Mit einem öffentlichen Probenauftakt im Theater der Jungen Welt in Leipzig begannen heute die Proben zum Stück „Juller“, das am 8. April im TdJW Premiere haben wird. Das Theater der Jungen Welt und die Kulturstiftung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), sowie die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ bringen das Leben des deutsch-jüdischen Fußball-Nationalspielers Julius Hirsch auf die Bühne. Das Theaterstück „Juller“ basiert auf der Biografie des siebenmaligen deutschen Nationalspielers, der im Holocaust ermordet wurde. Einst wurde Hirsch als Stürmer im DFB-Trikot verehrt, 30 Jahre später von den Nationalsozialisten nach Auschwitz deportiert.

Die Schirmherrschaft hat Claudia Roth, MdB, Vizepräsidentin des deutschen Bundestags übernommen: „Es ist mir eine große Ehre, die Schirmherrschaft für dieses wunderbare und wichtige Theaterstück zu übernehmen. In einer Zeit, in der die Welt aus den Fugen zu geraten scheint, sind es Theaterstücke wie ‚Juller‘ die uns Orientierung und Halt bieten können und uns mahnen für die Zukunft. Ich wünsche dem Stück und den wunderbaren Künstlerinnen und Künstlern viel Erfolg!“

Die Idee zum Theaterstück „Juller“ am TdJW geht direkt auf eine Anregung des Deutschen Fußball-Bundes zurück. Im Auftrag des Theaters hat der renommierte Autor Jörg Menke-Peitzmeyer (unter anderem 2016 ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendtheaterpreis) eine Stückfassung erarbeitet, die für das Eintreten gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung in Sport und Gesellschaft sensibilisiert. Mit dem von der DFB-Kulturstiftung und der „Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ geförderten und vom TdJW produzierten Bühnenstück (Regie: Jürgen Zielinski, Intendant des TdJW) werden diese Werte für ein junges Publikum neu sinnlich erfahrbar.

Olliver Tietz, Geschäftsführer der DFB-Kulturstiftung, freut sich auf die neue Kooperation mit dem TdJW: „Durch den 2005 ins Leben gerufenen Julius Hirsch Preis ist dem DFB die Lebensgeschichte von Julius Hirsch besonders nahe. Sein Name steht stellvertretend für die vielen, vor allem die jüdischen NS-Opfer im Fußball. Er steht aber gleichzeitig auch für die großartige Arbeit von vielen Menschen im Fußball gegen Diskriminierung und für eine vielfältige, offene und demokratische Gesellschaft. Wir sind froh, dass mit dem Theaterstück JULLER nun noch mehr, vor allem junge Menschen die Chance haben, über die Biografie von Julius Hirsch aus der Geschichte zu lernen. Die gemeinsame Gastspielreise mit der DFB-Kulturstiftung bringt das Stück auch über die Region hinaus einem fußballbegeisterten Publikum nahe. Fußball und Theater im Doppelpass.“

Dr. Andreas Eberhardt, Vorstandsvorsitzender der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ betont den Gedanken der Gleichheit der Menschen: „Kicken heißt, fair miteinander umgehen, Mit- und Gegenspieler respektieren, gleiche Regeln für alle, egal, welche Trikotfarbe wir tragen. Kaum etwas verbindet uns mehr als Fußball. Wer weiß schon, dass er in Deutschland jüdische Wurzeln hat? Da freut es mich sehr, dass uns das TdJW Jullers Geschichte näher bringt. Die Stiftung EVZ verbindet die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte mit dem Einsatz für eine gerechte, tolerante und offene Gesellschaft. Das Schicksal von Julius Hirsch zeigt uns, dass wir früh denen, die etwas anderes wollen, die rote Karte zeigen müssen.“

Jürgen Zielinski, Intendant des TdJW, sieht der Regiearbeit mit Spannung entgegen: „Volkssport trifft Volkstheater! Die Mannschaftsaufstellung steht und natürlich sind wir auch nervös, wenn wir ab heute mit den Proben beginnen – mit einem völlig neuen Text! Aber unsere Nervosität ist nicht von der Frage ‚Sieg oder Niederlage‘ geprägt, sondern davon, wie wir uns in die Herzen spielen. Welche Spielweise entwickeln wir, um unser Publikum emotional zu erreichen? Diese Überlegungen sind aber weniger von Taktik, als von Gefühlen und Bildern geprägt, die den Zuschauer berühren und gefangen nehmen sollen. Es geht darum, die unglaublichen Schrecken des Holocaust am Beispiel der Tragödie von Julius Hirsch in Erinnerung zu rufen und eine Brücke ins hier und jetzt zu schlagen. Und wieder stellen sich Theaterfragen wie: Ist Lachen in einem solchen Stück zulässig? Und ich gebe die Antwort vorab: Lachen ist zulässig und zwar ein Lachen, das im Halse stecken bleibt!“

