Ministerpräsident Stanislaw Tillich hat zwölf Bürgerinnen und Bürgern den Verdienstorden des Freistaates Sachsen überreicht. Mit dieser Auszeichnung ehrt der Freistaat Menschen, die sich im politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen, gesellschaftlichen oder ehrenamtlichen Bereich in herausragendem Maße engagiert haben.
Bei der feierlichen Zeremonie in der Schlosskapelle des Dresdner Residenzschlosses sagte Tillich: „Jeder von Ihnen hat sich in außergewöhnlicher Weise engagiert und um Sachsen verdient gemacht. Sie leben Werte wie Zuwendung und Selbstlosigkeit, Respekt und Toleranz. Damit schaffen sie Zusammenhalt. Die Geehrten stehen stellvertretend für Hunderttausende Sachsen, die sich in außerordentlicher Weise einbringen.“
Bei dem Sächsischen Verdienstorden handelt es sich um die höchste staatliche Auszeichnung des Freistaates.
Ausgezeichnet wurden im Einzelnen:
Renate Aris, Chemnitz
Renate Aris (79) war nach der Friedlichen Revolution maßgeblich am Wiederaufbau der Jüdischen Gemeinde Chemnitz beteiligt, die seither vor allem durch die russisch-jüdischen Zuwanderer auf mehr als 600 Mitglieder anwuchs. Seit 20 Jahren organisiert sie auch die „Tage der jüdischen Kultur in Chemnitz“. Über den Freistaat hinaus ist Renate Aris eine sehr gefragte Zeitzeugin für das jüdische Leben in Sachsen in der Zeit vor, während und nach dem Holocaust. Trotz ihres hohen Alters ist sie unermüdlich in der breiten Bildungsarbeit aktiv. Besonders geschätzt wird ihr Engagement, das sie als Verpflichtung für eine friedliche Gesellschaft sieht, vor allem an Schulen und Volkshochschulen. Renate Aris hat gemeinsam mit ihrem Bruder Heinz-Joachim Aris, der Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Sachsen ist, jeder auf seine eigene Weise den Wiederaufbau des jüdischen Lebens in Sachsen nach 1989 geprägt.
Hermann Brede, Bremen
Hermann Brede (93) hat mit der Überlassung einer größeren Anzahl von Medaillen und Münzen wesentlich zur Bereicherung des Fundus an Kunst- und Kulturschätzen der TU Bergakademie Freiberg beigetragen. Diese kulturellen Gaben präsentieren über 400 Jahre sächsische Geschichte und sind ein überaus wertvoller Beleg für die über 300-jährige Geschichte der Bergakademie. Die Brede-Sammlung ergänzt in hervorragender Weise die bereits vorhandenen Sammlungen wie die wertvolle Münz- und Medaillensammlung aus dem Nachlass Abraham Gottlob Werners (1749 – 1817).
Hartmut Bunsen, Leipzig
Hartmut Bunsen (75) engagiert sich seit vielen Jahren mit großem Enthusiasmus und Erfolg für die Interessen des sächsischen Mittelstandes. Er ist der Sprecher der Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände Ostdeutschlands und Berlin und Präsident des Unternehmerverbandes Sachsen e.V. Seit vielen Jahren unterstützt er ehrenamtlich den Sport in Sachsen sowie das soziale Miteinander. So ist er Mitglied der Kulturstiftung Leipzig, unterstützt die Kulturpaten und den Olympiastützpunkt Leipzig e.V., fördert Projekte zur Integration von Behinderten im Arbeitsprozess, zur Eingliederung von älteren Arbeitnehmern, der Verbesserung von Karrierechancen von Frauen und der erfolgreichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Besonders wichtig ist ihm auch die Unterstützung für das Kinderhospiz „Bärenherz“ in Leipzig.
Heinz Eggert, Oybin
Heinz Eggert (70) hat sich vor, während und nach der Friedlichen Revolution für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit stark gemacht. Zu DDR-Zeiten rückte er wegen seines kritischen Verhaltens gegenüber den Machthabern ins Visier der Stasi. In der Wendezeit engagierte er sich dann als Mitglied des Neuen Forums und des Runden Tischs. Bereits nach den ersten freien Wahlen wurde Heinz Eggert zum Landrat in Zittau berufen, später holte ihn Kurt Biedenkopf als Innenminister in die neue Landesregierung. Besonders wichtig war ihm in der Zeit die Verfolgung extremistischer Gewalt und die Bekämpfung der „Neuen Rechten“. Seit dem Ende seiner Amtszeit als Innenminister mischt er sich immer wieder in die politischen Debatten ein. Ein Herzensanliegen ist ihm zudem die Unterstützung der Deutsch-Tschechischen Jugend- und Kulturarbeit. Als Sterbebegleiter im Hospiz Herrenhut bringt er seit 2010 überdies ehrenamtlich seine Fähigkeiten als Theologe ein und steht Sterbenden und deren Angehörigen zur Seite.
