Die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V. und der Freundeskreis freilebender Wölfe e.V. haben einen offenen Brief zum Entwurf der "Sächsischen Wolfsmanagement Verordnung" an den Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft Thomas Schmidt geschrieben. "Die Verbände lehnen den Entwurf vehement ab, denn er verläßt die Grundsätze des Wolfsmanagements, die Sachsen bisher zu einem Vorreiter in Deutschland werden ließen und setzt statt auf Herdenschutz auf Abschüsse von Wölfen, teilweise in eklatantem Widerspruch zu Grundsätzen des Tierschutzes."
Sehr geehrter Herr Staatsminister,
Das sächsische Wolfsmanagement ist nicht zu Unrecht beispielhaft für alle deutschen Bundesländer, die von der langjährigen Erfahrung im Freistaat profitieren können. Seit langem sind in Sach-sen die notwendigen Aufgaben klar zugeordnet und für nahezu alle Eventualitäten bestehen Zuständigkeiten. Im besonders sensiblen Bereich der Nutztierschäden und für die Unterstützung von Schutzmaßnahmen gibt es eingespielte Regeln, die allerdings noch ausgebaut und verbessert wer-den könnten. Auch bei Verhaltensauffälligkeiten von Wölfen wurde in der Vergangenheit zielführend vorgegangen.
Die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V. (GzSdW) und der Freundeskreis freilebender Wölfe e.V. setzen sich seit 25 Jahren für Wölfe in Deutschland und weltweit ein und haben, seitdem wie-der Wölfe in Sachsen leben das Wolfsmanagement des Freistaats Sachsen konstruktiv begleitet und, wo immer nötig, auch in jeder Weise unterstützt. Vor allem im Bereich der Nutztierhaltungergaben sich immer wieder Fälle, in denen die – sicher notwendigen – Regelungen für das Wolfs-management der Situation nicht gerecht werden konnten. Immer dann wurde die GzSdW um Hilfegebeten und konnte meist das Problem zur allgemeinen Zufriedenheit lösen. Auch der Freundeskreis hat sich durch tatkräftige Unterstützung der Nutztierhalter eingebracht.
Wir bedauern sehr, dass das SMUL mit dem vorliegenden Entwurf zur Sächsischen Wolfsmanage-ment Verordnung offensichtlich dieses erfolgreiche Wolfsmanagement verlässt.
Die Verordnung beschäftigt sich überwiegend mit der Behandlung von Ausnahmen vom Schutz-status des Wolfes nach § 45 Absatz 7 Bundesnaturschutzgesetz und der daraus erfolgenden Entnahme von Wölfen, aber so gut wie gar nicht mit der Verbesserung von Möglichkeiten zur Vermeidung dieser Ausnahmesituationen. Offensichtlich legt die sächsische Staatsregierung derzeit mehr Wert darauf, Wolfsabschüsse zu ermöglichen, als darauf, durch Präventionsmaßnahmen Nutztierschäden zu verhindern. Die bisher in weiten Teilen von Sachsen gut funktionierenden Herdenschutzmaßnahmen werden völlig ignoriert.
Die Verordnung ist unserer rechtlichen Einschätzung nach nicht durch die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie bzw. die Berner Konvention sowie das Bundesnaturschutzgesetz gedeckt -weder im Detail noch folgt sie in ihrem Ansatz der Intention dieser rechtlichen Rahmenbedingungen.
Sie widerspricht (vor Allem in §6, Absatz 4 und 5) auch dem deutschen Tierschutzgesetz. Insbe-sondere die geplanten Entnahmemöglichkeiten von ganzen Rudeln, bis hin zu Elterntieren mit ab-hängigen Jungtieren oder sogar den Welpen selbst, widersprechen dem Tierschutz elementar. Sie können auch nicht als Ausnahme nach § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 1 des Bundesnaturschutzgesetzes akzeptiert werden, denn für jede Entnahme muss eine Einzelfallprüfung und Alternativenprüfung vorliegen, um die Ausnahme zu begründen.
Die Verordnung geht davon aus, dass sich der Erhaltungszustand der Wolfspopulation im Sinne von § 45 Bundesnaturschutzgesetz im Freistaat Sachsen durch Entnahmen in Ausnahmesituationen aufgrund der entstandenen Populationsdynamik nicht verschlechtert. Dies steht im krassen Widerspruch zur FFH-Richtlinie und dem Bundesnaturschutzgesetz. Der Erhaltungszustand ist kein Begriff für den Freistaat Sachsen. EuGH vom 14. Juni 2007, C342/05, Randnummer 29 ist nicht auf die Wölfe in einem einzelnen Bundesland anzuwenden. Die EU Kommission hat in 2018 den unverändert hohen Schutzstatus des Wolfes mehrfach bestätigt.
Bei der Möglichkeit der Entnahme nach zweimaligem Überwinden von zumutbaren Schutzmaß-nahmen, die ordnungsgemäß errichtet wurden, bleibt ungeklärt, wie die Schwierigkeit, im Nach-hinein die Ordnungsmäßigkeit der Errichtung des Schutzes zu überprüfen gelöst werden kann. Art und Funktionszustand der Zaunanlagen sowie, beim Einsatz von Herdenschutzhunden, ob zertifizierte Hunde in einer an die Herdengröße angepassten Anzahl zum Zeitpunkt des Übergriffs ein-gesetzt wurden, wäre zwingend amtlich zu überprüfen.
Das Wolfsmanagement in Sachsen in den Bereichen Rissbegutachtung und Öffentlichkeitsarbeit funktioniert bereits gut und ist seit Jahren eingespielt. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum die bestehenden, bewährten Strukturen nicht beibehalten werden sollen.
Die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V. und der Freundeskreis freilebender Wölfe e.V. lehnen den vorliegenden Entwurf zur Sächsischen Wolfsmanagement Verordnung in der vorliegenden Version ab, denn sie erfüllt in keiner Weise die für ein funktionierendes Wolfsmanagement essen-tielle Aufgabe, ein möglichst konfliktarmes Zusammenleben von Menschen und Wölfen in Sachsen zu ermöglichen bzw. zu regeln. Anstatt auf konsequenten Herdenschutz zu setzen und z. B. die Hürden für den Einsatz von Herdenschutzhunden durch Prüfung von Herdenschutzhunden mit an-schließender Förderung des Unterhaltes zu senken, wird hier auf Aktionismus und populistische Maßnahmen gesetzt. Ohne funktionierenden Herdenschutz sind Entnahmen von „Problemwölfen“ keine Lösung, denn andere Wölfe werden die entstehenden Lücken füllen und die Defizite im Herdenschutz genauso wieder aufzeigen.
Wir fordern sie auf, das erfolgreiche Wolfsmanagement des Freistaats entsprechend der Entwicklung des Wolfsbestandes und aufbauend auf den bewährten Strukturen weiter zu entwickeln. Dabei unterstützen wir den Freistaat auch gerne weiterhin.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Blanché, 1. Vorsitzender GzSdW. www.gzsdw.de
Ralf Hentschel, Vorsitzender Freundeskreis freilebender Wölfe www.freundeskreis-wolf.de
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