Rund 15.000 Teilnehmer, fünf Standorte bundesweit, 3,3 Millionen Euro Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) - die jetzt startende Studie "ProHEAD" ist die bundesweit bislang größte und umfassendste wissenschaftliche Untersuchung zu Online-Hilfsangeboten im Internet für Jugendliche. Geleitet und koordiniert wird das Projekt, an dem auch Leipziger Unimediziner beteiligt sind, von Prof. Dr. Michael Kaess und PD Dr. Stephanie Bauer vom Universitätsklinikum Heidelberg.
Das Leipziger Studienzentrum an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums unter Leitung von Privatdozentin Dr. Christine Rummel-Kluge ist eines der insgesamt fünf Zentren, die an der Studie beteiligt sind.
“ProHEAD” steht für “Promoting Help-seeking using E-technology for ADolescents” – zu Deutsch: “Förderung des Hilfesuchverhaltens von Kindern und Jugendlichen durch den Einsatz neuer Medien” – und genau darum geht es: Wie müssen Internetseiten zu Depressionen, Essstörungen oder Alkoholmissbrauch aufgebaut sein, damit sie betroffenen Schülerinnen und Schülern wirklich helfen? Und wie kann man über ein Internetportal bereits erkrankte junge Menschen dazu bewegen, sich aktiv professionelle Hilfe zu suchen?
Suchmaschinen im Internet: häufig die ersten, aber nicht die besten Ansprechpartner
Psychische Erkrankungen sind ein häufiges gesundheitliches Problem bei Kindern und Jugendlichen. Nahezu die Hälfte aller jungen Menschen ist im Laufe des Heranwachsens von psychischen Problemen wie zum Beispiel Essstörungen, gefährlichem Alkoholkonsum oder depressiven Symptomen betroffen, die wenigsten von ihnen erhalten eine professionelle Behandlung. Besonders junge Betroffene suchen häufig zunächst Unterstützung bei nahestehenden Personen oder informieren sich ausschließlich über das Internet, weil es anonym, zu jeder Tages- und Nachtzeit zugänglich und auch für Jugendliche in ländlichen Regionen gut erreichbar ist.
“Die Gründe für mangelndes Hilfesuchverhalten in dieser Altersgruppe sind vielfältig. Häufige Barrieren sind Vorurteile, Scham, fehlende Informationen und Skepsis gegenüber den Möglichkeiten professioneller Hilfe”, fasst Projektleiter Prof. Dr. Michael Kaess zusammen. Dabei wäre es wichtig, früh einzuschreiten, so der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
“Eine möglichst frühzeitige Erkennung und die anschließende professionelle Behandlung psychischer Probleme verbessert die psychische Verfassung des Jugendlichen, vermeidet eine Chronifizierung und kann die Kosten im Gesundheitswesen reduzieren”. Was noch hinzukommt: Nicht alle Internetseiten und Social Media- Angebote, die junge Menschen mit Problemen aufsuchen, sind empfehlenswert – einige können sogar gefährlich sein und zum Beispiel Essstörungen eher fördern.
Welche Art von Online-Hilfsangeboten ist wirkungsvoll?
Das Forschungsprojekt möchte die Jugendlichen dort abholen, wo sie sich heutzutage häufig aufhalten – im Internet. Ziel der Studie sind die Entwicklung, Umsetzung und der Praxistest von Online-Programmen, die das Hilfesuchverhalten von Jugendlichen mit psychischen Problemen fördern, bei gefährdeten Jugendlichen die Symptome reduzieren und Jugendlichen ohne Auffälligkeiten allgemeine Tipps zur Förderung der psychischen Gesundheit geben. Die Teilnahme ist für die Schülerinnen und Schüler freiwillig, die Angaben unterliegen dem Datenschutz. Vom 1. November 2018 an werden bundesweit die ersten Schulen in das Projekt einsteigen.
In Leipzig werden Gymnasien und Oberschulen im Stadtgebiet in zufälliger Reihenfolge über die Studie informiert und gebeten, sich zu beteiligen. Der erste Schritt ist dann für die Jugendlichen das Ausfüllen eines Fragebogens am PC in der Schule, was circa 90 Minuten dauert. Auf Basis der Ergebnisse werden sie in die drei Gruppen “Jugendliche mit Verdacht auf eine psychische Erkrankung”, “Jugendliche mit erhöhtem Risiko” oder “Gesunde Jugendliche” eingeteilt und bekommen Zugang zu Online-Programmen, die genau auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind .
“Durch die Studie wollen wir herausfinden, wie Jugendliche mit erhöhtem Risiko die verschiedenen Online-Programme nutzen. Außerdem soll untersucht werden, wie jene mit Verdacht auf eine psychische Erkrankung am besten dabei unterstützt werden können, sich professionelle Hilfe vor Ort zu suchen”, sagt PD Dr. Christine Rummel-Kluge, Leiterin des Leipziger Studienzentrums. Die gesunden Jugendlichen erhalten Zugang zu einem Online-Programm mit Modulen zu Stressbewältigung, Entspannung und Ernährung.
Nach einem und dann noch einmal nach zwei Jahren wird erneut ein Fragebogen in der Schule ausgefüllt, um zu erfahren, wie erfolgreich die verschiedenen Angebote waren. Während einige Programme rein automatisiert ablaufen, werden andere von Experten betreut, die beispielsweise in Chats auch individuelle Fragen beantworten. Dr. Rummel-Kluge betont dabei: “Die Online-Angebote sollen eine eventuell nötige Behandlung und persönliche Unterstützung keinesfalls ersetzen, sondern einen niedrigschwelligen Zugangsweg bieten, den die Jugendlichen sonst nicht hätten.”
Weitere Informationen
http://www.prohead.de/
https://www.uniklinikum-leipzig.de/einrichtungen/psychiatrie-psychotherapie/Seiten/Pro-HEAD.aspx
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