Beim Übergang vom gesunden in einen krankhaft veränderten Zustand verflüssigt sich ein Krebsgewebe. Das Deckgewebe - auch Epithel genannt - geht neuesten Forschungsergebnissen zufolge von einer glasartigen in eine flüssige Konsistenz über. "Der Zusammenhalt im Gewebe nimmt ab, Zellen werden weicher und kleben nicht mehr an den anderen Zellen fest", beschreibt Prof. Dr. Josef Alfons Käs, Biophysiker der Universität Leipzig, diesen Prozess.
Er ist Mitorganisator der Tagung “Physics of Cancer” vom 7. bis 9. September an der Universität Leipzig, die sich mit dem Phänomen der physikalischen Onkologie intensiv beschäftigt.
Sie findet zum sechsten Mal in Leipzig statt und gilt mittlerweile als die Weltkonferenz zu den biomechanischen Eigenschaften von Krebszellen. Erwartet werden etwa 150 renommierte Biologen, Physiker und Mediziner aus aller Welt. “Die internationale Nachfrage ist deutlich gestiegen”, sagt Käs. Ein Höhepunkt der Konferenz ist ihm zufolge der Vortrag von Prof. Jeffrey Fredberg von der Harvard Medical School in Boston (USA), der kürzlich im renommierten Fachjournal “Nature Materials” von seinen Forschungen über die Unterschiede im Lungengewebe bei Gesunden und Asthmakranken geschrieben hat. Er fand heraus, dass sich gesunde Lungenzellen wie ein glasartiger Festkörper verhalten, die von Asthmapatienten dagegen langsam flüssig werden.
“Wir vermuten, dass sich bösartiges Epithelgewebe generell so verhält. Diese Erkenntnis könnte bei der Krebsdiagnostik helfen: Wenn man den Verflüssigungsgrad von Zellen erkennt, ist das ein Maß dafür, wie viele metastatische Zellen schon im Körper vorhanden sind”, erklärt Käs. Der Biophysiker und sein Team untersuchen das Verhalten von Tumorzellen, die Krebspatienten entnommen wurden, ebenso wie das gesunde Gewebe in der Umgebung der bösartigen Zellen. “Die Tumore verhalten sich zunächst wie Festkörper. Dann tauchen weiche Zellen auf. Diese bilden Kanäle, durch die sich die verflüssigten metastatischen Zellen an die Tumoroberfläche bewegen. So kommen die Zellen an die Tumoroberfläche, um zu metastieren”, berichtet Käs von seinen neuesten Forschungsergebnissen. Diese Vorgänge seien bei allen soliden Tumoren gleich. Erkenntnisse wie diese können daher die Basis für neue Chemotherapeutika zur Behandlung aller festen Tumore sein.
Zu den Organisatoren der Konferenz, die in der Biocity Leipzig am Deutschen Platz stattfindet, gehören neben Käs auch Prof. Dr. Harald Herrmann vom Deutschen Krebsforschungszentrum, Prof. Dr. Joachim Spatz von der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Franziska Lautenschläger von der Universität Saarbrücken und Dr. Darius Köster vom National Centre for Biological Sciences in Bangalore (Indien).
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