Im Jahr 1854 wanderten der ehemalige Glauchauer Bürgermeister Ottokar Dörffel und seine Frau Ida nach Brasilien aus. Trotz der Entfernung hielten die Dörffels Zeit ihres Lebens Kontakt zu Verwandten und Freunden in Sachsen. Resultat dessen ist ein fast 100 Schreiben umfassender Briefwechsel über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren, der sich heute im Sächsischen Staatsarchiv, Staatsarchiv Chemnitz und im Museum und Kunstsammlung Schloss Hinterglauchau befindet. Dieser wurde nun in einer Publikation des Staatsarchivs beim Mitteldeutschen Verlag Halle/Saale veröffentlicht.
Ottokar (1818–1906) und Ida Dörffel (1822–1889) ließen sich in der erst wenige Jahre zuvor entstandenen Siedlung Dona Francisca, dem heutigen Joinville, im Süden des Landes nieder. Der gestandene Jurist und Kommunalpolitiker begann hier wie die meisten Einwanderer mit der Urbarmachung seines Grundstücks, mit Landwirtschaft und Viehhaltung, engagierte sich aber recht schnell wieder in Politik und Verwaltung und entfaltete unternehmerische, gesellschaftliche und publizistische Wirksamkeit. Bis heute gilt er als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten Joinvilles im 19. Jahrhundert.
Mit viel Herzlichkeit, Humor und spielerischem Umgang mit Sprache beschreiben Ida und Ottokar Dörffel ihren Alltag vom Aufbruch in Glauchau bis in Ottokar Dörffels Todesjahr, schildern Tier- und Pflanzenwelt, Klima und Wetter, Ernährungsgewohnheiten und private Festkultur, gesellschaftliches Leben und Vereinswesen, Gesundheitsfragen, persönliche Netzwerke, alte und neue Heimat sowie Dörffels Werdegang vom Landwirt zum Bürgermeister Joinvilles und Konsul des Deutschen Reichs.
Der Briefwechsel stellt in Umfang und inhaltlicher Breite ein einzigartiges Zeugnis der Kultur-, Mentalitäts- und Alltagsgeschichte des 19. Jahrhunderts dar und bietet intensive Einblicke in ein Auswandererleben. Er ergänzt in einzigartiger Weise die amtliche Überlieferung im Staatsarchiv Chemnitz und in weiteren Archiven. Spiegeln die Akten der Behörden vornehmlich die amtliche Vorbereitung und Abwicklung der Auswanderung wieder, erhellen die Auswandererbriefe die individuellen Gründe für die Auswanderung sowie deren tatsächlichen Verlauf und die damit verbundenen Umstände.
Die Publikation ist über den Verlag oder den Fachhandel erhältlich (560 S., geb., 170 × 240 mm, s/w- und Farbabb.; ISBN 978-3-96311-108-2; Verkaufspreis: 49,- €).
Keine Kommentare bisher