Um ein neues Stockwerk auf ein Bauwerk aufsetzen zu können oder eine Brücke für mehr Last befahrbar zu machen, müssen unter Umständen die Stützen der Bauwerke verstärkt werden. Wie das mit minimalem Materialeinsatz gelingen kann, hat Dr.-Ing. Stefan Käseberg von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) im Rahmen seiner Promotion untersucht. Seine mit „magna cum laude“ bewertete Dissertation schafft die ingenieurwissenschaftlichen Grundlagen zur nachträglichen Verstärkung von Bauwerken aus Stahlbeton mithilfe von Carbon.
Damit hat er nach Einschätzung seines Doktorvaters Professor Klaus Holschemacher für ein „aktuell bestehendes bautechnisches Problem eine hervorragende Lösung gefunden“. Für seine Doktorarbeit erhielt er bei der Feierlichen Immatrikulation der HTWK Leipzig am 10. Oktober 2017 im Gewandhaus zu Leipzig den Dissertationspreis der Stiftung HTWK.
Ein Großteil aller Bautätigkeiten entfällt auf die Sanierung bestehender Gebäude, Straßen und Brücken. Das liegt nicht nur daran, dass das Material altert – auch die Anforderungen an die Bauwerke verändern sich stetig. Dieser Wandel zielt oft auf Steigerung: Mehr Bevölkerung, mehr Verkehr, schwerere Maschinen und Fahrzeuge. Um bestehende Bauwerke für größere Lasten zu verstärken, kann auf die Stützen eines Gebäudes oder einer Brücke eine zusätzliche Schicht Beton aufgetragen werden. Einer der Nachteile dieses Verfahrens: Die tragenden Elemente des Bauwerks werden dadurch deutlich breiter, nicht immer ist dafür ausreichend Platz. Außerdem bringt das Verfahren eine Menge Staub und Lärm mit sich – gerade in Wohnhäusern ist das ungünstig. In seiner Dissertation beschreibt Stefan Käseberg, wie Betonstützen durch eine dünne Schicht aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) verstärkt werden können. „Die Carbonschicht legt sich dabei wie ein Korsett um die Stütze aus Stahlbeton und erhöht mit minimalem Ressourceneinsatz ihre Tragfähigkeit“, erklärt Käseberg.
Auf Grundlage von über 150 eigens durchgeführten Versuchen entwickelte der Bauingenieur in seiner Dissertation ein Berechnungsmodell, welches den sicheren und effizienten Einsatz des neuartigen Verfahrens ermöglicht. „Bis das Verfahren in Form einer offiziellen Richtlinie die Baupraxis übergeht, wird es wohl noch etwas dauern. Aber schon heute ist die baupraktische Anwendung möglich, da bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde eine Zustimmung im Einzelfall beantragt werden kann“, so der Bauingenieur. In der Fachwelt wird Käsebergs Forschung bereits mit regem Interesse diskutiert. So konnte der Nachwuchswissenschaftler den Dissertationspreis auch nicht persönlich entgegen nehmen, da er zeitgleich in Shanghai seine Forschungsergebnisse auf einer internationalen Konferenz präsentierte.
Stefan Käseberg machte eine Lehre zum Zimmerer, bevor er an der HTWK Leipzig Bauingenieurwesen im Diplom und anschließend im Master studierte. Seit 2008 forscht er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in verschiedenen Forschungsprojekten am Institut für Betonbau (IfB) der HTWK Leipzig. Für sein Promotionsvorhaben in Kooperation mit der Technischen Universität Dresden wurde Käseberg mit einem Stipendium des Freistaats Sachsen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) unterstützt. Professor Klaus Holschemacher (HTWK Leipzig) und Professor Manfred Curbach (TU Dresden) betreuten die Arbeit. Seit seiner Promotion im Sommer 2016 leitet Käseberg die Forschungsgruppe Massivbau am IfB.
Der Dissertationspreis der Stiftung HTWK wird seit 2014 jährlich an eine herausragende Dissertation mit maßgeblicher Entstehung an der HTWK Leipzig verliehen. Die Stiftung HTWK fördert die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig durch die Beschaffung und Weiterleitung von Mitteln zur Unterstützung und den Ausbau von Lehre und Forschung. Der diesjährige Dissertationspreis wurde von der „Neue ZWL Zahnradwerk Leipzig GmbH“ gestiftet.
Die Dissertation „Verstärkung von Stahlbetonstützen mit Kreisquerschnitt durch Umschnürung mit CFK-Werkstoffen“ ist 2016 in der Schriftenreihe des Instituts für Betonbau erschienen und steht darüber hinaus in der sächsischen Open-Access-Datenbank Qucosa frei zur Verfügung.
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