Zur Einbindung internationaler Expertise in Forschung und Lehre sowie zur öffentlichen Vermittlung aktueller theater- und kulturbezogener Fragestellungen wird ab dem Wintersemester 2017/18 die Bertolt-Brecht-Gastprofessur eingerichtet. Sie ist ein Gemeinschaftsprojekt von Universität und Stadt Leipzig und am Centre of Competence for Theatre (CCT) angesiedelt. Die Professur soll den nachhaltigen Theorie-Praxis-Transfer zwischen Wissenschaften und Künsten fördern – sowohl in der Lehre am Institut für Theaterwissenschaft als auch im öffentlichen Diskurs der Stadt Leipzig. Als erster Gastprofessor wurde am 19. Oktober 2017 der Regisseur Peter Konwitschny von der Rektorin der Universität Leipzig, Prof. Dr. Beate Schücking, ernannt.
Peter Konwitschny wurde von einer Findungskommission mit Vertretern aus Stadt und Universität Leipzig einstimmig ausgewählt. „Mit einer so international renommierten und vielfach ausgezeichneten Künstlerpersönlichkeit wie Peter Konwitschny kann die Universität Leipzig die Sichtbarkeit ihres Kompetenzzentrums weiter erhöhen und internationale Expertise in Forschung und Lehre sowie deren öffentliche Vermittlung in Leipzig weiter verankern“, sagt Universitätsrektorin Schücking. Der erste Bertolt-Brecht-Gastprofessor sei „einer der wichtigsten und prominentesten Regisseure des internationalen Musiktheatergeschehens der letzten Jahrzehnte“, erläutert Prof. Dr. Günther Heeg, Direktor des CCT.
„Peter Konwitschny überträgt Brechts theaterrevolutionäre Ideen auf kongeniale Weise in unsere Zeit und ist damit eine hervorragende Wahl für die Erstbesetzung einer nach Brecht benannten Gastprofessur.“ Die jeweils mit 10.000 Euro dotierte Bertolt-Brecht-Gastprofessur wird halbjährlich oder jährlich an herausragende Praxisvertreter der darstellenden Künste vergeben. „Ein Auswahlkriterium ist dabei die nachweisliche Bereicherung des wissenschaftlichen Diskurses durch den Kandidaten oder die Kandidatin sowie die wechselseitige Reflektion von Theorie und Praxis des Theaters in allen seinen Spielformen“, so Dr. Micha Braun, wissenschaftlicher Geschäftsführer des CCT.
Dr. Skadi Jennicke, Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur der Stadt Leipzig, erklärt bezüglich der städtischen Geldgeberschaft: „Der Stadtrat hat mit großer Mehrheit bereits im August beschlossen, die Bertolt-Brecht-Gastprofessur am neugegründeten Centre of Competence for Theatre mit jährlich 20.000 Euro zu unterstützen. Pro Semester soll eine künstlerische Persönlichkeit berufen werden, die den gesellschaftlichen Diskurs in unserer Stadt aus künstlerischer Perspektive bereichert.“ Den Vorschlag des Vorstandes des CCT, Peter Konwitschny für das kommende Wintersemester zu berufen, habe sie als Kulturdezernentin und selbst promovierte Dramaturgin sofort unterstützt. „Konwitschny ist streitbar, gehört aber mit seinen zahlreichen Inszenierungen zu den renommiertesten Musiktheaterregisseuren unserer Zeit. Als Schüler von Ruth Berghaus kommt er aus der Tradition des epischen Theaters und gehört zu den wenigen Zeitgenossen, die das Erbe Brechts künstlerisch weitergetragen und aus dem zuweilen engen ideologischen Korsett der frühen DDR befreit haben“, so Jennicke weiter.
