Die Innenminister und -senatoren haben sich bei ihrer dreitägigen Frühjahrskonferenz in Dresden zu aktuellen Fragen der Inneren Sicherheit insbesondere vor der Herausforderung der islamistischen Bedrohung abgestimmt. Sie vereinbarten gemeinsame Standards bei der Terrorbekämpfung, in Asylfragen, beim Umgang mit Reichsbürgern und in der IT- und Cybersicherheit. Dazu gehören etwa eine einheitliche Bewertung von Gefährdersachverhalten und Gefährdern. Bei der geplanten Harmonisierung der Landespolizeigesetze einigten sich die Minister und Senatoren auf einen Musterentwurf für ein einheitliches Polizeigesetz.
„Befugnislücken sind Sicherheitslücken“, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Sachsens Innenminister Markus Ulbig heute in Dresden. „Terror und schwere Straftaten machen vor Staatsgrenzen keinen Halt und schon gar nicht vor Grenzen zwischen Bundesländern. Deshalb war es heute so wichtig, dass wir uns auf die Erarbeitung eines Musterpolizeigesetzes verständigt haben. Wir brauchen einheitliche Sicherheitsstandards in allen Bundesländern“, betonte Ulbig. „Die Ergebnisse sind ein Signal der Kontinuität und Geschlossenheit und unterstreichen, wie wichtig die enge Zusammenarbeit von Bund und Ländern für mehr Sicherheit in Deutschland ist. Innere Sicherheit kann nur als Gemeinschaftsaufgabe gelingen“, so der Vorsitzende der IMK weiter.
Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière sagt: „Eine der größten Herausforderungen vor der wir stehen, ist dabei die Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Hier haben wir in der zu Ende gehenden Legislaturperiode im Bund enorme Fortschritte erzielen können. Gerade der Fall Amri hat aber gezeigt, dass wir im Umgang mit Gefährdern zwischen Bund und Ländern zu einem verbindlicheren Verfahren kommen müssen. Es ist daher ein wichtiger Schritt nach vorn, dass wir uns im Kreis der Innenminister auf ein einheitliches Bewertungsverfahren für die Einschätzung des akuten Risikos von Gefährdern geeinigt haben. Mindestens ebenso wichtig ist es aber, dass wir uns zukünftig auch im Umgang mit den Gefährdern zu einem einheitlicheren und verbindlicheren Vorgehen der zuständigen Länder durch eine länderübergreifende Koordinierung verständigt haben. Es darf zukünftig nicht mehr passieren, dass eine als gefährlich qualifizierte Person im Bundesland A polizeilich völlig anders behandelt wird als in Bundesland B.“
Die Innenminister und -senatoren und Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière vereinbarten u. a.:
Umgang mit Gefährdern
In Deutschland gibt es derzeit über 680 Gefährder. Die Innenminister und -senatoren sind sich einig, Gefährder stärker zu überwachen und dafür auch länderübergreifend und beim Bund Ressourcen umzusteuern. Sie unterstützen den Vorschlag des Bundeskriminalamts, eine methodisch gleiche Bewertung von Gefährdersachverhalten und Gefährdern anzugehen. Die Harmonisierung zielt darauf, dass die betroffenen Personen in den Ländern mit einheitlichem Maßstab als Gefährder eingestuft werden.
Salafismus
In jüngster Zeit sind verstärkte Radikalisierungstendenzen von Frauen und Minderjährigen festzustellen. Einigkeit besteht darin, die zunehmenden salafistischen Bestrebungen gerade dieser Personengruppe stärker zu beobachten. Die Minister und Senatoren streben eine verbesserte Erkenntnislage an, um darauf aufbauend entsprechende Präventionsangebote anzubieten.
Umgang mit Reichsbürgern
Auf der Tagesordnung stand ebenfalls das Thema Reichsbürger. Die Innenminister und -senatoren sind sich einig, dass Reichsbürger keine Waffen haben dürfen. Aktuell gibt es in der Bundesrepublik Deutschland 12.600 Reichsbürger.
