Am 12. März veranstaltet der Initiativkreis: Menschen.Würdig gemeinsam mit dem Kulturbüro Sachsen e.V. das Symposium „Das Wohnen lernen? Zur Unterbringungspraxis von Geflüchteten und Wege zum selbstbestimmten Wohnen“. Die von der Rosa¬Luxemburg¬Stiftung und dem Bildungswerk Weiterdenken e.V. in der Heinrich¬Böll¬Stiftung mitveranstaltet und von ProAsyl, der Amadeu¬Antonio¬Stiftung unterstützte Tagung rückt die gängige Unterbringungspraxis kritisch in den Fokus.

Seit den 1980er Jahren ist die Sammelunterbringung gesetzlich vorgeschrieben und bleibt im politischen wie auch sozialpädagogischen Diskurs – trotz vielfältigen Bemühungen zur dezentralen Unterbringung – als Rahmen bis auf Ausnahmen unangetastet. Dabei bedeutet sie vor allem für die Betroffenen die Einschränkung der Selbstbestimmtheit, sie führt zu Isolation und verhindert Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die aktuelle Robert­Bosch­Studie, die erste umfassende wissenschaftliche Untersuchung zur Aufnahme von Flüchtlingen in Bundesländern und Kommunen belegt zudem, dass Sammelunterkünfte die Akzeptanz von Geflüchteten in der Bevölkerung erschweren.

Diese gegenwärtige Praxis ist sozialpolitisch der Wohnungslosenhilfe entlehnt, nach der eine „Wohnfähigkeit‟ erst ausgebildet werden müsse. Ihr stehen US­amerikanische wie europäische Projekte der Wohnungslosenhilfe gegenüber: Sie operieren bereits erfolgreich nach dem Prinzip „Housing first‟.

Ziel des Symposiums ist dementsprechend neben einer Analyse der Wohn­ und Lebenssituation von Geflüchteten, US­-amerikanische und europäische Projekte der Wohnungslosenhilfe den gegenwärtigen Praxen gegenüber zu stellen und zu diskutieren. So sollen neue Entwicklungen in der Sozialen Arbeit in den Blick genommen und eine Willkommenskultur für Geflüchtete als Bewährungsfeld für die solidarische Stadtentwicklung der Zukunft erörtert werden.

Als Referent*innen konnten die Veranstalter*innen unter anderem Kay Wendel und Napuli Langa aus Berlin und Klaus Maurer aus Wien gewinnen. Ein Höhepunkt ist der Input von Sam Tsemberis, Professor an der Columbia University in New York. Er hat in den neunziger Jahren das Modell „Housing first‟ maßgeblich vorangebracht, das die nordamerikanische Wohnungslosenhilfe revolutioniert hat und heute auch von der EU in zahlreichen Pilotprojekten favorisiert wird. Gegen große Widerstände setzte sich die neue Methode seiner Organisation „Pathways to Housing‟durch und beendete in zahlreichen nordamerikanischen Bundesstaaten das Belohnungssystem der geltenden Sozialpolitik, nach dem Menschen sich das Wohnen in eigenen Wohnungen durch gutes Verhalten in Gemeinschaftsunterkünften erst verdienen mussten.

Kim Schönberg vom Initiativkreis: Menschen.Würdig. erklärt: „Seit mehreren Jahren engagieren wir uns für eine menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten. Dies hat nichts mit karitativem Handeln zu tun, wir betrachten selbstbestimmte Wohnen als Kern einer gleichberechtigten Teilhabe an Gesellschaft. Mit unserem Symposium wollen wir das Paradigma der Entmündigung durch gesetzlich vorgeschriebene Sammelunterbringung und Wohnfähigkeitsprüfungen auf den Prüfstand stellen und nach tragfähigen Alternativen suchen.‟

Die Frage nach Konzepten für eine menschenwürdige Unterbringung beschäftigen derzeit viele Menschen. Dafür sprechen die Anmeldezahlen: schon jetzt haben sich mehr als 100 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet angemeldet.

Das Symposium findet am 12. März 2016, 9:30 bis 19:30 im Geisteswissenschaftlichen Zentrum der Universität Leipzig statt.

Weitere Informationen unter: http://www.menschen­wuerdig.org/symposium/

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