Zahlreiche Geflüchtete beherrschen bei ihrer Ankunft in Deutschland die englische Sprache deutlich schlechter als das in ihrer Eigenwahrnehmung der Fall ist. Dennoch ist Englisch für sie anfangs neben der Muttersprache das wichtigste Kommunikationsmittel. Mit Beginn des Deutschunterrichts reduziert sich der Anteil des Englischen und der Muttersprache.
Allerdings vergehen im Durchschnitt knapp sechs Monate zwischen ihrer Ankunft in Deutschland und dem Beginn des Integrationskurses. Mit diesen und anderen Aspekten rund um die Thematik Sprache und Migration haben sich Studierende und Forscher der Universität Leipzig beschäftigt und ihre Studien dazu gerade in dem Sammelband „Flucht, Exil, Migration – sprachliche Herausforderungen“ veröffentlicht. „Sprache dient nicht nur der Verständigung. Sie ist ein Identifikationsmittel, das häufig durch emotionale Bindungen geprägt ist. Menschen, die die gleiche Sprache sprechen, können erfolgreich am kulturellen und gesellschaftlichen Leben eines Landes teilnehmen. Besonders deutlich wird die wichtige Rolle der Sprache beim Thema Migration“, sagt Prof. Dr. Sabine Fiedler vom Institut für Anglistik der Universität Leipzig. Migration, sei sie das Ergebnis einer selbstgewählten Veränderung oder der Flucht, um einer Gefahr für Leib und Leben zu entgehen, sei immer auch mit Sprache verbunden. Heute gehe es meistens darum, sich in eine neue Sprache einzuleben und sein sprachliches Repertoire zu erweitern.
Fokus auf Sprache – Autoren greifen verschiedene Aspekte auf
Alle acht Beiträge des neu erschienenen Bandes fokussieren sich auf Sprache. Dabei werden Bögen unterschiedlicher Art gespannt. Es geht zum Beispiel um die Verbindung von Migration gestern und heute: Historisches Exil und aktuelle Flüchtlingserfahrungen treten mit ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden in einen Dialog. Eine weitere Erkenntnis: Auch eine Plansprache wie das Esperanto scheint in Migrationskontexten eine Rolle zu spielen – als Mittel zur Verständigung oder zur Integration und Identifikation. Der Sprachwissenschaftler Dr. Cyril Brosch stellt Daten aus Interviews mit Esperanto-Sprechern vor, die als Volontäre im Ausland leben, ein Partner in internationalen Paaren sind oder aus ökonomischen Gründen nach Deutschland gekommen sind.
„Esperanto spielte im Privatleben der Befragten nicht nur während der Phase der Eingewöhnung in die neue Umgebung, sondern in den meisten Fällen auch lange danach eine wichtige Rolle. Diese Sprache ist, selbst wenn sie aufgrund der inzwischen erworbenen Kenntnisse der Landessprache eigentlich nicht mehr notwendig wäre, ein wichtiges Identifikationsmittel und dient der Pflege verschiedener Kontakte“, beschreibt er seine Beobachtungen. Die Arbeiten des Bandes verdeutlichen Chancen, aber vor allem Probleme, die unsere vielsprachige Welt hervorbringt. In Migrationskontexten treten sie jedoch in besonderem Maße zu Tage. Englisch kann, wie auch die Studien zeigen, hier eine Mittlerrolle spielen. Es auf hohem Niveau zu sprechen, erfordert jedoch beachtliche Kraftanstrengungen. Die studentischen Arbeiten des neuen Buches sind aus Anlass der starken Zuwanderung nach Deutschland entstanden. Die Autoren untersuchen in ihren wissenschaftlichen Abschlussarbeiten mithilfe quantitativer und qualitativer Methoden, welchen kommunikativen Anforderungen Neuankömmlinge begegnen und wie sie diese bewältigen.
Englisch keine Alternative zum Erlernen der Landessprache
Die Forscher befragten hochqualifizierte Migranten mit guten Englischkenntnissen, die aus unterschiedlichen persönlichen und beruflichen Gründen nach Leipzig gekommen sind. Es zeigt sich, dass ihre Motivation, die Landessprache zu erlernen von einer Reihe von Faktoren beeinflusst wird, wie zum Beispiel der Länge des geplanten Aufenthaltes, dem Wunsch nach einer ihrer Qualifikation entsprechenden Arbeitsstelle und der am Arbeitsort verwendeten Sprache, aber nicht zuletzt auch von der Persönlichkeit des einzelnen Migranten. Zu den Ergebnissen der Untersuchung gehört auch, dass die Verwendung des Englischen als Lingua franca aber keine Alternative zum Erlernen der Landessprache darstellt. Ein Grund dafür sind die sehr unterschiedlich ausgeprägten Sprachkompetenzen in der deutschen Bevölkerung. „Englischkenntnisse können den Deutschspracherwerb fördern. Sie können ihn aber auch dadurch behindern, dass die Phase der Anwendung der Landessprache durch das vorhandene ‚bequemere‘ Verständigungsmittel Englisch später beginnt“, erklärt Fiedler.
Sammelband „Flucht, Exil, Migration – sprachliche Herausforderungen“ (Herausgeber Prof. Dr. Sabine Fiedler und Dr. Cyril Brosch) erschienen im Leipziger Universitätsverlag, ISBN: 978-3-96023-179-0)
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