Der Konrad-Duden-Preis der Stadt Mannheim und des Bibliographischen Instituts in Berlin gilt als einer der wichtigsten Preise in der Sprachwissenschaft. Heute Abend geht die mit 12.500 Euro dotierte Auszeichnung an Prof. Dr. Christian Fandrych von der Universität Leipzig.
Auch kurz vor der feierlichen Preisübergabe kann der Sprachwissenschaftler es immer noch nicht ganz glauben, dass er diese hohe Auszeichnung erhalten wird. „Es ist ungewöhnlich, dass jemand, der sprachwissenschaftliche Fragen so eng mit Praxisbezug verbindet, diesen Preis bekommt“, freut er sich. Und ergänzt umgehend: „Was heißt ‚ich‘? Der Preis gilt allen, mit denen ich am Herder-Institut zusammenarbeiten kann. Dafür bin ich sehr dankbar.“
Liebe für dieses Fachgebiet
Johann Gottfried von Herder ist Namensgeber des Leipziger Instituts, an dem Fandrych nun seit fast zwölf Jahren forscht und lehrt. Der Dichter schrieb einst: „Ohne Begeisterung schlafen die besten Kräfte unseres Gemütes. Es ist ein Zunder in uns, der Funken will.“ Der von Herder benannte „Zunder“ ist im Gespräch mit Prof. Fandrych schnell auszumachen: Die Begeisterung für die Ausbildung von Studierenden aus dem In- und Ausland im Fach „Deutsch als Fremdsprache“ und damit seine Liebe für dieses Fachgebiet. Und ein „Funke“ ist das Herder-Institut selbst, an dem bereits 1968 der erste Lehrstuhl für „Deutsch als Fremdsprache“ eingerichtet wurde. Lehrstuhlinhaber war Professor Gerhard Helbig, der im Jahr 1993 ebenfalls mit dem Konrad-Duden-Preis ausgezeichnet wurde. „Es ist ein hervorragender Ort, um dieses Fach zu betreiben“, schwärmt Fandrych. Ein Institut, das von Tradition und Dynamik gleichermaßen geprägt sei und in dem sehr forschungsorientiert gearbeitet werde. „Es ist ein sehr sichtbares Institut, und ich bin froh, hier sein zu dürfen.“
Fallstricke für Ausländer beim Studium
Doch was bedeutet „Deutsch als Fremdsprache“? Wer denkt, um die deutsche Sprache zu beherrschen, müsse man doch einfach nur Wörter und Grammatik kennen, der irrt. „Wie verfasst man in Deutschland an einer Hochschule eine Hausarbeit?“, ist eines der Beispiele, an denen der 56-jährige Konrad-Duden-Preisträger schnell klar macht, welche Fallstricke sich für Ausländer beim Studium hier auftun. Ein Student aus Irland oder Großbritannien wäre in diesem Fall nämlich geneigt, ein Essay abzuliefern. „Er würde journalistischer schreiben, als die einheimischen Studierenden, viel mehr bewerten, viel mehr Meinung einbringen. Das gilt bei uns als unwissenschaftlich“, erklärt der Sprachwissenschaftler.
Noch schwieriger stelle sich die Situation in vielerlei Hinsicht für Studierende aus der arabischen Welt dar. Etwa für Studenten aus Kairo, wo Fandrych gemeinsam mit den Kollegen der Ain-Schams-Universität vor nunmehr zehn Jahren einen gemeinsamen binationalen Masterstudiengang „Deutsch als Fremdsprache im arabisch-deutschen Kontext“ ins Leben gerufen hat. „Das Universitätssystem dort ist eher verschult, es wird viel auswendig gelernt. Die kritische Herangehensweise wird nicht in gleicher Weise wie hier gefordert.“ Es gehe beim Studium in Kairo mehr um Wissensgewinn, denn um wissenschaftlichen Diskurs. Ganz anders in Deutschland, wo bereits in der Schule geübt werde, das Pro und Kontra abzuwägen und meinungsbetont am Unterricht teilzunehmen. Daher fühlten sich Studierende aus der arabischen Welt in deutschen Lehrveranstaltungen öfters überfordert. „Darauf müssen wir die Studierenden erstmal vorbereiten. Wie und auf welche sprachliche Weise sie in einem Seminar agieren müssen, dass sie sich zum Beispiel möglichst selbstständig beteiligen müssen und auch einfach mal ihre ersten Einschätzungen zu einem Thema äußern sollten“, so Professor Fandrych.
