Der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2019 wird der russisch-US-amerikanischen Journalistin und Schriftstellerin Masha Gessen für ihr Buch „Die Zukunft ist Geschichte. Wie Russland die Freiheit gewann und wieder verlor.“ verliehen. Das Buch, das vielschichtig die postsowjetische Gesellschaft beschreibt, erschien im November 2018 im Suhrkamp Verlag. 2017 erhielt Masha Gessen für dieses Buch den National Book Award in der Kategorie Nonfiction. Anselm Bühling hat das Werk aus dem Englischen übersetzt
In der Begründung der Jury heißt es:
„Die Zukunft ist Geschichte“ – wem wäre in den letzten Jahren nicht nur auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion, nein, auch in Ferguson, Charlottesville, Washington, in Rom, Wien, Budapest, Warschau, Dortmund, Chemnitz und auch bei mancher Übertragung aus dem Bundestag nicht dieser Gedanke gekommen. Immer häufiger flackert das Feuer der Intoleranz auf, immer häufiger begleitet von Gewalt.
Mancherorts entsteht ein Flächenbrand, der eine auf Respekt und Freiheit gründende gesellschaftliche Dynamik zu zerstören droht. In diesen schwierigen Zeiten überzeugt die Hingabe, die Dringlichkeit, die kraftvoll engagierte Intelligenz, mit der uns Masha Gessen als Autorin und auch als Bürgerin begegnet.
Vier Biographien hat sie ins Zentrum ihres eindrucksvollen „umfangreichen faktografischen russischen Romans“ gestellt, wie sie ihn selbst umschreibt: Vier junge Menschen in Russland, die an den Unfreiheiten der Putin’schen Politik leiden, deren Lebenswege an ihr zu zerbrechen drohen. Der emanzipatorische Aufbruch der neunziger Jahre wird erstickt, wenn nicht gewaltsam bekämpft.
Gessens Hinweis auf das Fehlen des demokratischen Instrumentariums der postsowjetischen Gesellschaft schärft den Blick für die Erosion unserer eigenen demokratischen Institutionen, für die Gefährdung dessen, was wir stets als gesetzt angenommen haben.
Ein wichtiges Buch, unerbittlich, ergreifend und zugleich in seiner Analyse scharfsichtig. Die beständigen Angriffe auf Bürger- und Menschenrechte, die in ihm dokumentiert und beschrieben werden, sind in immer mehr westlichen Ländern ebenfalls zu verzeichnen. „Die Zukunft ist Geschichte” spricht auch in dieser Hinsicht direkt zu uns. Ziel der Angriffe sind eben jene Werte und Überzeugungen, die jeglicher europäischen Verständigung zugrundeliegen müssen.
Der Jury des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung 2019 gehören an: Dr. Alida Bremer (Autorin und Übersetzerin, Münster), Michael Krüger (Verleger i. R., München), Johannes Riis (Verleger, Kopenhagen), Elisabeth Ruge (Lektorin und Verlegerin, Berlin), Gundula Sell (Referentin, Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, Dresden).
Die Preisverleihung an Masha Gessen findet zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse am Abend des 20. März 2019 im Gewandhaus zu Leipzig statt. Die Laudatio hält der Historiker und Publizist Gerd Koenen.
Der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung, seit 1994 jährlich vergeben und mit 20.000 Euro dotiert, zählt zu den wichtigsten Literaturauszeichnungen in Deutschland. Das Preiskuratorium bilden der Freistaat Sachsen, die Stadt Leipzig, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. und die Leipziger Messe. Kooperationspartner ist die Bundeszentrale für politische Bildung.
Ausführliche Informationen zum Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung, den bisherigen Preisträgern, dem Kuratorium und der Jury sind unter www.leipzig.de/buchpreis zu finden.
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