An warmen Tagen und lauen Sommerabenden wird in vielen Familien der Grill angeworfen. Gemeinsam grillen macht Spaß – und kann leider extrem gefährlich sein, besonders für kleine Kinder. Viel zu oft passieren schwere Grillunfälle, an deren Folgen Kinder lange Zeit laborieren. Die Kinderchirurgen am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) möchten in der laufenden Grillsaison auf die Gefahren aufmerksam machen. Gefährdet sind vor allem die Zwei- und Dreijährigen. Sie sollten sich nie in der Nähe heißer Grills aufhalten.
Am UKL befinden sich zwei so genannte Spezialbetten für schwerbrandverletzte Kinder. Es sind die einzigen in Leipzig und neben solchen in Dresden die einzigen im Freistaat Sachsen. Es handelt sich um Spezialbetten mit einer speziellen Hygiene und einer pflegerischen Eins-zu-Eins-Betreuung.
Prof. Martin Lacher, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie und Spezialist für die Behandlung von Verbrennungen, möchte diese Betten am liebsten ungenutzt sehen. Grillunfälle seien eher schwerer als „normale“ Verbrennungsunfälle mit Kindern, sagt Prof. Lacher. Die Folgen: „Oftmals monatelange stationäre Aufenthalte, mehrere Operationen, Verbandswechsel wegen der Schmerzen nur unter Narkose. Hinzu kommen häufig psychologische Folgen“, erläutert er.
Verbrennungen nach Grillunfällen erfordern eine sehr komplexe Behandlung durch ein hochspezialisiertes, interdisziplinäres Team. Kinderchirurgen, Kinderintensivmediziner und Anästhesisten müssen zusammenarbeiten. Behandlungszeiten sind lang, die kleinen Patienten müssen isoliert werden. Zurück bleiben nicht selten sichtbare Narben, Bewegungseinschränkungen und psychologische Folgeschäden.
Direkte Hitzeeinwirkung und brennende Kleidung
Meist seien es Kinder im Kindergartenalter, die bei Grillunfällen verletzt werden. „Stark gefährdet sind Kleinkinder“, weiß Prof. Lacher, „sie unterschätzen die Gefahr und nähern sich dem Grill aus Neugierde.“ Was macht Grillunfälle – im Vergleich zu anderen thermischen Verletzungen wie beispielsweise Verbrühungen – so gefährlich? „Es ist vor allem die hohe Energie glühender Kohlen und die direkte Hitzeeinwirkung durch eine Stichflamme bei einem möglicherwiese unsachgemäßen Einsatz von Brandbeschleunigern“, erläutert der Kinderchirurg. Besonders schlimm wird es, wenn die Kleidung Feuer fängt. Dies erzeugt tiefe Verbrennungen. Bei ganz schweren Verbrennungsunfällen atmet das Kind den Rauch des Brandherdes ein, so dass zu den Brandverletzungen noch eine Rauchgasvergiftung mit Lungenschäden kommen kann. Prof. Lacher: „Diese Kombination ist bei Grillunfällen nicht typisch, wir haben sie jedoch immer im Hinterkopf.“
Keine Brandbeschleuniger verwenden
Der Arzt rät daher dringend, kleine Kinder in der Nähe eines Grills niemals aus den Augen zu verlieren und vor allem auf Brandbeschleuniger wie Spiritus oder Benzin zu verzichten. Ist es zu einem Unfall gekommen, sollten die verbrannten Körperoberflächen Stellen gekühlt werden. „Sind die Verbrennungen großflächig“, so Prof. Lacher, „kann Auskühlung ein Problem werden. Dann sollte das Kind in Decken gehüllt werden“, rät der Experte.
Tragödien innerhalb der Familien
Rund 150 leichte und 40 schwerere Fälle werden pro Jahr stationär am UKL behandelt. Das erfordert einen hohen Personal- und Pflegeaufwand – bis hin zur psychologischen Betreuung für Kinder und Eltern. „Denn oftmals bedeuten verletzte Kinder auch Tragödien und Schuldzuweisungen innerhalb der Familien“, weiß Prof. Lacher zu berichten. „Die beste Therapie ist also, wenn erst gar nichts passiert.“
Die zwei Spezialbetten am UKL müssen immer vorgehalten werden. „Wir wissen, das ist nur sehr schwer kostendeckend. Aber unser Auftrag ist es, eine maximale ärztliche und pflegerische Versorgung anzubieten“, sagt Prof. Lacher. „Und wenn der Fall der Fälle eintritt, müssen Abläufe und Verantwortlichkeiten klar sein, dann benötigt man diese Ressourcen.“ Auch hierfür werde deshalb ab September die Pflege in diesem Bereich noch einmal verstärkt.
Prof. Martin Lacher hat sich als Kinderchirurg auf Verbrennungen und deren schwierige Behandlung spezialisiert. Im Frühjahr 2017 nahm er zusammen mit anderen deutschen Kinderchirurgen an einem ehrenamtlichen Hilfseinsatz in Tansania teil, bei dem vor allem sekundäre Narbenkorrekturen vorgenommen wurden. In jenem Land seien schlimme Verbrennungen bei Kindern noch ein viel größeres Problem, da diese für die Zubereitung von Mahlzeiten an offenen Feuerstellen zuständig seien, berichtet er.
Paulinchen e.V.
Selbsthilfeangebote für Betroffene und Angebote zur Prävention bietet der Verein „Paulinchen – Initiative für brandverletzte Kinder“. Zur Unterstützung ihrer Anliegen veranstaltet der Verein jährlich am 7. Dezember den Tag des brandverletzten Kindes (www.paulinchen.de).
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