Die Domestizierung und gezielte Zucht von Haushunden hat ihre Kopfform verschiedentlich verändert. Umbildungen führen bei einigen Rassen zum Beispiel zu verengten Atemwegen. Wie sie sich aber auf das Gehirn auswirken, war bisher nicht systematisch analysierbar.
Veterinärmedizinern der Universität Leipzig ist dies nun zusammen mit einem internationalen Team gelungen. Sie können Gehirnareale in magnetresonanztomographischen Aufnahmen (MRT) automatisch bestimmen – und mit ihrem „digitalen Gehirnatlas“ auch Lage, Form und Größe des Gehirns von Hunderassen vergleichend untersuchen. Ihre Ergebnisse hat die Forschergruppe kürzlich im renommierten Journal „Neuroimage“ publiziert.
Der Atlas ermöglicht es, verschiedene Areale im Gehirn der Hunde zu vermessen. Insgesamt 64 Tiere unterschiedlicher Rassen haben die Forscher analysiert. Die Ergebnisse repräsentieren verschiedene Phänotypen (Erscheinungsbilder) und sind damit geeignet, verschiedene Rassen reproduzierbar zu untersuchen.
„Wir konnten zeigen, dass in einer homogenen Hunderasse der Frontallappen im Gehirn, der sowohl Bewegung, als auch das Sozialverhalten steuert, von allen untersuchten Gehirnarealen am stärksten variiert. Demgegenüber schwankt in einer heterogenen klinischen Hundepopulation die Größe des Balkens (Corpus callosum), der den Informationsaustausch zwischen linker und rechter Gehirnhälfte ermöglicht, am stärksten“, sagt Dr. Björn Nitzsche vom Veterinär-Anatomischen Institut der Universität Leipzig, der das Forschungsprojekt leitet.
Insgesamt sei die Varianz der Größenverhältnisse in einer gemischtrassigen Hundepopulation um mehr als das zehnfache größer als nach einer reinrassigen Züchtung. „Trotz Gemeinsamkeiten bei wichtigen neurofunktionellen und -anatomischen Eigenschaften von Mensch und Hund wissen wir vergleichsweise nur sehr wenig über die Größe, Variabilität und Funktion des Gehirns unserer Hunderassen“, erläutert Prof. Dr. Johannes Seeger, ebenfalls Forscher am Veterinär-Anatomischen Institut. Methoden aus den rechengestützten Neurowissenschaften der Humanmedizin ermöglichten den Wissenschaftlern nun eine objektive und nachvollziehbare Analyse verschiedener Hunde-Hirnareale anhand von MRT-Aufnahmen. Dafür entwickelten sie auch Wege der automatischen Verarbeitung der Bilder.
„Wir möchten mit unseren Forschungen dazu beitragen, die Konsequenzen der Jahrtausende alten selektiven Hundezucht objektiv und reproduzierbar zu untersuchen“, erläutert der Leiter der Neurologie der Kleintierklinik der Universität Leipzig, Dr. Thomas Flegel. Der Gehirnatlas ist daher für alle interessierten Wissenschaftler frei verfügbar. „Unsere Methode hat das Potenzial, wesentliche Fragen über die Einflüsse selektiver Zucht auf das Gehirn verschiedener Rassen nachvollziehbar zu beantworten und liefert darüber hinaus zukünftig auch die Möglichkeit, funktionelle Fragestellungen zum Verhalten reproduzierbar zu gestalten“, prognostiziert Nitzsche.
Er arbeitet in seinem Forschungsprojekt mit Veterinärmedizinern, translationalen und grundlagenorientierten Wissenschaftlern zusammen. Neben veterinärmedizinischen Klinikern und Anatomen der Universitäten Leipzig sind auch Wissenschaftler der Universitäten Gießen, Wien (Österreich) und Bern (Schweiz) beteiligt. Gemeinsam mit Matthew Gounis, Professor der Abteilung für Radiologie und Leiter des New England Center for Stroke Research, Massachusetts Medical School in Worcester Massachusetts (USA) gelang es ihm, die Gehirnmorphologie von reinrassigen Beagles mit denen verschiedener Hunderassen zu vergleichen.
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