Zur gestrigen Vernehmung des kommissarischen sächsischen Verfassungsschutz-Präsidenten Gordian Meyer-Plath im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages erklärt Kerstin Köditz, Obfrau der Linksfraktion im Untersuchungsausschuss "Neonazistische Terrornetzwerke", die als Beobachterin die Zeugenvernehmung in Berlin verfolgt hat: Der Lack des ewig strahlenden Sonnyboys platzte bei der Vernehmung Meyer-Plaths deutlich ab.
Dadurch kam eine eher triste Realität an die Oberfläche. Befragt vor allem nach dem V-Mann “Piatto” alias Carsten Sz., gab es im Laufe der Vernehmung immer wieder Ausflüchte wie “Daran kann ich mich nicht mehr erinnern”, “Da war ich nicht dabei” oder “Dafür war ich nicht verantwortlich”.
Wenn die von ihm geschilderten Zustände bei den Landesämtern für Verfassungsschutz nicht unüblich sein sollten, unterstreichen sie den Reformbedarf. Der wegen rassistischen Mordversuchs verurteilte Carsten Sz. erhielt im Laufe seiner Spitzeltätigkeit zwischen 1994 und 2000 über 50.000 DM an Honorar und zusätzlich Sachleistungen. Seine V-Mann-Führer wie Meyer-Plath standen ihm während seines Freigangs aus dem Gefängnis sogar als Fahrdienst – auch bis nach Sachsen – zur Verfügung, damit die Zeit intensiv genutzt werden konnte. Bereitwillig räumte Meyer-Plath ein, dass er sich mit dem führenden Neonazi und Gewalttäter geduzt habe. Meyer-Plath konnte den Verdacht nicht ausräumen, dass Carsten Sz. während der Zeit der Betreuung durch ihn versucht habe, Waffen für das flüchtige NSU-Trio zu beschaffen.
Täglich erreichen uns unzählige Meldungen aus Leipzig, Sachsen und darüber hinaus, die nicht immer gleich oder nie Eingang in den redaktionellen Alltag finden. Dennoch sind es oft genug Hinweise, welche wir den Lesern der “Leipziger Internet Zeitung” in Form eines “Informationsmelders” nicht vorenthalten möchten …
Mir stellte sich während der Vernehmung mehrfach die Frage, wer denn nun Führer und wer Geführter gewesen ist. So bemühte sich der brandenburgische Geheimdienst intensiv um eine vorzeitige Haftentlassung seines V-Mannes. Dass diese nicht bereits nach Verbüßung der Hälfte der Haftzeit erfolgte, lag ausschließlich an der Befürchtung, ihn dadurch in der Szene in den Verdacht der Spitzeltätigkeit zu bringen. Auch für eine Aufhebung der Postkontrolle bei ihm wurde gesorgt. Nicht ausgeräumt ist weiterhin der Verdacht, dass er im Gefängnis seine Zeitung “United Skins” produzieren konnte.
Für Erstaunen und teilweise blankes Entsetzen im Ausschuss sorgten Meyer-Plaths Aussagen, er habe sich keine moralischen Fragen in Bezug auf den V-Mann Carsten Sz. gestellt. Er sei in solche “strategischen Entscheidungen” nicht eingebunden gewesen, habe sie auch nicht hinterfragt und nur “die Früchte geerntet”. Für moralische Fragen habe ihm die Erfahrung gefehlt. Solche Äußerungen erinnern mich fatal an Prozesse, in denen sich die Beschuldigten auf einen “Befehlsnotstand” beriefen. Nach der gestrigen Zeugenbefragung drängt sich mir die Schlussfolgerung auf, dass kein Amt einen Chef wie Meyer-Plath verdient hat, der sich eher als Fahrdienstleiter für Neonazis anstatt als ihr Kontrolleur versteht. Der Umstand, dass er keine Bilderbuchkarriere, sondern scheinbar eher eine Parteibuchkarriere hinter sich hat, ist sekundär.
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