Die sächsische SPD-Generalsekretärin und Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe kommentiert die Äußerungen des neuen Ost-Beauftragten der Bundesregierung zu Hartz IV wie folgt: „Ich frage mich, ob der neue Ostbeauftragte seinen Job verstanden hat. Er muss doch eigentlich die Stimme der Ostdeutschen sein. Seine Aussagen lassen mich auch daran denken, dass da manche in einer Blase leben und die Problemlagen vieler Bürger im Osten nicht mehr wahrnehmen. Die Hartz-Gesetze wurden in Ostdeutschland als krasse ‚West-Gesetze‘ empfunden.“
„Im Osten war das Arbeitslosengeld II aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit ein kollektives Schicksal. Es hat ganzen Regionen das Gefühl gegeben, jederzeit abstürzen zu können. Laut Studien droht einem Drittel der ostdeutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 2030 der Sturz unter die Armutsgrenze. Diese Unsicherheit prägt die Ostdeutschen bis heute.
Gerade im Osten verlieren die Sozialsysteme daher auch an Legitimation, wenn man sein Leben lang in die Arbeitslosenversicherung oder die Rentenversicherung eingezahlt hat, dann aber trotzdem schnell ins Arbeitslosengeld II oder die Grundsicherung rutscht. Das führt zu berechtigter Wut. Das alles stellt die Solidarität im Osten noch stärker infrage als in Deutschland insgesamt.
In Ostdeutschland besteht auch noch das besondere Problem, dass mehr als 25 Jahre nach der Deutschen Einheit viele in einem Teufelskreis stecken: Wenn Eltern oder Großeltern in den massiven Umbrüchen der Nachwende aus Unglück, Pech oder der Politik der Treuhand ihren Job und einige auch ihre Lebensenergie verloren haben, dann wird das oft bis heute auf die nächste Generation übertragen. Hier muss auch über die Einführung einer Kindergrundsicherung diskutiert werden.
Die Agenda 2010 stammt aus einer anderen Zeit. Vor 15 Jahren hatten wir in Deutschland fünf Millionen Arbeitslose, europaweit grassierte der Neoliberalismus und der Druck auf die Sozialsysteme war enorm. Heute ist Deutschland der Vollbeschäftigung nahe, nicht nur im Osten droht sogar ein massiver Fachkräftemangel. Wir brauchen jetzt ein neues Nachdenken über die Sozialpolitik und einen teilweisen Bruch mit den Prinzipien von Hartz IV. Statt Entsicherung und dem Prinzip ‚jeder sorgt für sich selbst‘ muss es wieder heißen: gemeinsam für bessere soziale Sicherheit.“
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