie Volling von der AbL klar.
Daniela Wannemacher vom BUND ergänzt: „Ministerin Klöckner setzt große Hoffnungen in die neuen Gentechnik-Verfahren und will eine Aufweichung der geltenden EU-Gentechnikgesetzgebung. Für die Umwelt, die gentechnikfreie Pflanzenzüchtung sowie Land- und Lebensmittelwirtschaft wäre ein solcher Schritt fatal. Die mit dem EuGH-Urteil klar hergestellte Rechtssicherheit würde unterlaufen. Außerdem würde die Ministerin die im Koalitionsvertrag festgelegte Position der Bundesregierung verlassen. Wir erwarten von Julia Klöckner und ihrem Ministerium, dass sie sich an geltendes Recht hält. Eine Deregulierung der neuen Gentechnik-Verfahren missachtet den Willen eines Großteils der Bevölkerung sowie zahlreicher Wirtschaftsunternehmen und macht deren Wahlfreiheit für gentechnikfreie Lebensmittel unmöglich.“
Antje Kölling von Demeter fordert zudem: „Die Wahlbeteiligung am vorletzten Sonntag war größer als bei jeder anderen Europawahl zuvor – das zeigt, dass Wählerinnen und Wähler Europapolitik ernst nehmen. Wenn Politikerinnen und Politiker jetzt versuchen sollten, das in den EU-Verträgen festgelegte Vorsorgeprinzip auszuhebeln und Gentechnik durch die Hintertür einzuführen und eine risikobegrenzende Regulierung fälschlich mit Forschungsverboten gleichzusetzen, dann wird dieses im Aufschwung befindliche berechtigte Interesse an wichtigen europäischen Fragen missachtet. Stattdessen sollen endlich Ansätze für die Erforschung von Nachweisverfahren und Rückverfolgbarkeit gefördert werden. Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, zu entscheiden, was auf den Tisch kommt.“
Gemeinsam plädieren AbL, BUND und Demeter: „An Gentechnik verdienen nur wenige große Konzerne – mit der gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft haben sich zahlreiche Bäuerinnen und Bauern, sowie kleine und mittelständische Betriebe der Lebensmittelwirtschaft, ihren Markt geschaffen und sichern gerade im ländlichen Raum Arbeitsplätze. Es kann nicht sein, dass wenige globale Player auf Kosten dieser Arbeitsplätze und auf Kosten des Schutzes von Umwelt und Gesundheit ihre Profitinteressen durchsetzen. Wir fordern Wahlfreiheit, Umsetzung des Vorsorgeprinzips und Transparenz.“
Hintergrund: In den letzten Jahren wird in der Gentechnik-Forschung zunehmend mit Methoden der neuen Gentechnik gearbeitet, CRISPR/CAS 9 ist die inzwischen verbreitetste Methode. Erste Tiere und Pflanzen wurden mit CRISPR/CAS 9 im Labor entwickelt, und es wurden schon zahlreiche Patente dazu vergeben. Dementsprechend groß ist der Druck von der Gentechnik-Industrie und von Forschern bzw. Patentinhabern, dass sie von ihren Produkten profitieren. Deshalb steigt auch der Druck gegen die Regulierung und Transparenz.
In Europa wurde allerdings mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 25.07.2018 Rechtssicherheit geschaffen. Es besagt, dass auch die neuen Gentechnik-Verfahren unter die europäische Gentechnik-Regulierung fallen. Das bedeutet, dass sie einer Risikoprüfung unterzogen und offiziell zugelassen sowie gekennzeichnet werden müssen. Das sichert Konsumentinnen und Konsumenten, Bäuerinnen und Bauern, Züchterinnen und Züchtern sowie der Lebensmittelbranche Transparenz und damit Wahlfreiheit zu und ermöglicht die Rückverfolgbarkeit. Das europäische Vorsorgeprinzip wird dabei umgesetzt.
Dem hat sich auch die große Koalition verpflichtet. Im Koalitions-Vertrag von CDU/CSU und SPD heißt es: „Im Anschluss an die noch ausstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu den neuen molekularbiologischen Züchtungstechnologien werden wir auf europäischer oder gegebenenfalls nationaler Ebene Regelungen vornehmen, die das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit gewährleisten.“ (Anmerkung: Der Koalitionsvertrag stammt aus dem März 2018 und bezieht sich darum auf das damals noch ausstehende Urteil des Europäischen Gerichtshofs, gemeint ist hier aber auch das Urteil vom 25.07.2018).
Das BMEL muss sich nun darum kümmern, das Urteil wirksam und zum Schutz der gentechnikfreien Land- und Lebensmittewirtschaft sowie der Umwelt und Gesundheit umzusetzen.
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