Der Leipziger Abgeordneter Feist (CDU) sieht die berufliche Integration von Flüchtlingen durch das Mindestlohngesetz gefährdet. "Die derzeitige Praxis setzt Anreize, schnell unqualifizierte Jobs anzunehmen, statt auf nachhaltige Qualifikation und Integration zu setzen", warnt der Christdemokrat und Bildungspolitiker.
Die Klagen von Unternehmen, Unternehmerverbänden und Kammern, wonach weit über die Hälfte aller jungen Flüchtlinge, die eine Ausbildung begonnen haben, diese bei einem auf Mindestlohnniveau bezahltem Jobangebot abbrechen, häufen sich. “Das sind keine Einzelfälle, das ist nicht regional begrenzt, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem” so Feist. “Das Mindestlohngesetz lässt unsere Bemühungen, Flüchtlinge durch eine Berufsausbildung zu integrieren, ins Leere laufen. Deswegen gehört es nicht nur auf den Prüfstand, sondern umgehend geändert. Schon bei der Verabschiedung habe ich mit dem Argument gegen das Gesetz gestimmt, dass es Fehlanreize zur Aufnahme einer unqualifizierten Beschäftigung setzt.
Das Gesetz ist nicht bis zu Ende gedacht. Die von mir vorausgesagten Fehlanreize fallen uns nun bei der Integration auf die Füße” sagt Feist voraus. Er fordert daher eine umgehende Gesetzesänderung. “Nur derjenige, der eine erste berufliche Qualifikation vorweisen kann, soll vom Geltungsbereich des Gesetzes erfasst werden. Ich bin nicht per se gegen Mindestlöhne und erst recht nicht gegen faire Löhne. Diese soll jeder, der qualifiziert ist, erhalten – gern auch mehr” stellt der Abgeordnete klar.
Hintergrund: Das Gesetz zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns hat den Deutschen Bundestag im Juli 2014 mit einer Rekordzustimmung passiert. Bei 535 Ja-Stimmen und 61 Enthaltungen stimmten ganze fünf Abgeordnete gegen dieses Gesetz. Einer von ihnen, der Leipziger Bildungspolitiker Thomas Feist (CDU), begründete damals seine Nein-Stimme mit dem Satz “Mindestlohn braucht Mindestqualifikation!” und fürchtete gerade im Bereich der Berufsausbildung starke Fehlanreize durch mit 8,50 €/Stunde vergütete Jobs, für die keinerlei zertifizierte Qualifikationen vorausgesetzt werden.
In der aktuellen Flüchtlingskrise wird die Regelung zum Mindestlohn derzeit unter anderem von den Wirtschaftsweisen hinterfragt.
Es gibt 2 Kommentare
Danke, Sandro, für Ihre Klarstellung, warum so erheblich für den Mindestlohn gekämpft wurde:
>…der Sinn eines Mindestlohnes ist es ja gerade, zu verhindern, dass die Entlohnung jedweder Arbeit ohne Grenzen nach unten gedrückt werden kann.
Die Sache mit der Mindestqualifikation ist ja wunderschön, aber hätte erstmal einen Sinn, wenn die Leute so eine denn auch bekommen könnten. Bei Migranten scheitert sowas aber schon im Vorfeld daran, dass es zu wenig Deutschkurse für sie gibt. In Berlin sind sie jedenfalls immer überlaufen…
Dass unser fabelhaftes MdB Feist rhetorische Purzelbäume schlägt, um seine reaktionären Ansichten scheinbar als durchdacht vorzutragen, ist mir nichts Neues. Es ist schon ziemlich gut, was mal gesagt wurde: “Konservative denken nicht, das sind alles Reflexe.” (soll wohl von Pispers sein)
Lieber Herr Dr. Feist,
wenn ich mir Ihre Beiträge – ob zu diesem oder zu anderen Themen – durchlese, gelange ich immer wieder zu dem Schluss, dass sich unsere faktisch hochkomplexe Welt doch ganz simpel monokausal erklären lässt. Wenn ein Azubi* seine Ausbildung abbricht, so geschieht dies Ihrer und der Meinung der Wirtschaft nach also vornehmlich deswegen, weil der Auszubildende eine “besser” bezahlte ungelernte Tätigkeit auf Mindestlohnniveau findet, wenngleich er doch mit einer abgeschlossenen Ausbildung Aussicht auf eine deutlich höhere Entlohnung hätte. Wäre dem so, so müsste ich diesem Azubi unterstellen, dass er wohl ziemlich einfältig und kurzsichtig sein Leben plant und es insofern wohl auch verdient hat, im Niedriglohnsektor sein Dasein zu fristen. Denn der Mindestlohn ist nichts Anderes: Bei einer Vollzeitbeschäftigung bleibt ein monatliches Netto von ca. 1.065 € (die Armutsgefährdungsschwelle lag nach Angaben von Spiegel Online 2014 übrigens bei 987 € für eine alleinstehende Person). Gern können Sie als Abgeordneter des Bundestages einmal den Selbsttest wagen und sechs Monate lang auf Mindestlohnniveau arbeiten und “leben” (auch den Steuerzahler würde es im Übrigen sicherlich freuen).