Dr. Horst Hennig, Köln
Dr. Horst Hennig (90) war 1950 als Student von einem Sowjet-Militärtribunal in der DDR wegen System-Kritik zu vielen Jahren Arbeitslager verurteilt worden. Nach der Friedlichen Revolution setzte er sich für eine schnelle Rehabilitierung der politischen Gefangenen in der Sowjetunion und der DDR ein. Mit zahlreichen Publikationen und in Vorträgen erinnert er an die Geschehnisse. Zudem unterstützte er die Errichtung der Dokumentationsstelle Dresden der Stiftung Sächsische Gedenkstätten als heute bundesweit bekannte Anlaufstelle für Betroffene, Hinterbliebene, Behörden und für die wissenschaftliche Forschung. 2010 veröffentlichte die Dokumentationsstelle eine Liste von rund 10.000 deutschen Rehabilitierungsfällen als Teil der weltweit einmaligen „Datenbank zu sowjetischen Kriegsgefangenen in deutschem Gewahrsam sowie zu deutschen Gefangenen in der Sowjetunion”. Die Sammlung, über die auch in russischen Medien berichtet wurde, hilft sehr vielen Menschen, die Schicksale ihrer verstorbenen oder vermissten Angehörigen aus den Kriegs- und Nachkriegsjahren aufzuklären. Bis heute zählt sie zu den größten Opferdatenbanken aus der Zeit des Stalinismus. Damit wurde auch ein Meilenstein für Aussöhnung und Verständigung der Völker gelegt.
Frieder Hofmann, Dresden
Frieder Hofmann (65) hat sich bei der Wiedergründung des Stadtfeuerwehrverbandes Dresden im Jahr 1990 und während seiner über 25-jährigen ehrenamtlichen Tätigkeit in diesem Verband herausragende Verdienste für das Allgemeinwohl der Bürgerinnen und Bürger erworben. Bereits im Alter von 18 Jahren trat er in Dresden in die Reihen der Freiwilligen Feuerwehr Dresden-Kaitz ein und engagiert sich seither in verschiedenen ehrenamtlichen Funktionen. Seit 2003 ist er im Ehrenamt Vorsitzender des Stadtfeuerwehrverbandes. Frieder Hofmann, der auch als „das Gesicht der Feuerwehr Dresden“ bekannt ist, setzt sich unter anderem für die Nachwuchsgewinnung ein und leitet gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr 21 Jugendfeuerwehren an. Kinder und Jugendliche lernen von ihm und seinen Kameraden Selbst- und Nachbarschaftshilfe, aber auch Kameradschaft und Achtung von Werten.
Theodor Kießling, Falkenstein
Theodor Kießling (61) ist ein engagierter Unternehmer, der sich um die wirtschaftliche, gesellschaftliche und soziale Stärkung des Vogtlandes verdient gemacht hat. Das zunächst kleinere Familienunternehmen wuchs unter seiner Geschäftsführung zu einem anerkannten Großhandelsunternehmen. Wichtig ist ihm der gesellschaftliche Dialog im Vogtland. So engagiert er sich in seiner Heimat für den Kinder- und Jugendsport und unterstützt persönlich und finanziell die Volks- und Leistungssportvereine der Region. Theodor Kießling hat außerdem mehrere Ausbildungsoffensiven mit gestartet, die dabei helfen sollen, jungen Menschen aus der Region Perspektiven für ein erfolgreiches Berufsleben in Sachsen zu geben.
