Die Gehirne der Fruchtfliege und des Menschen ähneln sich mehr als man gemeinhin denkt: Beide verfügen über Nervenzellen mit dem Neurotransmitter Dopamin, der sie befähigt, positive und negative Erlebnisse abzuspeichern und sich später an diese Erfahrung zu erinnern.
So ist beispielsweise der Duft einer Banane für die Fruchtfliege fast immer mit positiven Erlebnissen verbunden, weil sie dadurch an lebensnotwendige Nahrung erinnert wird. Der Biologe Prof. Dr. Andreas Stephan Thum von der Universität Leipzig hat zusammen mit Kollegen des Leibniz-Instituts für Neurobiologie (LIN) in Magdeburg, und dem Janelia Research Campus in den USA erstmals im Gehirn von Larven der Fruchtfliege komplett analysiert wie solche Gedächtnisse abgespeichert werden. Ihre Studie ist im Fachmagazin Nature Communications erschienen.
Der Neurotransmitter Dopamin gilt im Volksmund als Glückshormon. Er ist als Botenstoff wichtig und vermittelt Belohnungs-, aber auch Bestrafungssignale. Diese Rolle im Belohnungssystem spielt er bei Menschen und anderen Säugetieren sowie Insekten gleichermaßen. „Auch die Fruchtfliege kann Positives und Negatives abspeichern. Das ist schon eine große Leistung für ein kleines Gehirn“, sagt der Biologe, der diese Insekten seit 15 Jahren erforscht. „Wir verstehen jetzt, wie Belohnung im Gehirn zustande kommt, welche Zellen aktiv sind, wenn etwas im Belohnungsgedächtnis abgespeichert wird“, erläutert Thum.
Dr. Michael Schleyer aus der Genetik-Abteilung des LIN erklärt: „Auch gute Erfahrungen haben eine Kehrseite. Der Beginn von etwas Gutem wird als positiv wahrgenommen, das Ende dagegen wird als negativ empfunden.“ Das trifft zum Beispiel bei Suchterkrankungen zu. Konsumieren Süchtige ihre Droge, fühlen sie sich gut. Lässt deren Wirkung nach, geht es ihnen aber schlechter als vorher. „Wir wollten dieses ,Kehrseitenprinzip‘ untersuchen. Unsere Experimente zeigen erstmals, dass ein- und dieselben Dopamin-Neurone sowohl den positiven Beginn als auch das negative Ende einer Belohnung vermitteln können“, erläutert Schleyer.
Die Wissenschaftler haben für ihre Experimente Fliegenlarven verwendet. Das Gehirn dieser Tiere ist mit seinen gerade mal 10.000 Nervenzellen einfach, aber leistungsfähig. Die Larven besitzen mit dem Pilzkörper eine Hirnstruktur, die Lern- und Gedächtnisprozesse ermöglicht. Ohne weiteres meistern sie eine klassische Konditionierung, wie sie Pawlow mit seinen Hunden durchgeführt hat. Schleyer berichtet: „Wir haben das klassische Experiment abgewandelt: Wir haben den Larven einen Geruch präsentiert und direkt danach spezifische Dopamin-Neurone künstlich mittels Optogenetik aktiviert. Die Larven haben daraufhin ein Gedächtnis für Belohnung ausgebildet, ohne dass es je eine echte Belohnung gab.“
Wenn die Forscher aber einen Geruch genau in dem Moment präsentiert haben, in dem die Aktivierung der Neurone vorbei war, bildeten die Larven ein negatives Gedächtnis aus. Der Geruch wurde ein Signal dafür, dass das Belohnungsgefühl endet. Der LIN-Wissenschaftler erklärt: „Wir wissen, dass das Dopamin-System beim Menschen eine wichtige Rolle zum Beispiel bei Suchterkrankungen spielt. Unsere Forschung kann vielleicht dazu beitragen, den Zusammenhang von Belohnung, Dopamin und Entzugserscheinungen aufzuklären.“ Die Forschungsergebnisse dieser Studie sind deshalb auch für Psychologen und Psychiater interessant.
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“Das Gehirn dieser Tiere ist mit seinen gerade mal 10.000 Nervenzellen einfach, aber leistungsfähig. Die Larven besitzen mit dem Pilzkörper eine Hirnstruktur, die Lern- und Gedächtnisprozesse ermöglicht.”
Ich würd jetzt fast mal behaupten, damit sind sie zumindest einigen Menschen sogar weit voraus.^^