Jedes Jahr erleiden Kinder zu Silvester und Neujahr schwere Verletzungen, weil sie mit Knallkörpern spielen oder diese unsachgemäß entzünden wollen. Die Folgen können dramatisch sein: ausgedehnte Verletzungen zum Beispiel der Hände, große Schmerzen, lange Krankenhausaufenthalte, viele Operationen. Zum „Tag des brandverletzten Kindes“ am Donnerstag, 7. Dezember, richtete die Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie des UKL einen Aktionstag für Leipziger Schüler aus. Sie durften unter anderem erleben, welche Schäden ein nicht zugelassener und damit illegaler Knallkörper anrichten kann. Eine unüberhörbare Demonstration – mit nachhallendem Effekt bei den jungen Zuschauern, so hoffen es die Organisatoren um Prof. Martin Lacher, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie, und Fachärztin Dr. Steffi Mayer.
Die Aktion stand unter dem Motto „Prävention von Knallkörperverletzungen bei Kindern und Jugendlichen in Leipzig“. Eingeladen worden waren jeweils drei 7. Klassen der Thomasschule und des Evangelischen Schulzentrums aus Leipzig. Die Veranstaltung war Teil des bundesweiten „Tages des brandverletzten Kindes“ von Paulinchen e.V., der Initiative für brandverletzte Kinder. Prof. Lacher, begrüßte die Schüler und ihre Lehrer. Er erhofft sich von dieser Aktion einen langfristigen Lerneffekt: „Wenn wir dadurch auch nur ein verletztes Kind weniger behandeln müssen, hat sich dieser Tag bereits gelohnt.“
Sogar Druckwelle spürbar
“Wenn ich euch sage, haltet jetzt die Ohren zu, dann macht das auch besser.“ Nur Augenblicke nach diesem Ratschlag der professionellen Pyrotechniker Katrin Schwarz und Thomas Fechteler aus Rositz bei Altenburg wissen alle, warum es besser war, ihm auch Folge zu leisten. Ein ohrenbetäubender Knall hallt über den Innenhof auf dem Gelände des UKL, sogar eine leichte Druckwelle ist spürbar. Die Mädchen und Jungen sind erkennbar beeindruckt von der Detonation eines sogenannten „Polen-Böllers“, also eines illegal nach Deutschland eingeführten und hier nicht zugelassenen Knallkörpers. Er zerfetzt fast die an eine Holzlatte befestigte Schweinepfote, ein weiterer Böller schleudert den Schuh, in dem er steckte, viele Meter weit. „Schweinepfoten eignen sich als Demonstrationsobjekt, weil ihre Gewebestruktur der eines menschlichen Unterarms sehr ähnlich ist“, erläutert Katrin Schwarz. Alle Stationen und Einrichtungen des UKL in unmittelbarer Nähe waren vorab natürlich über die Aktion und den entstehenden Lärm informiert worden. Nach der Vorführung haben die ebenfalls anwesenden Feuerwehrleute der Branddirektion Leipzig und ihr Fahrzeug die volle Aufmerksamkeit der Schüler. Auch sie können viel berichten, was sie rund um Silvester erleben.
Gleichaltriger erzählt von seiner schweren Verletzung
Die Vorführung mit Knalleffekt war aber nur eine von drei Stationen. Um den gewünschten Effekt tiefer ins Bewusstsein der Schüler dringen zu lassen, erhielten sie von Mitarbeitern des Arbeiter-Samariter-Bundes eine Einführung in Erste-Hilfe-Maßnahmen, sollte es doch zu einer Verletzung gekommen sein. Station Drei übernahm Organisatorin Dr. Mayer selbst und konfrontierte die Heranwachsenden in Wort und Bild mit den Folgen von Knallkörperverletzungen.
Und dann war da noch Nico. Im gleichen Alter wie die übrigen Schüler, tat er zum Jahreswechsel 2015/16 genau das, was man auf keinen Fall machen sollte: Er versuchte einen „Polen-Böller“ mit dem Fuß auszutreten. Der Böller explodierte in jenem Moment. Nicos Schuh blieb heil, sein Fuß nicht. Es folgten drei Monate Krankenhausaufenthalt, 15 Operationen und noch immer Kontrolluntersuchungen. Bei derart komplexen Verletzungen war eine interdisziplinäre Versorgung verschiedener chirurgischen Abteilungen des UKL nötig. Die operativen Eingriffe zur Wiederherstellung des Fußes wurden daher nicht nur von der Kinderchirurgischen Klinik sondern auch maßgeblich durch Prof. Christoph Josten (Klinik für Unfallchirurgie) sowie Prof. Stefan Langer (Klinik für plastische Chirurgie) durchgeführt. Der Junge war als besonders schwerer Fall so etwas wie der Ehrengast der Veranstaltung. „Nico ist so mutig, uns zu erzählen, was damals passiert ist“, kündigte ihn Dr. Mayer an. Seine Schilderungen waren eindrucksvoll und zeigten große Wirkung bei seinen Zuhörern.
„Gefährdet sind vor allem Jungen“, meint auch Klinikdirektor Lacher, „gerade an Neujahr suchen sie nach Blindgängern und versuchen diese anzuzünden. Das Gefahrenbewusstsein bei Kindern sei im für diese Verletzungen typischen Alter von 10 bis 14 Jahren oft nicht da“, sagt er, im Vordergrund der kindlichen Gedanken stünden natürlich Abenteuer und Spannung. Was sie riskierten, seien offene Verletzungen durch die Druckwelle und schlimme Verbrennungen durch das Schwarzpulver.
Dr. Steffi Mayer redete den sehr aufgeschlossenen und interessierten Schülerinnen und Schülern zum Abschluss noch einmal ins Gewissen: „Ihr habt heute viel gelernt. Achtet darauf, dass euch nichts passiert. Am liebsten ist es uns, wenn wir keinen von euch zum Jahreswechsel wieder sehen müssten.“
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