Im April ließ sich Innenminister Markus Ulbig öffentlichkeitswirksam mit einer aus Syrien geflüchteten und in Stollberg (Sachsen) lebenden Familie ablichten. Nun wurde bekannt, dass die Familie abgeschoben werden sollte und dem nur durch einen Zufall entkam.
Dazu erklärt Juliane Nagel, Sprecherin für Flüchtlings- und Migrationspolitik der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag: Die warmen Worte und die hübsch im Hintergrund drapierte Deutschlandfahne haben der sechsköpfigen Familie aus Syrien nichts genutzt. Dafür mussten sie nun die Kälte der deutschen und europäischen Asylpolitik kennen lernen. Das Kalkül des Innenministers, sich und die von ihm vollstreckte Politik von der guten Seite zu zeigen, ging nicht auf. Dass die vorerst misslungene Abschiebung bei Ulbig keine Empathie auslöst, ist bezeichnend. Dabei steht der Fall exemplarisch für eine verfehlte und zutiefst inhumane Asylpolitik.
Da die Familie über Bulgarien nach Deutschland eingereist ist, greift hier die DUBLIN-Verordnung, nach der der EU-Staat für das Asylverfahren zuständig ist, in dem die Betroffenen zuerst ankommen. Ihr eigener Wunsch spielt dabei keinerlei Rolle. Einige europäische Staaten weisen allerdings “systemische” Mängel im Asylsystem auf, was laut EUGH die Rückschiebung nach dem Dublin-Abkommen verbietet. Deutschland führt seit geraumer Zeit keine Rückschiebungen nach Griechenland mehr durch. Per juristischer Intervention werden immer wieder auch Rückschiebungen in andere EU-Staaten wie Italien oder Ungarn verhindert. Auch Bulgarien, wohin die Familie aus Sachsen abgeschoben werden soll, wurde vom UNHCR Mängel im Asylsystem bescheinigt.
Will der Innenminister seine “Vorzeigefamilie” wirklich in ein Land zurückweisen, in dem sie willkürliche Inhaftierungen, Obdachlosigkeit, unzureichende medizinische Versorgung und ein krasser Rassismus erwartet?
Die Linksfraktion erwartet, dass sich der Staatsminister im konkreten Fall für gegen eine Rückschiebung der Familie und grundsätzlich für einen Paradigmenwechsel in der europäischen Asylpolitik stark macht. Dass die Durchsetzung der Dublin-Verordnung an der Realität scheitert, zeigen die nackten Zahlen: 2014 wurden lediglich 13,6 % der Rückschiebungen in andere EU-Staaten vollzogen.
Kirchen engagieren sich bundesweit gegen Dublin-Rückschiebungen, wie auch im Fall der Familie aus Syrien. Die politische Konsequenz muss also sein, die europäische Asylpolitik so zu verändern, dass sich Geflüchteten den Staat, in dem sie ihr Asylverfahren durchführen wollen, selbst aussuchen können. Das Ziel muss es außerdem sein, die Asylsysteme innerhalb der EU auf einem hohen, menschenrechtlichen Standard zu harmonisieren. Dafür sollte sich Markus Ulbig stark machen, anstatt für “Abschiebungs-Pilotprojekte” oder neue EU-Verteilquoten, mit denen das durchschaubare Ziel verfolgt wird, in Deutschland weniger Flüchtlinge aufzunehmen.
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