Der Abbruch einer Ausbildung (ob von Deutschen oder von Zugewanderten) wird indes vielfältige individuelle Gründe haben, die von fehlender Motivation über eine falsche Berufswahl oder zu geringen Sprachkenntnissen bis hin zu den Bedingungen im Ausbildungsbetrieb gehen können – so etwa, wenn Lehrlinge von den Ausbildungsbetrieben als billige Arbeitskräfte betrachtet und dementsprechend “benutzt” werden.
“Mindestlohn braucht Mindestqualifikation”? Nein, der Sinn eines Mindestlohnes ist es ja gerade, zu verhindern, dass die Entlohnung jedweder Arbeit ohne Grenzen nach unten gedrückt werden kann. Nichtsdestotrotz sehe auch ich eine gewisse Ungerechtigkeit, wenn etwa Tätigkeiten, für die eine Berufsausbildung oder gar ein abgeschlossenes Studium Voraussetzung ist, am Ende auch nur in Höhe des Mindestlohns vergütet werden. Doch statt den Mindestlohn für ungelernte Tätigkeiten auszuhebeln (denn auch die Arbeit als Reinigungskraft oder als Lagerarbeiter ist eine anstrengende körperliche Tätigkeit, die dementsprechend entlohnt werden sollte), sehe ich vielmehr die Notwendigkeit, den Mindestlohn zu einem gestuften Modell weiter zu entwickeln, der Aspekte wie etwa eine abgeschlossene Ausbildung, ein Hochschulabschluss, Berufserfahrungen etc. mit berücksichtigt. Daneben sollten natürlich auch weiterhin tarifliche Vereinbarungen gefördert und gestärkt werden.
Eine letzte Bemerkung zu folgendem Satz: “Ich bin nicht per se gegen Mindestlöhne und erst recht nicht gegen faire Löhne. Diese soll jeder, der qualifiziert ist, erhalten – gern auch mehr.” Wenn Sie als Bildungspolitiker, der sich gleichzeitig für die Belange der Wirtschaft und der Migranten einzusetzen versucht, für gerechte Löhne bei entsprechender Qualifikationen sind, dann würde ich mich durchaus sehr freuen, wenn Sie sich dafür einsetzen würden, dass es sowohl dem Staat als auch privaten Bildungsträgern untersagt wird, massives Lohndumping bei den Lehrenden zu betreiben. Denn es ist gleichermaßen empörend und frustrierend, dass etwa von uns Lehrkräften in den sog. “Integrationskursen” ein Hochschulstudium und Berufserfahrungen gefordert werden, wir aber im Gegenzug i.d.R. keine Festanstellungen bekommen, sondern unfreiwillig als (Schein)Selbstständige arbeiten müssen und dafür auch noch mehr als schlecht entlohnt werden. Und so gibt es auch in diesem Jahr wieder eine Petition, die sie gerne unterstützen und verbreiten können:
https://www.openpetition.de/petition/online/der-deutsche-bundestag-soll-ein-mindesthonorar-fuer-selbststaendige-lehrerinnen-einfuehren
Besten Dank!
*verstanden als generische Form für männliche wie weibliche Auszubildende