In der heutigen öffentlichen Anhörung des Sozialausschusses zum Antrag der Grünen-Fraktion "Budget für Arbeit - das Persönliche Budget für Menschen mit Behinderung zur beruflichen Teilhabe einführen" bestätigten die Sachverständigen, dass nur eine verschwindend geringe Zahl der Beschäftigten in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung in eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt wechselt.
“Hier muss mehr Bewegung reinkommen. Dass jährlich weniger als ein Prozent der Werkstattbeschäftigten den Übergang in den ersten Arbeitsmarkt schafft, ist unbefriedigend”, erklärt Elke Herrmann, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
“Rheinland-Pfalz hat mit der Einführung des sogenannten Budget für Arbeit gezeigt, dass es anders gehen kann. Sachsen sollte sich daran ein Beispiel nehmen. Erst die für die kommende Legislatur angekündigten Änderungen auf bundesrechtlicher Ebene abzuwarten, ist der falsche Weg”, so Herrmann.
“Das Budget für Arbeit ist ein Instrument, das Menschen mit Behinderung den Übergang von der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtern soll. Dabei ist das Budget für Arbeit nicht nur ein Mittel, das die Teilhabe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglicht, sondern steht generell für einen Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik”, betont die Sozialpolitikerin.
Anstatt aus Mitteln der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII die Beschäftigung in Werkstätten zu finanzieren, nutzen die Träger der Sozialhilfe den Eingliederungstitel, um damit Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt zu fördern. Behinderte Menschen erhalten kein Werkstattentgelt mehr, sondern werden tariflich entlohnt. Sie sind, außer in der Arbeitslosenversicherung, sozial versichert und haben wie alle anderen auch einen Arbeitnehmerstatus.
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“Das Budget für Arbeit hat damit das Potential, endlich den Automatismus aus Förderschule, Berufsbildungsbereich und Werkstatt für behinderte Menschen aufzulösen. Die Staatsregierung muss dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen”, fordert Herrmann.
Hintergrund: Der grüne Antrag “Budget für Arbeit – das Persönliche Budget für Menschen mit Behinderung zur beruflichen Teilhabe einführen” (Drs. 5/8839): http://www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Antraege/5_Drs_8839_1_1_4_.pdf
In Sachsen gibt es insgesamt 60 anerkannte Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM). Dort sind zur Zeit 16.430 Menschen beschäftigt. Die Zahl der Werkstattbeschäftigten stieg von 2000 bis 2011 um 5.000 Beschäftigte.
Die Beschäftigtenzahl in den Werkstätten entspricht zu 75 Prozent der Zahl der nicht besetzten Pflichtarbeitsplätze (Differenzbetrag zwischen den tatsächlich besetzten Pflichtarbeitsplätzen und den Soll- Pflichtarbeitsplätzen, für die die Arbeitgeber wegen Nichtbeschäftigung von Menschen mit Behinderung eine Ausgleichsabgabe zahlen, siehe § Sozialgesetzbuch Neun [SGB IX]). In Sachsen sind 10.400 Pflichtarbeitsplätze nicht mit Menschen mit Behinderung besetzt.
Die Beschäftigten in den Werkstätten arbeiten mindestens 35 und höchsten 40 Stunden in der Woche. In Sachsen betrug dies im Jahr 2010 im Durchschnitt rund 120 Euro und war im bundesdeutschen Vergleich am niedrigsten. Das durchschnittliche Entgelt lag in der Bundesrepublik bei knapp 180 Euro.
Quelle: Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitstudie zum Projekt “Entwicklung und Erprobung alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten für Besucher von Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)”
Gegenstand der Anhörung war außerdem der Antrag der CDU/FDP Fraktionen “Übergang von Menschen mit Behinderung aus den Werkstätten in den ersten Arbeitsmarkt erleichtern” (Drs. 5/8818).
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