Der Landtag hat in erster Lesung den Entwurf der Linken „Gesetz über die Neuordnung der Flüchtlingsaufnahme“ (Drucksache 6/4865) behandelt. Er soll ein neues Unterbringungs- und Kommunikations-Chaos verhindern. Unter anderem soll die Zuständigkeit für die Flüchtlingsaufnahme vom Innenministerium ins Integrationsministerium wandern. Der Landesebene soll gegenüber den unteren Unterbringungsbehörden eine Informationspflicht zu Zuweisungszahlen auferlegt werden. Gemeinschaftsunterkünfte sollen maximal 60 Plätze umfassen dürfen.
Der derzeit durch das Innenministerium empfohlene Richtwert von 6 qm Wohn- und Schlaffläche soll auf 12 qm angehoben werden. Neu errichtete Einrichtungen sollen anschließend verpflichtend für soziale Zwecke oder den sozialen Wohnungsmarkt nutzbar sein. Die Kostenerstattung an die Kommunen soll per Spitzabrechnung und nicht länger durch eine zu geringe Pauschale erfolgen. Juliane Nagel, Sprecherin für Flüchtlings- und Migrationspolitik, kommentiert:
„Am i an animal?“ („Bin ich ein Tier?“), hat mich ein Geflüchteter in einem Leipziger Erstaufnahmeinterim im letzten Herbst gefragt. In der Halle war er mit fast 2.000 Menschen untergebracht. Nur provisorische Wände ließen an Privatsphäre gar nicht denken. Das Essen bestand aus kargen Miniportionen. Mehrere Dutzend Menschen mussten sich WC und Dusche teilen. Der Tristesse des Gewerbegebietes zu entfliehen, war vielen nicht möglich: Ohne Registrierung kein Bargeld. An vielen Orten kamen eine rassistische Stimmung und Gewalt von außen hinzu. Die Kehrseite sind tausende Menschen, die sich haupt- und vor allem ehrenamtlich engagieren und faktisch die Aufgaben des Staates übernehmen. Sie haben Übermenschliches geleistet, das faktische Staatsversagen kompensiert, humanitäre Krisensituationen abgewendet.
Es braucht mehr als den guten Willen von Zivilgesellschaft, Politik und einzelnen Regierungsmitgliedern. Nötig ist eine zeitgemäße Basis, um die Aufnahme, Unterbringung, Versorgung, Betreuung und Teilhabe Geflüchteter zu organisieren. Die Ruhe trügt, wie ein Blick auf die Außengrenzen Europas und aufs Mittelmeer zeigt. Dort ereignen sich humanitäre Tragödien. Wir sollten uns jetzt vorbereiten, belastbare Strukturen schaffen, Qualitätsstandards festschreiben und eine auskömmliche Finanzierung der humanitären Pflichtaufgaben sicherstellen. Menschen, die zur Flucht gezwungen sind, werden sich Wege über die Grenzzäune suchen.
Das alte Flüchtlingsaufnahmegesetz von 2007 ist heute untauglich. Wir wollen es breiter aufstellen, Zuständigkeiten und Kostenregelungen verändern und vor allem Maßnahmen zur Integration und Teilhabe festschreiben. Wir folgen dem Leitbild von Integration und Teilhabe vom ersten Tag an. Unser Entwurf soll verbindliche Strukturen schaffen, Rechtsansprüche auf integrative Maßnahmen und Teilhabe gewähren und die Kommunen stärken. Die Reform der Flüchtlingsaufnahme ist nur ein erster Schritt. Er ist aber eine wichtige Voraussetzung für Integration.
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