Zur heutigen Aktuellen Debatte „Ministerpräsident Kretschmer beim Wort nehmen: Rechtsextreme Netzwerke zerschlagen – jetzt!“ auf Antrag der Linksfraktion erklärt Kerstin Köditz, Sprecherin für antifaschistische Politik der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag: Es gibt Momente, da springe ich gern über meinen Schatten und sage: Ja, der Ministerpräsident hat recht!
Vor gut drei Wochen sagte Herr Kretschmer nämlich: „Wir müssen diese rechtsextremen Netzwerke zerschlagen.“ Die Geschichte dahinter ist allen bekannt: Sogenannte Fans des Chemnitzer FC huldigten öffentlich dem verstorbenen Neonazi und Hooligan Thomas Haller. Das geschah in Kenntnis durch Beauftragte und Funktionäre des Vereins – und womöglich auch mit deren Billigung oder gar Unterstützung. Vergleichbare Sympathiebekundungen gab es von Cottbus bis Zürich. Dem späteren Trauerzug in Chemnitz schlossen sich zahlreiche bekannte Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet an.
Wir begrüßen daher seine Ankündigung, etwas zu ändern. Allerdings ist auch klar: Es wäre besser und möglich gewesen, damit vielleicht zwei, drei Jahrzehnte früher zu beginnen. Es wäre besser und möglich gewesen, nicht erst die krassesten Symptome blühen zu lassen, sondern rechtzeitig auf Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Medienrecherchen zu hören, die vor alledem gewarnt haben.
Jetzt sind wir nämlich in einer Situation, in der man zurückfragen muss: Welche Netzwerke meint Herr Kretschmer eigentlich? Meint er die offenbar tonangebenden Akteure in der Chemnitzer Fanszene? Meint er die rechtsoffenen, gewalterfahrenen, untereinander bestens vernetzten Hooligan-Szenen im Umfeld mehrerer sächsischer Vereine?
Meint er die Allianz aus Neonazis, Hooligans und Kampfsportlern, die Anfang 2016 in Leipzig wüteten – und die jetzt vor Gericht reihenweise Strafrabatt bekommen, ohne auszupacken? Meint er Anhänger des verbotenen „Blood & Honour“-Netzwerks und von „Combat 18“, die es angeblich in Sachsen nicht gibt, die sich aber kürzlich erst in Mücka trafen?
Meint er die rechten Firmen-Netzwerke, die sich in Sachsen um die Produktion und den Vertrieb von Neonazi-Devotionalien kümmern? Meint er die völkischen Siedler, die sich bei Lunzenau und bei Leisnig niedergelassen haben? Meint er das engmaschiger werdende Netz aus Tarn-Initiativen und sogenannten „Heimat“-Vereinen der extremen Rechten? Meint er vielleicht auch sächsische JVA-Bedienstete, die sich – Zitat – „kameradschaftliche Grüße aus Braunau“ ausrichten?
Ich bin daher auch persönlich sehr gespannt auf eine Erklärung, welche Netzwerke nun auf welche Weise zerschlagen werden sollen. Und noch gespannter bin ich darauf, ob aus der großen Ankündigung des Ministerpräsidenten nun auch endlich praktische Konsequenzen folgen.
Lutz Richter, demokratiepolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, fügt hinzu:
Rechte Netzwerke sind in Sachsen seit dreißig Jahren Bestandteil der Jugendkultur. Seit dreißig Jahren haben die Behörden geschlafen. Es ist nicht sinnvoll, die Wirksamkeit des Verfassungsschutzes schönreden!
Die Linksfraktion hat während der Haushaltsberatungen darauf gedrängt, dafür zu sorgen, dass die Initiativen, die Demokratie und Zivilgesellschaft fördern, sich nicht von Jahr zu hangeln müssen, sondern langfristige, verlässliche Förderung erhalten. Dem ist die Koalition nicht gefolgt.
Was bleibt von Ankündigung des Ministerpräsidenten? Fast nichts. Der Sachsen-Monitor gibt Ihnen die Analyse vor, Konsequenzen? Fehlanzeige! Ich komme aus Landkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge, der seit 30 Jahren ein Naziproblem hat. Ich wünsche mir, dass sich hier in Zukunft ausländisch aussehende Tourist*innen ohne Angst bewegen können.
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