Vietnam zählt zu den wachstumsstärksten Schwellenländern Südostasiens - in diesem Jahr wird ein Wirtschaftswachstum von knapp sieben Prozent erwartet. Wie sächsische Unternehmen in dem aufstrebenden Land Fuß fassen oder ihre Position ausbauen können, war ein zentrales Gesprächsthema zum Auftakt der Vietnam-Reise von Wirtschaftsminister Martin Dulig.
Es ist die erste politische begleitete Unternehmerdelegation aus Deutschland seit über einem Jahr. Entsprechend bedeutsam wird in Vietnam der Besuch auch eingeordnet.
Wirtschaftsminister Dulig traf sich gestern in der Hauptstadt Hanoi mit dem Minister für Planung und Investition, Nguyen Chi Dung, und dem Vize-Minister für Industrie und Handel, Hoang Quoc Vuong. Es folgte der wohl wichtigste Termin des Tages.
Erst wenige Stunden zuvor wurde der Delegation von vietnamesischer Seite ein Treffen mit Nguyen Duc Chung, Vorsitzender des Volkskomitees der Stadt Hanoi, Minister im Politbüro der KP Vietnams, angeboten. Die Themen Anlagen-, Maschinen-, Fahrzeugbau spielten eine übergeordnete Rolle, aber auch Aus- und Weiterbildung, Umweltschutz und Energietechnik.
„Ich freue mich, dass wir Sachsen so aufmerksam und freundlich in diesem traditionsreichen und wunderschönen Land empfangen wurden. In allen Gesprächen wurde heute deutlich, dass Vietnam sehr ernsthaft an einer engen Zusammenarbeit mit uns interessiert ist. Wir müssen die gemeinsamen Potentiale und Stärken von Vietnam und Sachsen nutzen, um die Entwicklung unserer beiden Länder zum Wohle der Menschen weiter voranzubringen.
Es gibt hier ein wirkliches Interesse an sächsischem Know-how und an unseren Firmen. Alle drei Minister haben sich sehr intensiv auf die Gespräche vorbereitet und sich sehr über die Einladung nach Sachsen gefreut, wo wir ihnen auf unserem Messen Z und Intec bzw. InnoTrans weitere Partner bieten können. Gerne zeigen wir ihnen auch gerne die Highlights unseres Landes. Insoweit war schon der erste Tag unseres Besucher ein voller Erfolg.“
Gleich zwei Leipziger Unternehmen haben gestern konkrete Kooperationsvereinbarungen mit vietnamesischen Partnern unterzeichnet: die Aone Deutschland AG im Bereich der Wasserversorgung und die Mitteldeutsche Flughafen AG im Bereich der Luftfracht.
Am Nachmittag besichtigte Minister Dulig das im Bau befindliche Wasserwerk Song Duong in Hanoi. Mit einer geplanten Kapazität von etwa 900.000 Kubikmetern pro Tag soll es künftig rund acht bis zehn Millionen Menschen versorgen. Durch das immense Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahrzehnte ist der Bedarf an Wasser stark gestiegen.
Deshalb strebt die Regierung eine komplette Modernisierung der Wasserversorgung an, die überwiegend noch auf einem zentralen Brunnenwassersystem basiert. Zwar wird der Anschlussgrad ans Wassernetz insgesamt als gut eingeschätzt, doch die vorhandene Infrastruktur stammt überwiegend aus den 1960er- und 1970er-Jahren. Laut Plan der vietnamesischen Regierung soll die Wasserqualität der 8-Millionen Einwohnerstadt Hanoi im Jahr 2020 europäisches Niveau besitzen.
Bei der Modernisierung setzen die Vietnamesen auch auf Know-how aus Sachsen: Die Aone Deutschland AG – ein im Frühjahr 2018 gegründetes sächsisch-vietnamesisches Joint Venture der Tilia GmbH (Leipzig) und der AquaOne Water Corporation – ist am Bau des Wasserwerkes Song Duong beteiligt.
Aone hat den Auftrag für die Bauphase 1b (150.000 Kubikmeter/Tag) erhalten. Die Fertigstellung ist im Oktober 2019 geplant. Der vietnamesische Partner AquaOne gilt als größter privatwirtschaftlicher Wasser- und Abwasserbetrieb des Landes. Er besitzt eine Lizenz, um Wasser aus dem Fluss Suong Dong zu entnehmen, es über ein Wasserwerk zu reinigen und im Bereich Hanoi zu verteilen.
Im Beisein von Minister Dulig unterzeichneten die Unternehmen Aone und AquaOne über den bestehenden Vertrag hinaus gestern ein „Memorandum of Understanding“. Diese Absichtserklärung beinhaltet die Installation einer 10 MW-Photovoltaikanlage im Song Duonger Werk.