Mit der Finanzierung der Bertolt-Brecht-Gastprofessur wird die besondere Bedeutung des Namensgebers für die Stadt Leipzig in Geschichte und Gegenwart unterstrichen. In Leipzig wurden Brechts „Baal“ (1923) und die Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ (1930) uraufgeführt, die Premiere der letzteren war einer der größten Theaterskandale der Weimarer Republik. Zu DDR-Zeiten haben sich zwei couragierte Leipziger Professoren, der Literaturwissenschaftler Hans Mayer und der Philosoph Ernst Bloch, mit der bahnbrechenden Theaterpraxis von Brecht bekannt gemacht und sie gegen die Doktrin des sozialistischen Realismus verteidigt. In der Gegenwart haben sich bereits seit Jahren das Institut für Theaterwissenschaft und das CCT als Leuchttürme der Brecht-Forschung etabliert. Jüngste Veröffentlichungen des CCT heben vor allem die hohe Aktualität Brechts für die Idee eines transkulturellen Theaters in der Migrationsgesellschaft hervor. 2019 findet am CCT der Weltkongress der International Brecht Society (IBS) „Brecht unter Fremden“ in Kooperation mit dem Schauspiel Leipzig statt.
Vorab-Information: Am Montag, 11. Dezember 2017, findet um 18:00 Uhr im Ratsplenarsaal des Neuen Rathauses ein gemeinsamer Empfang von Universität und Stadt Leipzig statt. Vor dem Empfang sind Medienvertreter ab 17:00 Uhr zu einem öffentlichen Pressegespräch im Ratsplenarsaal herzlich eingeladen.
Zur Person Peter Konwitschny
Der in Leipzig aufgewachsene Peter Konwitschny steht ganz im Horizont der Theaterarbeit von Brecht. Er absolvierte ein Regiestudium an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin und assistierte als Regisseur von 1971 bis 1979 am von Brecht gegründeten Berliner Ensemble unter der Intendanz von Ruth Berghaus. Er inszeniert seit 1980 hauptsächlich Opern, aber auch Dramen und Stücke unter anderem von Bertolt Brecht, Heiner Müller und Gerhart Hauptmann. Seit 1990 ist er in ganz Europa und darüber hinaus ein gefragter und viel diskutierter Regisseur (unter anderem in Graz, Basel, Moskau, Paris, Kopenhagen, Wien, Tokio, Barcelona, Amsterdam, Seoul) Von 2008 bis 2011 war Konwitschny Chefregisseur der Oper Leipzig. Der 72-jährige Peter Konwitschny wurde vom Opernwelt-Magazin mehrfach als „Regisseur des Jahres“, seine Regiearbeiten jeweils als „Inszenierung des Jahres“ ausgezeichnet. Von der Kritik hochgelobt wurden in jüngster Zeit unter anderem seine Inszenierung von Wolfgang Rihms „Die Eroberung von Mexiko“ bei den Salzburger Festspielen 2015 und Jaques Fromental Halévys Oper „La Juive“ (Vlaamse Opera Gent/Nationaltheater Mannheim/Slowakisches Nationaltheater Bratislava 2016/17). Für diese Inszenierung wurde Konwitschny 2016 mit dem deutschen Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichnet. Konwitschny ist Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande, Mitglied unter anderem der Akademie der Künste zu Berlin, der Freien Akademie der Künste zu Leipzig sowie Honorarprofessor an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin.
Hintergrund zum CCT
Das 2016 im Zuge der Neuaufstellung des Instituts für Theaterwissenschaft an der Universität Leipzig gegründete Centre of Competence for Theatre (CCT) ist eine wissenschaftliche Einrichtung an der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften, welche regionale, nationale und internationale Kooperationen der Universität Leipzig auf dem Gebiet des Theaters und der kulturellen Bildung verstärken soll. Es dient als Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft, verbindet Expertenkenntnisse auf allen Gebieten der Theater- und Kunstproduktion und macht diese öffentlich sichtbar.
Das CCT versteht sich als ein Ort der öffentlichen Wissenschaftsvermittlung und transkulturellen Bildung, der in die Gesellschaft hineinwirkt. Es bietet ein Forum für die öffentliche Diskussion theaterästhetischer, theaterpolitischer und kulturpolitischer Fragen, die sich mit den Herausforderungen von Gesellschaften im Wandel befassen. Zudem stellt das Zentrum durch sein weitreichendes, internationales Netzwerk auch eine wichtige Säule zukünftiger Ausbildung und Arbeit dar.
Die neue LZ Nr. 48 ist da: Zwischen Weiterso, Mut zum Wolf und der Frage nach der Zukunft der Demokratie
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