Auch Dr. Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden würdigt in einem Grußwort das gemeinsame Engagement von TdJW und den beiden beteiligten Stiftungen:  „Egal, ob Jung oder Alt: Durch ein Theaterstück und eine spielerische Herangehensweise wie über die Aktions-Sporttasche rücken wir näher an den Menschen Julius Hirsch heran. Wir können uns in seine Lage versetzen. Er bleibt nicht einfach ein Name mit abstrakten Lebensdaten, sondern wir lernen den Menschen kennen mit seinen Stärken und Schwächen. Ein früheres Fußball-Idol, dessen Leben in Auschwitz endete.

Und genau diese Empathie bringt uns dazu, auch heute genau hinzuschauen und Diskriminierung nicht einfach stillschweigend hinzunehmen oder gar mitzumachen, sondern dagegen aufzustehen und sich einzusetzen für jene, die unsere Hilfe brauchen.“

Die Kulturbürgermeisterin der Stadt Leipzig Dr. Skadi Jennicke lobt die Zusammenarbeit von Sport und Kultur: „Fußball ist ein Gesellschaftssport, der quer durch alle Publikumsschichten begeistert. Diesen Sport anhand der Geschichte von Julius Hirsch mit Themen wie Diskriminierung, Antisemitismus und Toleranz zu verknüpfen, ist der Auftakt zu einem großartigen Projekt. Gefördert von der DFB-Kulturstiftung und der Stiftung ‚Erinnerung, Verantwortung und Zukunft‘ zeigt sich auch hier wieder, wie überregional verwurzelt die Arbeit des Theaters der Jungen Welt ist.“

Wichtiger Gesprächspartner im Vorfeld war die Familie von Julius Hirsch in Karlsruhe, die die Produktion mit großer Sympathie begleitet. Andreas Hirsch, Enkel des Fußballers, erklärt dazu: „Der Autor hat mit großem Gespür die Brüche in Jullers Leben herausgearbeitet und schafft es durch die ironische Rückschau der drei Mannschaftskameraden ‚von oben‘, den Fußballsport präsent zu halten. Die raue, freundschaftlich-schnoddrige Sprache stammt aus der sprichwörtlichen Kabine und wird nicht nur die Jugend zuhören lassen. Bei aller Ironie wird nichts beschönigt und die klare Haltung ist stets spürbar, um in der Gegenwart eindeutig Stellung gegen Rassismus zu beziehen.“

Zur Premiere am 8. April wäre Julius Hirsch beinahe auf den Tag genau 125 Jahre alt geworden. Das Theater der Jungen Welt – 1946 kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Herrschaft der Nationalsozialisten eröffnet – feiert in dieser Spielzeit 70-jährigen Geburtstag und ist damit das älteste professionelle Kinder- und Jugendtheater in Deutschland.

Im Herbst wird „Juller“, gefördert von der DFB-Kulturstiftung, auf Gastspieltournee gehen. In 10 Bundesliga-Städten soll das Stück an ungewöhnlichen Spielstätten aufgeführt werden, um ein junges Publikum vor Ort abzuholen und für Demokratie und Toleranz zu sensibilisieren. Der Auftakt ist für den 10. Oktober im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund geplant.

Mit Unterstützung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ und unter fachlicher Einbeziehung der DFB-Kulturstiftung entwickelt die Theaterpädagogin Bettina Frank im Auftrag des TdJW eigens eine „Aktions-Sporttasche“, die ein kreatives Workshop-Angebot für Jugendliche schafft. Mit unterschiedlichsten Requisiten und Handreichungen (z.B. Fußballtrikots oder -schuhe, historische Briefe oder Fotos) bietet die „Aktions-Sporttasche“ eine Sammlung verschiedener Übungen und Aufgaben, die die Thematik versinnlichen und die Themenschwerpunkte aus dem historischen Kontext herausgelöst und mit der heutigen Zeit in Aktion treten.

Begleitend zur Inszenierung „Juller“ arbeitet zudem der Sportjournalist Ullrich Kroemer an einer Publikation, die konkrete Geschichten über Integration und Ausgrenzung in unserer sportbegeisterten Gesellschaft versammelt.

Aufführungstermine von „Juller“ in dieser Spielzeit im TdJW

  1. April, 19:30 Uhr (Premiere) | 9. April, 19:30 Uhr |
  2. Mai, 19:30 Uhr | 23. Mai 11 Uhr | 23. Mai, 19:30 Uhr |
  3. Juni 11 Uhr

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