Er sprengte wissenschaftliche Grenzen, schrieb sehr emotional und gilt noch heute als äußerst kritischer Denker. Kaum ein deutscher Gelehrter ist so umstritten wie der „Philosoph mit dem Hammer“: Friedrich Nietzsche. Dem Alumnus der Universität Leipzig widmet sich der neue Zyklus des Studiums universale. „Nietzsche now! - Von der Brisanz des Denkens“ ist die Veranstaltungsreihe der Alma mater überschrieben, die am 11. April 2018 mit der Vorlesung „Nietzsche als Reformator“ startet.

„In einem Moment politischer Radikalisierung ist es Zeit, Nietzsches Widersprüchlichkeit und intellektuelle Aggressivität erneut in den Blick zu nehmen“, sagt der Leiter des Arbeitskreises Studium universale, Prof. Dr. Frank Gaunitz. Anglist Dr. Dominik Becher, der Koordinator des Studium universale, ergänzt: „Nietzsche war immer gegen alles, ein kritischer Denker, der die großen Ideale verworfen hat. Dadurch ist er stets aktuell. Und für uns liegt darin ein besonderer Reiz.“

Die erste Vorlesung im Paulinum hält Prof. Dr. em. Volker Gerhardt, der Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin lehrt und kürzlich zum Ehrendoktor der Universität Leipzig ernannt wurde. Er betrachtet Nietzsche, der sich immerhin für den Satz vom „Tod Gottes“ verantwortlich zeichnet, als Reformator in einem Jahrhundert, das unter dem Eindruck der Französischen Revolution begonnen hatte und in dem die Politik zwischen „Revolution“, „Restauration“ und „Reform“ zu keinen verbindlichen Antworten fand. Eine Woche später beleuchtet Dr. Kerstin Borchardt vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Leipzig eine andere Facette des Philosophen. „Zwischen Helden, Schurken und anderen Übermenschen: Nietzsches Erbe in den amerikanischen Superheldencomics“ ist der Titel ihres Vortrags im Hörsaal 1.

Weitere Veranstaltungen befassen sich mit der Tanzmetaphorik, der perspektivischen Erkenntnispraxis bei Nietzsche und seiner Liebe zum Schicksal. Prof. Dr. Elmar Schenkel, Anglist der Universität Leipzig, berichtet dem Publikum von Nietzsches Wirkung in der Welt – ausgehend von dessen Geburtsort Röcken. Autorin Kerstin Decker liest am 16. Mai aus ihrem Buch „Die Schwester. Das Leben der Elisabeth Förster-Nietzsche“. Am 6. Juni bringt Wolf Fritz Haug Nietzsche mit Marx in einen unerwarteten Zusammenhang und am 27. Juni widmen sich die Heidelberger Wissenschaftler Katharina Grätz und Sebastian Kaufmann heutigen Programmen einer „Barbarisierung“ und „Übermenschenzüchtung“, die sich auf Nietzsches Philosophie berufen. Diese Problematik greift eine Woche zuvor auch der Braunschweiger Forscher Prof. Dr. em. Bernhard Taureck in seiner Vorlesung „Nietzsche, ein philosophischer Extremist?“ auf. „Er legt gekonnt dar, warum Nietzsches Denken Steilvorlagen für die Propaganda der Nazis lieferte und warum sich immer wieder Extremisten unterschiedlicher Couleur gern seiner bedienen“, sagt Becher.

Auf dem Programm stehen auch ein philosophischer Stammtisch, eine Stadtführung „Nietzsche in Leipzig“ (Anmeldung per E-Mail) sowie zum Abschluss des Zyklus’ am 4. Juli eine Exkursion nach Röcken mit Bahn und Fahrrad (Anmeldung unter Telefon 0341-1236000 oder per E-Mail, Kursnummer R13211Z).

Das Studium universale an der Leipziger Universität wird organisiert von einem Arbeitskreis aus Mitarbeitern verschiedener Disziplinen der Universität und Partnern aus verschiedenen Einrichtungen der Stadt Leipzig. Es handelt sich um eine Reihe von interdisziplinären Ringvorlesungen zu wechselnden, weit gefassten Themen. Sie richtet sich sowohl an Studierende und Mitglieder der Leipziger Universität als auch an die Leipziger Öffentlichkeit. Der Eintritt ist frei. Durchschnittlich 100 bis 150 Besucher kommen zu jeder Veranstaltung. Die nächste Veranstaltungsreihe im Sommersemester 2018 widmet sich dem Thema Demokratie.

Zeit: 11.04.2018, 19:00 Uhr
Ort: Universität Leipzig, Paulinum – Aula und Universitätskirche St. Pauli
Augustusplatz
04109 Leipzig

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