Es ist gerade einmal 30 Jahre her, dass auch in der DDR die Todesstrafe abgeschafft wurde und damit die fast 450-jährige Geschichte der ununterbrochenen Anwendung der Todesstrafe in Deutschland zu Ende ging. Anlässlich des Europäischen Tages gegen die Todesstrafe und als Abschluss der Ausstellung „Woyzeck – letzte Szene, ein öffentlicher Platz“ auf dem Leipziger Markt besteht die Möglichkeit, die nur ca. 3 km entfernt in der Leipziger Südvorstadt gelegene zentrale Hinrichtungsstätte der DDR am Dienstag, den 10. Oktober 2017, von 15:00 bis 20.00 Uhr im Rahmen von Sonderführungen zu besichtigen. Hier fand 1981die bisher bekannte letzte Hinrichtung unter absoluter Geheimhaltung statt.
Gerade in einer Zeit, in der der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan offen und aggressiv für die Wiedereinführung der Todesstrafe wirbt, sollten wir uns bewusst machen, wie wenig Zeit seit der Abschaffung in Ost-Deutschland erst vergangen ist und wie aktuell diese Fragestellungen sind.
Ab 1960 wurden in einem streng abgetrennten Teil des Leipziger Gefängnisses alle in der DDR ausgesprochenen Todesurteile unter absoluter Geheimhaltung vollstreckt. Heutigen Erkenntnissen zufolge kamen hier 64 Menschen zu Tode. In Leipzig fanden die Hinrichtungen zunächst mittels Guillotine statt. Ab 1968 wurden sie per unerwarteten Nahschuss ins Hinterhaupt vollzogen. Anwesend war jeweils nur ein kleiner Kreis eingeweihter Personen. Die Leichname brachte man zur Einäscherung ins Krematorium auf dem Leipziger Südfriedhof, wo sie anonym als „Anatomieleichen“ verzeichnet und beigesetzt wurden.
Todesurteile konnten in der DDR wegen Mordes, NS-Verbrechen sowie verschiedener Straftaten im Bereich Staatsverbrechen, Wirtschaftsverbrechen oder Wirtschaftsspionage ausgesprochen werden; oft waren die Tatvorwürfe manipuliert. Die Frage nach der Schuld der Hingerichteten relativiert sich angesichts der Tatsache, dass sie Opfer von nicht rechtsstaatlichen Verfahren wurden, in denen das Urteil praktisch von Anfang an feststand. Die SED hatte entscheidenden Einfluss auf den Prozess und das Strafmaß. Selbst die Totenscheine wurden gefälscht und verschleierten die wahre Ursache und den Ort des Ablebens. Abgeschafft wurde die Todesstrafe in der DDR erst 1987.
Ständige Führungen in der ehemaligen Hinrichtungsstätte der DDR von 15:00 bis 20:00 Uhr
Zum letzten Mal in diesem Jahr besteht am Dienstag, den 10. Oktober 2017, die seltene Möglichkeit, die ehemalige zentrale Hinrichtungsstätte der DDR zu besichtigen. Unter dem Titel „Todesstrafe in der DDR – Hinrichtungen in Leipzig“ bietet das Bürgerkomitee Interessierten in der Zeit von 15:00 bis 20:00 Uhr Führungen durch die weitgehend authentisch erhaltenen
Räume an. Die Besucher können sich dabei nicht nur einen Eindruck von der Örtlichkeit verschaffen, sondern sich währenddessen auch über Hintergründe und Opfer informieren. Interessenten kommen zum Eingang in der Arndtstraße 48.
Bürgerkomitee plant justizgeschichtlichen Erinnerungsort mit Dauerausstellung
Die ehemalige zentrale Hinrichtungsstätte der DDR in Leipzig ist nach wie vor sonst nur zur Museumsnacht und zum Tag des offenen Denkmals zu besichtigen. Bis 2022 soll sie zu einem justizgeschichtlichen Erinnerungsort ausgebaut werden. Ziel ist es, neben dem Erhalt der originalen Räumlichkeiten eine entsprechend moderne Ausstellung zum Thema zu erarbeiten und die dafür notwendigen Flächen vorzurichten, so dass der authentische und bundesweit bedeutsame Ort ab dem 35. Jahrestag der Abschaffung der Todesstrafe regelmäßig besucht werden kann.
Keine Kommentare bisher