Marianne und Rolf Rosowski, Hamburg
Marianne (76) und Rolf (79) Rosowski haben sich um die Bewahrung des geistig-kulturellen Erbes der sächsischen Künstlerin Elfriede Lohse-Wächtler verdient gemacht. Lohse-Wächtler (1899–1940) zählt zu den bedeutendsten Künstlerinnen der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Sie wurde während der Nazi-Diktatur in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein ermordet. Das Ehepaar Rosowski gründete 1994 den Förderkreis Elfriede Lohse-Wächtler e. V., organisiert Ausstellungen und gab zahlreiche Publikationen zum Schaffen der Künsterin heraus, um sie als Vertreterin der künstlerischen Moderne stärker ins öffentlichen Bewusstsein zu rücken. Mit ihrem Engagement haben die Rosowskis einer wichtigen sächsischen Künstlerin des 20. Jahrhunderts posthum zu verdienter Wertschätzung verholfen, zugleich tragen sie zur Auseinandersetzung mit einem der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte bei. Das Ehepaar unterstützt ferner Kunsttherapie-Projekte des Sächsischen Krankenhauses Arnsdorf.
Peter Schreier, Dresden
Peter Schreier (80) zählt zu den verdienstvollsten Künstlern Deutschlands und Sachsens. 1959 begann er seine solistische Laufbahn in Dresden. Schon bald war er ein international gefragter Künstler. So war er ein ständiger Gast der Wiener Staatsoper und der Mailänder Scala. Über 25 Jahre hinweg hatte er Auftritte im Rahmen der Salzburger Festspiele und wurde erstmals 1968 an der Metropolitan Oper in New York bejubelt. Peter Schreier schöpfte auch als Liedinterpret aus einem breiten Repertoire. Mit seiner einmaligen Interpretationsfähigkeit zum „leise Singen“ erlangte er Weltruhm. Auch als Dirigent machte er sich einen Namen. Seit 1981 gab er als Honorarprofessor an der Dresdner Musik-Hochschule sein Können an die Studenten der internationalen Meisterklasse für Gesang weiter. Zudem brachte er sich regelmäßig für das Allgemeinwohl ein: Davon zeugen auch Benefizkonzerte unter anderem zugunsten der Rettung der historischen Altstadt von Meißen.
Frieder Stimpel, Schneeberg
Der starke Zustrom an Flüchtlingen stellte und stellt Bund, Länder und Kommunen vor große Herausforderungen. Als in der sächsischen Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz 2013 die Aufnahmekapazität sehr schnell ausgeschöpft war, entstand in dieser Notsituation in Schneeberg in einer früheren Bundeswehrkaserne eine weitere Erstaufnahmeeinrichtung. Der langjährige Schneeberger Bürgermeister Frieder Stimpel (62) trug diese Entscheidung mit und verteidigte sie gegen teils erheblichen Widerstand in der Stadt. Protesten gegen die geplante Unterbringung trat er entschieden entgegen und ließ sich dabei auch von persönlichen Anfeindungen nicht einschüchtern. Seinem Einsatz ist es auch zu verdanken, dass die Initiative „Schneeberg für Menschlichkeit“ ins Leben gerufen wurde. Ziele der Initiative sind die Unterstützung der Asylbewerber im Alltag und die Information und Einbeziehung der Schneeberger. Durch die vielfältigen Aktivitäten gelang es, die Stimmung in der Stadt positiv zu beeinflussen. Das Engagement von Frieder Stimpel fand bundesweit Beachtung und macht anderen Mut, die sich mit ähnlichen Problemen vor Ort konfrontiert sehen.
Dr. Renate Tost, Dresden
Das Erlernen des Schreibens mit der Hand ist eine der wichtigsten Kulturtechniken des Menschen und ohne formale Standardisierung nicht möglich. Dr. Renate Tost (68) hat sich um die Entwicklung und Förderung der Schulausgangsschrift in der Schulpraxis verdient gemacht. Mit der Entwicklung der Schulausgangsschrift hat sie einen großen kulturellen und gesellschaftlichen Beitrag zur Schreiberziehung und Bildung geleistet. Der Einsatz, den sie insbesondere auch ehrenamtlich für den Erhalt der Schulausgangsschrift gezeigt hat, ist außerordentlich verdienstvoll.
Hintergrund: Der Sächsische Verdienstorden wurde 1996 gestiftet und erstmals am 27. Oktober 1997 verliehen. Ihn können in- und ausländische Persönlichkeiten erhalten, die sich um den Freistaat Sachsen und seine Bevölkerung besonders verdient gemacht haben. Außerordentliche Leistungen, insbesondere im politischen, sozialen, kulturellen oder wirtschaftlichen Bereich sowie auf dem Gebiet der Umwelt sind Kriterien für eine Verleihung. Insgesamt darf die Zahl der lebenden Ordensträger 500 nicht überschreiten. Bisher wurde der Sächsische Verdienstorden 276 Mal verliehen.
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