Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt, dass sich die Betreuungssituation in Deutschlands Kindertagesstätten zwar in den vergangenen Jahren verbessert hat. Es gibt aber vor allem beim Personalschlüssel noch immer deutliche regionale Unterschiede. Dieser ist jedoch entscheidend für die Qualität der Betreuung und damit für die spätere Entwicklung der Kinder.
Daher fordert Prof. Dr. Susanne Viernickel, Erziehungswissenschaftlerin der Universität Leipzig, in einem von ihr mitinitiierten öffentlichen Aufruf von der Politik gesetzlich festgelegte Qualitätsstandards in der frühen Erziehung, Bildung und Betreuung. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl am 24. September äußert sich die Expertin für frühkindliche Entwicklung zu diesem Thema.
Frau Prof. Viernickel, was kann die Politik konkret tun, um die Betreuungsqualität in den Kitas zu verbessern?
Viernickel: Um allen Kindern unabhängig von Herkunft und Wohnort gleiche Chancen zu ermöglichen, muss jede künftige Bundesregierung sicherstellen, dass auch in finanzschwachen Regionen ein bedarfsgerechter quantitativer und qualitativer Ausbau von Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege ermöglicht wird. Es sollte dabei sichergestellt werden, dass die Mittel auch tatsächlich in der Kindertagesbetreuung und bei den Kindern ankommen. Bund und Länder haben sich in einem gemeinsam gestalteten Prozess bereits auf Eckpunkte für ein Qualitätsentwicklungsgesetz verständigt. Ziel ist es, für alle Kinder in Deutschland vergleichbare Rahmenbedingungen in frühpädagogischen Institutionen zu schaffen und so das Postulat der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse einzulösen. Dieser Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz sollte unmittelbar nach Beginn der nächsten Legislaturperiode des Bundestags in ein Gesetzgebungsverfahren einmünden.
Wie kann das Ihrer Ansicht nach finanziert werden?
Viernickel: Das bisherige Finanzierungsvolumen bzw. der erreichte Stand der Investitionen in Qualität und Qualitätsentwicklung in den Ländern darf unter keinen Umständen zurückgefahren werden. Im Gegenteil: Es werden zusätzliche Mittel für weitere Qualitätsverbesserungen benötigt. Hier ist der Bund gefragt. Die in Aussicht gestellte Mitfinanzierung des Bundes sollte strukturell abgesichert und zügig realisiert werden. Wichtig ist auch, dass dieser Qualitätsentwicklungsprozess in den Kitas regelmäßig untersucht wird. Hier ist eine produktive Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Forschung wichtig, um den Qualitätsprozess kritisch-konstruktiv begleiten zu lassen und dessen Ergebnisse und Effekte empirisch zu analysieren
Warum ist der Betreuungsschlüssel in den Kitas so entscheidend für die frühkindliche Entwicklung?
Viernickel: Nur wenn die pädagogische Qualität stimmt, profitieren Kinder in ihrer sozialen, emotionalen und kognitiven Entwicklung. Je schlechter der Personalschlüssel, desto höher ist das Risiko, dass Zuwendung und Bildungsanregung leiden und dass Kinder eben keine angemessene Förderung erfahren. Besonders verletzlich sind die unter dreijährigen Kinder. Hier sollte eine pädagogische Fachkraft im Kita-Alltag für höchstens vier Kinder zuständig sein, bei älteren Kindern für höchstens neun. Leider ist Sachsen beim Personalschlüssel Schlusslicht unter allen 16 Bundesländern.
Hinweis: Prof. Dr. Susanne Viernickel ist einer von mehr als 150 der Universität Leipzig, auf deren Fachwissen Sie mithilfe unseres Expertendienstes zurückgreifen können.
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