"Offenbar ist Justizminister Jürgen Martens (FDP) völlig egal, welche Chancen für Gefangene und die Gesellschaft mit dem offenen Vollzug verbunden sind", kritisiert Elke Herrmann, Sprecherin für Strafvollzug der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, angesichts der jüngsten Pressemeldung zur Schließung des offenen Vollzugs in Chemnitz.

“Nur so lässt sich erklären, dass der Staatsminister bei allen Debatten der letzten Monate um den Haftplatzbedarf zur bevorstehenden Schließung des Freigängerhauses in Chemnitz geschwiegen hat. Hält Minister Martens nur einige Plätze im offenen Vollzug nur als Alibi vor?”

“Die Entwicklung in Sachsen ist wirklich ein Armutszeugnis, wenn man die Debatten zum modernen Strafvollzug der letzten Jahre verfolgt hat”, ärgert sich die Abgeordnete. “Mit dem erst in diesem Jahr in Kraft getretenem neuem sächsischem Strafvollzugsgesetz hatte der Minister schon die Chance vertan, sich zum offenen Vollzug zu positionieren. Er erließ eine Regelung, die weit hinter der bundesrechtlichen Regelung zum offenen Strafvollzug, der dort die Regel ist, zurückgeht. Diese Politik scheint sich ja jetzt noch in der Praxis fortzusetzen.””

“Dabei verwirklicht der offene Strafvollzug das Ziel Resozialisierung weitaus besser, als dies dem geschlossenen Vollzug gelingt”, betont Herrmann. ” Gerade im Rahmen der Entlassungsvorbereitung ist er immens wichtig. Umso weniger kann ich das Vorgehen des Ministers verstehen.”
Hintergrund: In Paragraf 15, Absatz 1 Sächsisches Strafvollzugsgesetz werden der geschlossene und der offene Vollzug gleichrangig genannt. Nach Paragraf 10 Strafvollzugsgesetz (Bund), das durch das sächsische Gesetz in diesem Jahr abgelöst wurde, ist der offene Vollzug die Regelvollzugsform.

In Berlin verbüßten im Jahr 2008 30 Prozent der Gefangenen ihre Freiheitsstrafe verbüßenden Gefangenen im offenen Vollzug, in Nordrhein-Westfalen waren es ebenso knapp 30 Prozent. Nach wie vor auf einem sehr niedrigen Niveau liegen die ostdeutschen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, in denen der offene Vollzug – ebenso wie traditionell in Bayern – so gut wie keine Rolle spielt (jeweils ca. 5-7 Prozent der Stichtagsbelegung befindet sich im offenen Vollzug).

Demgegenüber haben Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ein überdurchschnittliches Niveau erreicht (jeweils 18 Prozent) und liegen damit sogar über dem westdeutschen Durchschnitt. (Frieder Dünkel, Vollzugslockerungen und offener Vollzug – die Bedeutung entlassungsvorbereitender Maßnahmen für die Wiedereingliederung von Gefangenen, abgerufen am 16.09.2013 unter

www.rsf.uni-greifswald.de/fileadmin/mediapool/lehrstuehle/duenkel/Duenkel_Lockerungen_FS2009.pdf

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