Praxisbezogene Forschungsprojekte
„Deutsch als Fremdsprache“ heißt also nicht nur, Sprachkompetenz zu bekommen und auszubauen, sondern es bedeutet auch, die Verwendung der deutschen Sprache in verschiedenen Situationen und Kontexten zu vermitteln. Und das gelingt wie? Zum einen durch neue Studiengänge mit ausländischen Universitäten, wie sie das Herder-Institut bereits an Hochschulen in Brasilien, Mexiko, Spanien und Südafrika einrichten konnte. Christian Fandrych konnte weitere binationale Studiengänge dieser Art nicht nur in Kairo, sondern jüngst auch an der Universität in Hanoi initiieren. Zum anderen gelingt es durch praxisbezogene Forschungsprojekte im Fach „Deutsch als Fremdsprache“ am Herder-Institut in Leipzig selbst. Sechs Jahre lang haben Fandrych und sein Team an der Datenbank „GeWiss“, Gesprochene Wissenschaftssprache, gearbeitet.
In ihr sind typische, universitäre Sprachsituationen zu finden: Prüfungsgespräche, Seminarreferate und vieles mehr. Diese Beispiele dienen Lehrenden dazu, internationale Studierende besser auf ein Studium in Deutschland vorbereiten zu können. Sie dienen aber auch der Erforschung der Kommunikation an der Hochschule selbst. Das Projekt wird jetzt noch ausgebaut – mithilfe des neuen Forschungsprojekts „ZuMult“ (Zugang zu multimodalen Korpora gesprochener Sprache). Dabei gehe es um die bessere Erschließbarkeit und Nutzbarkeit bestehender Datenbanken. Sie sollen zugänglicher und für Anwender deutlich zielgenauer und einfacher durchsuchbar werden, erklärt Fandrych. Ein Projekt mit vielen Partnern, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für drei Jahre gefördert wird.
Plädoyer für einen „sprachsensiblen Unterricht“
Genug zu tun also für den diesjährigen Konrad-Duden-Preisträger. Und doch brennt ihm aktuell noch ein weiteres Thema unter den Nägeln: die sprachliche Förderung von Kindern und Erwachsenen mit Migrationshintergrund. Das Herder-Institut hat darauf bereits reagiert, indem es den Lehramtsstudiengang „Deutsch als Zweitsprache“ eingerichtet hat. Fandrych findet das äußerst wichtig, denn er plädiert für einen „sprachsensiblen Unterricht“ an den Schulen: „Es reicht nicht, dass sich die Kinder mit Migrationshintergrund im Deutschunterricht sprachlich weiterentwickeln können. Alle Lehrer müssen sprachbewusst unterrichten, damit niemand, der inhaltlich durchaus mitkommen würde, aus Verständnisgründen hinten runter fällt.“
An all diesen Themen und Projekten wird er in wenigen Tagen weiterarbeiten können. Mit dem von Herder einst beschriebenen „Zunder“, den der Sprachwissenschaftler schon seit seinem Germanistikstudium in München und der erstmaligen Berührung mit dem Fachgebiet „Deutsch als Fremdsprache“ in sich trägt. Und mit Sicherheit wird die hohe Auszeichnung mit dem Konrad-Duden-Preis im Mannheimer Schloss nun noch ein weiterer „Funke“ für seine Arbeit sein.
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