„Der Zugang zu sauberem Wasser ist für die Entwicklung des Landes ausschlaggebend. Gerade in einer schnell wachsenden Metropole wie Hanoi, ist sauberes Wasser schon aus Gesundheitsgründen enorm wichtig. Wir sind stolz darauf, dass Technologie aus Sachsen hier einen Beitrag leisten kann, um die Modernisierung der vietnamesischen Wirtschaft voranzutreiben.“
Im Rahmen eines Netzwerkabends in der Deutschen Botschaft vereinbarte Götz Ahmelmann, neuer Vorstand der Mitteldeutschen Flughafen AG, eine Zusammenarbeit mit dem Noi Bai International Airport. Die Kooperation zielt darauf ab, einen Luftfrachtverkehr zwischen dem Flughafen Leipzig/Halle und dem vietnamesischen Hauptstadtflughafen zu entwickeln. Vietnam ist neben China einer der dynamisch wachsenden Märkte für E-Commerce-Handel und Logistik mit einem stetig steigenden Quellaufkommen an Gütern und Waren.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig sagte nach der Unterzeichnung in Hanoi: „Der Flughafen Leipzig/Halle bildet den Kern des Logistikstandortes Mitteldeutschland. Die moderne Infrastruktur und die 24-Stunden-Betriebsgenehmigung für den Frachtverkehr haben ein beachtliches Wachstum des Frachtumschlages bewirkt. Diese Erfolgsgeschichte wollen wir fortschreiben. Das heute unterzeichnete Memorandum of Understanding kann uns neue Türen in Südostasien öffnen und dazu beitragen, den Wirtschaftsstandort Sachsen weiter zu stärken.“
Hintergrund: Wirtschaftsbeziehungen Sachsen – Vietnam
Um sächsischen Unternehmen den Weg nach Vietnam zu ebnen, besucht Wirtschaftsminister Martin Dulig vom 17. bis 24. November mit einer rund 20-köpfigen Delegation das südostasiatische Land. Die vom sächsischen Wirtschaftsministerium und der Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS) organisierte Reise verfolgt das Ziel, die Kontakte zwischen Sachsen und Vietnam weiter auszubauen.
Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau, Infrastruktur, Textil und Kfz-Zulieferung. Die Besichtigungen, Erfahrungsaustausche und politischen Gespräche konzentrieren sich auf die Wirtschaftszentren Hanoi, Ho-Chi-Minh-City und Haiphong.
Die langjährigen, guten Verbindungen zwischen Sachsen und Vietnam fußen auf einem geschichtlichen Fundament – zahlreiche vietnamesische Studierende und Fachkräfte wurden zu DDR-Zeiten in Sachsen ausgebildet. Bis heute prägt diese historische Beziehung die gegenseitigen Wirtschafts- und Hochschulkooperationen.
In den vergangenen Jahren haben sich die außenwirtschaftlichen Aktivitäten zwischen Sachsen und Vietnam intensiviert. Im Jahr 2017 wurden sächsische Waren im Wert von 79,72 Mio. Euro nach Vietnam exportiert. Dies entspricht einem Zuwachs von 51 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die wichtigsten Warengruppen bilden Erzeugnisse der Elektrotechnik, des Kraftfahrzeugbaus und des Maschinenbaus.
Mit dem Ziel der Markteröffnung und Kontaktpflege führt die WFS seit dem Jahr 2000 regelmäßig Unternehmerreisen nach Vietnam zu den Schwerpunktbranchen Textil, Umwelt und Maschinenbau durch und betreut im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen vietnamesische Delegationen in Sachsen.
Die Aktivitäten in Vietnam fokussieren sich vorzugsweise auf die Hauptstadt Hanoi mit dem angrenzenden Umland sowie auf das Wirtschaftszentrum in und um Ho-Chi-Minh-Stadt im Süden des Landes. Außerdem arbeitet die WFS bereits seit 1994 mit einem Kontaktpartner in Hanoi eng zusammen.
Viele sächsische Unternehmen pflegen langjährige Kooperationen mit Vietnam und realisieren gemeinsame Projekte. Sie sind in den Bereichen Städte- und Verkehrsinfrastruktur, Wasser-/Abwassermanagement, Maschinenbau, im Handel und in weiteren Branchen aktiv. Im Bereich der Berufsbildung entwickeln die sächsischen Bildungsträger in enger Kooperation mit vietnamesischen Partnern tragfähige und länderspezifische Bildungsmodelle.
Vietnam, das Land mit der drittgrößten Bevölkerung Südostasiens, hat in den vergangenen Jahren ein beeindruckendes Wirtschaftswachstum erreicht. Legt man das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zugrunde, so ist dieses seit 1989 um mehr als das Dreißigfache gestiegen. Infolge seiner Freihandelspolitik könnte sich Vietnam für europäische Unternehmen zu einem internationalen Knotenpunkt für den Welthandel entwickeln.
Dennoch gibt es noch einiges zu tun, bei dem ausländische Unterstützung nach wie vor gefragt ist. Der Aufbau einer eigenen mittelständischen Wirtschaft und einer modernen Industrie ist wichtig. Hier können entsprechende Partner, auch aus Sachsen, einen Beitrag zur Entwicklung leisten.
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