In Deutschland spielen rund drei Millionen Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren regelmäßig am Computer. Nach einer neuen DAK-Studie gelten 15,4 Prozent der Minderjährigen als sogenannte Risiko-Gamer. Damit zeigen rund 465.000 aller Jugendlichen dieser Altersgruppe ein riskantes oder pathologisches Spielverhalten im Sinne einer Gaming-Sucht.
Die Betroffenen fehlen häufiger in der Schule, haben mehr emotionale Probleme und geben deutlich mehr Geld aus. Das zeigt der Report „Geld für Games – wenn Computerspiel zum Glücksspiel wird“ der DAK-Gesundheit und des Deutschen Zentrums für Suchtfragen. DAK-Vorstandschef Andreas Storm will die Aufklärung über Risiken verstärken. Er fordert ferner ein Verbot sogenannter Loot-Boxen in Deutschland, die Gamer für lange Spielzeiten oder bei Geldzahlungen belohnen.
Für die repräsentative Studie „Geld für Games“ hat das Forsa-Institut 1.000 Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren befragt. Neben der Suchtgefahr wurden erstmals auch die Ausgaben für die Anschaffung von Computerspielen und Extras untersucht. Jeder vierte Risiko-Gamer spielt am Wochenende fünf Stunden und mehr am Tag. Einzelne Spieler geben in sechs Monaten bis zu 1.000 Euro aus.
„Durch die Tricks der Industrie finden viele Jugendliche kein Ende und verzocken Zeit und Geld“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Aus Spaß kann schnell Sucht werden. Deshalb muss der Glückspielcharakter in Computerspielen eingedämmt werden. Wir brauchen wie in Belgien und den Niederlanden ein Verbot von Loot-Boxen oder Glücksrädern. Außerdem sollten für Gamer Warnhinweise eingeblendet werden, wenn bestimmte Spielzeiten überschritten sind.“
Laut DAK-Studie spielen 72,5 Prozent der Jugendlichen in Deutschland regelmäßig Computerspiele wie Fortnite, FIFA oder Minecraft. Das sind hochgerechnet mehr als drei Millionen Minderjährige. Insgesamt spielen knapp 90 Prozent aller Jungen und gut 50 Prozent der Mädchen.
Nach einer Analyse des Deutschen Zentrums für Suchtfragen am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) zeigen 15,4 Prozent von ihnen ein riskantes oder pathologisches Spielverhalten. Damit wären 465.000 Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren Risiko-Gamer, davon 79 Prozent Jungen. 3,3 Prozent der Betroffenen erfüllen sogar die Kriterien einer Computerspielabhängigkeit mit Entzugserscheinungen, Kontrollverlusten oder Gefährdungen.
„Ein riskantes Gaming-Verhalten kann zu verstärkten Schulproblemen führen“, erklärt Studienleiter und Suchtexperte Professor Dr. Rainer Thomasius. „Elf Prozent der Risiko-Gamer fehlen innerhalb von einem Monat eine Woche oder mehr in der Schule oder Ausbildung. Das ist etwa drei Mal häufiger als bei unauffälligen Spielern.“
Die betroffenen Jugendlichen haben mehr emotionale oder Verhaltensprobleme. So berichten etwa 21 Prozent der Risiko-Gamer über Sorgen und Ängste, während es bei den unauffälligen Spielern nur sechs Prozent waren. Deutliche Unterschiede gibt es auch bei der Konzentration, motorischer Unruhe oder aggressivem Verhalten.
Die DAK-Studie „Geld für Games“ untersucht erstmals auch die Ausgaben für Computerspiele. Mehr als die Hälfte der regelmäßigen Spieler kaufte in den sechs Monaten vor der Befragung Spiele oder Extras. Im Durchschnitt lagen die Ausgaben bei 110 Euro, wobei auch ein Spitzenwert von knapp 1.000 Euro genannt wurde. Jeder dritte Euro wurde für die Computerspiele Fortnite und FIFA ausgegeben.
Bei den Extras wurde das Geld meist für die sogenannte In-Game-Währung oder für Spaß- und Verschönerungselemete eingesetzt. Sechs Prozent der Gamer gaben an, das Geld für Extras am ehesten in Loot-Boxen zu investieren, die wie beim Glücksspiel „zufällig“ über den weiteren Spielverlauf entscheiden. „Die Risiko-Gruppe ist deutlich mehr bereit, Geld für Games auszugeben“, erklärt Suchtexperte Thomasius. „Sie stecken zum Beispiel doppelt so viel Geld in Extras als unauffällige Spieler. Und je ausgeprägter das Spielverhalten ist, desto mehr Geld investieren sie in Spiele.“
Die befragten Kinder und Jugendlichen selbst nennen fast alle „Spaß“ als Hauptgrund für ihr Lieblingsspiel. 75 Prozent geben an, beim Computerspiel „gut abschalten“ zu können. Jeder zweite spielt, weil Freunde auch spielen. Knapp 30 Prozent der Befragten gibt an, durch die Games nicht an „unangenehme Dinge“ denken zu müssen. 15 Prozent der Risiko-Gamer fühlen sich unglücklich, wenn sie nicht spielen konnten. Fünf Prozent hatten durch das Spielen „ernsthafte Probleme“ mit der Familie oder Freunden.
Nach Einschätzung des Deutschen Zentrums für Suchtfragen fördern aktuelle Games mit ihrem Spielverlauf die mögliche Abhängigkeit bei Kindern und Jugendlichen. Als Beispiele werden genannt:
• Open-End: Die virtuellen Welten verändern sich ständig. Es werden neue Spielerlebnisse ohne endgültiges Ziel angeboten.
• Personalisierung: Games gehen auf Bedürfnisse und Wünsche der Spieler ein und berücksichtigen persönliche Fähigkeiten
• Soziale Zugehörigkeit: Ein Teamverbund ermöglicht schnelle Spielfortschritte und schafft Wertschätzung und Anerkennung.
• Belohnungen für hohes Spielengagement der Gamer.
• Loot-Boxen: Diese Überraschungskisten gibt es für erfolgreiches Spiel oder gegen Geld. Nutzer werden so an die suchtgefährden Mechanismen des klassischen Glücksspiels herangeführt. In Belgien und den Niederlanden sind Loot-Boxen bereits verboten.
• Virtuelle Währung: Geld intensiviert das Spielerlebnis. Bestimmte Funktionen sind nur im Tausch gegen Geld zu erlangen (In-Game-Käufe). Es werden virtuelle Währungen wie z.B. „V-Bucks“ eingesetzt, wodurch der Überblick der Ausgaben erschwert wird.
Als Konsequenz aus den aktuellen Umfrageergebnissen „Geld für Games“ fordert die DAK-Gesundheit ein Verbot von Glücksspielelementen in Computerspielen sowie Warnhinweise für den Spielzeiten und Ausgaben. Ferner verstärkt die Krankenkasse ihre Prävention und Aufklärung.
„Wir untersuchen das Thema Internetsucht und Gaming bereits seit fünf Jahren“ , sagt Vorstandschef Andreas Storm. Aktuell finanziert die DAK-Gesundheit neue Broschüren, die Jugendliche, Eltern und Lehrkräfte gezielt über die moderne Entwicklung bei den Computerspielen informieren, Risiken aufzeigt und Hilfen anbietet Herausgegeben werden die Hefte mit ausführlichen Hintergrundinformationen, Beispielen und einem Selbsttest vom Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Weitere Informationen gibt es auch im Internet unter www.computersuchthilfe.info oder unter www.dak.de/internetsucht.
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