Im Bereich Asyl beschlossen die Innenminister und -senatoren und Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière diese Punkte:
Rückführung nach Afghanistan
Die Innenminister und -Senatoren bekräftigten die Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz, Abschiebungen nach Afghanistan vorerst auszusetzen. Zugleich betonten sie, dass Gefährder und Straftäter weiter zurückgeführt werden. Die IMK erwartet von der Bundesregierung noch vor der Sommerpause einen aktualisierten Bericht über die Sicherheitslage in den einzelnen Regionen.
Identitätsprüfung bei Asylnachsuchenden, illegal aufhältigen Ausländern und unbegleiteten minderjährigen Ausländern Zur Überprüfung der Identität und zur Verhinderung von Mehrfachidentitäten beschlossen die Innenminister und -senatoren, die Voraussetzungen zu schaffen, um künftig auch Fingerabdrücke von 6-14-Jährigen zu nehmen. Bisher gab es diese Möglichkeit nur für über 14-Jährige.
In Fragen des polizeilichen Einsatzgeschehens standen diese Themen im Fokus:
GETEX-Übung
In ihren Beratungen sprachen die Minister und Senatoren über die erste gemeinsame Stabsrahmenübung GETEX – Gemeinsame Terrorismus-Abwehr-Exercise – von Polizei und Bundeswehr. Sie vereinbarten eine Auswertung der Übung, um Erkenntnisse für das weitere Vorgehen zu gewinnen. Dazu gehört beispielsweise die Frage, wie die Länder schneller zu verbindlichen Entscheidungen gelangen, wenn mehrere von ihnen betroffen sind. Ein weiterer Aspekt betrifft ein mögliches taktisches Üben in der Praxis.
Katastrophenschutz-Übung vor dem Hintergrund eines Cyberangriffs Die Innenminister haben in Dresden zudem beschlossen, sich mit einer länderübergreifenden Übung vor dem Hintergrund eines Cyberangriffes auf kritische Infrastrukturen zu befassen. Der niedersächsische Minister für Inneres und Sport und Sprecher der SPD-Innenressorts, Boris Pistorius dazu: „Die Auswirkungen können verheerend sein, zum Beispiel wenn unsere Energieversorgung, Krankenhäuser oder andere kritische Infrastrukturen betroffen wären. Im Januar 2016 haben Hacker beispielsweise die Stromversorgung in der Ukraine sabotiert. Hackerangriffe auf lebenswichtige Systeme der Gesellschaft sind also längst Realität. Deshalb müssen wir entsprechende Szenarien in den kommenden Jahren länderübergreifend und gemeinsam mit dem Bund erproben. Da solche Übungen sehr komplex sind, müssen wir das sorgfältig und schrittweise vorbereiten. Wir dürfen nicht warten, bis etwas Schlimmeres passiert, sondern müssen so gut wie möglich darauf vorbereitet sein, überrascht zu werden.“
Der Sprecher der B-Länder, Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier sagt: „Uns allen ist bewusst, dass sich die Sicherheitslage in Deutschland in den vergangenen Jahren erheblich verändert hat: Terror, Cyber-Attacken, extremistisch motivierte Straftaten, Übergriffe von Ausländern und auf Ausländer – aber auch ein neues Niveau von organisiertem Verbrechen oder Wohnungseinbrüchen. Wir haben es bereits geschafft, dass der Wohnungseinbruchdiebstahl als Verbrechen eingestuft und diesbezüglich der Zugriff auf die Verkehrsdaten erweitert wurde. Leider wurde der Weg für die Telekommunikationsüberwachung im Falle des qualifizierten Wohnungseinbruchdiebstahl nicht frei gemacht, um damit die Wohnungseinbruchskriminalität besser bekämpfen zu können.“
Die Herbstsitzung der Innenministerkonferenz findet vom 7. bis 8. Dezember 2017 in Leipzig statt. Weitere Informationen zur IMK 2017 und aktuelle Bilder der „Staffelstabübergabe“ gibt es unter: www.imk.sachsen.de
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