Wenn der Tabellenelfte auswärts beim Tabellenvierten antritt, ist die Favoritenrolle für gewöhnlich eindeutig. Dass diese Regel allerdings in Derbys keine Gültigkeit besitzt, belegte am Sonntag das Kräftemessen zwischen dem SC Magdeburg und dem SC DHfK Leipzig. Die Handballer aus der Heldenstadt entschieden nämlich nach dem 33:29-Sieg im Hinspiel auch das zweite Ostderby der Saison 2020/21 für sich.
Nach einer furiosen ersten Hälfte führten die DHfK-Männer in der Magdeburger GETEC-Arena zur Pause bereits mit 14:18. In der zweiten Halbzeit wurde es dann einmal mehr ein echter Krimi – und am Ende durften die Sachsen einen hart erkämpften 33:34-Auswärtssieg bejubeln!
Die Leipziger zeigten von der ersten Sekunde an, dass mit ihnen heute zu rechnen ist. Lukas Binder brachte die Grün-Weißen mit 0:1 in Führung. In der 10. Minute erhöhte Maciej Gebala nach einem schönen Pass von Luca Witzke auf 4:6. Es war bereits der dritte Treffer des Kreisläufers in der Anfangsphase dieses Derbys. Lukas Binder setzte sogar noch einen drauf und brachte den SC DHfK mit seinem dritten und vierten Tor zum 5:7 bzw. 5:8 mit drei Treffern in Front.
Dann leistete sich Binder aber seinen ersten Fehlwurf und verpasste die große Chance zum 6:10. Prompt war der SCM zur Stelle und machte mit drei Toren binnen 70 Sekunden den schönen Vorsprung der Gäste zunichte. Ein 10:10 leuchtete nun auf der Anzeigetafel. Leipzigs Trainer André Haber reagierte und brachte Kristian Saeveras anstelle von Joel Birlehm in den Leipziger Kasten.
Tatsächlich machte sich der Wechsel bezahlt. Der norwegische Nationaltorhüter vereitelte einige Chancen der Magdeburger und das Tempospiel des SC DHfK kam wieder ins Rollen. Binder stellte mit einem Doppelschlag auf 11:14. Zudem saßen weiterhin die Anspiele an den Kreis. Und auch Gregor Remke, der schon im Hinspiel eine super Leistung gezeigt hatte, sorgte immer wieder für Gefahr aus dem Rückraum. 90 Sekunden vor der Pause nahm Trainer André Haber seine erste Auszeit, ballte dabei die Faust und gab seiner Mannschaft die Marschroute für die letzten Angriffe im ersten Durchgang vor. Nationalspieler Philipp Weber traf schließlich zum 14:18-Halbzeitstand.
Nach dem Seitenwechsel ging es dann allerdings ganz schnell. Marko Mamic leistete sich zwei Fehler, die Magdeburger verwerteten direkt ihre ersten drei Angriffe und stellten nach nur 120 Sekunden den Anschlusstreffer her. Sofort musste André Haber eingreifen und nur zwei Minuten nach Wiederanpfiff das nächste Time-out nehmen. Die Ansprache half seiner Mannschaft merklich, die Ruhe wiederzufinden und an die guten Spielzüge der ersten Halbzeit anzuknüpfen. Die Offensive um Spielgestalter Luca Witzke fand nun wieder kontinuierlich gute Lösungen.
Dennoch hatten die Leipziger zwei große Probleme. Zum einen mussten die Sachsen in dieser Spielphase sehr oft in Unterzahl agieren. Und das zweite Problem hieß Michael Damgaard. Der Däne, der in der Vergangenheit schon so viele Ostderbys entschieden hatte, spielte plötzlich wie von einem anderen Stern. Allein in den ersten zehn Minuten der zweiten Halbzeit netzte er fünfmal ein. Nahezu jeder Magdeburger Abschluss lief jetzt über den Olympiasieger, den Leipzig einfach nicht stoppen konnte. So kamen in den folgenden Spielminuten drei weitere Tore dazu. Binnen 16 Minuten hatte der Rückraumspieler nun acht Tore erzielt und den SCM beinahe im Alleingang im Spiel gehalten.
Dennoch lag der SC DHfK zehn Minuten vor dem Ende immer noch mit zwei Toren in Führung (28:30), denn die Grün-Weißen präsentierten sich im Kollektiv ähnlich treffsicher. Maciej Gabala hatte beispielsweise mit sechs Toren aus sechs Versuchen eine makellose Bilanz vorzuweisen. Luca Witzke (6/7), Patrick Wiesmach (5/7) und Gregor Remke (4/4) waren ebenfalls unglaublich effektiv und der beste Leipziger Torschütze des Tages Lukas Binder brachte es gar auf neun Derby-Tore.
Doch ausgerechnet Binder war es, der es verpasste, mit einer völlig freien Kontermöglichkeit den Deckel auf dieses Spiel zu machen. So kamen die Gastgeber, die in diesem Spiel erst ein einziges Mal geführt hatten (beim 3:2), anderthalb Minuten vor dem Ende doch noch zum 33:33-Ausgleichstor. Jetzt war es wieder ein Hitchcock-Thriller mit völlig offenem Ausgang. Mit purer Willenskraft tankte sich Luca Witzke nach der letzten Haber-Auszeit durch und knallte den Ball unter Bedrängnis zur 33:34-Führung in den Winkel.
Magdeburg hatte noch knapp eine Minute auf der Uhr, um eine Punkteteilung zu erzwingen, doch diesmal bot die Leipziger Deckung Michael Damgaard & Co keine Lücken. Schließlich wurden die DHfK-Männer von der Sirene erlöst und durften sich – wie schon in ihrer ersten Bundesligaspielzeit 2015/16 – über zwei Derbysiege in einer Saison freuen.
André Haber (Trainer SC DHfK Leipzig): „Wir sind sehr stolz über den heutigen Sieg. Ich glaube, wir haben über das gesamte Spiel sehr gut angegriffen und hatten einen guten Plan in unserer Deckung. Dass man heute 33 Gegentore bekommt, lag dann wiederum an einem beeindruckenden Micha Damgaard, der in der zweiten Halbzeit einfach alles getroffen hat. Ich bin sehr stolz darauf, in welcher Art und Weise wir das heutige Derby angegangen sind. Wir haben sehr lange geführt, das schafft man in Magdeburg nicht ohne eine starke Leistung. In der Schlussphase konnten wir beim Stand von 33:33 in der letzten Minute das entscheidende Tor erzielen und den letzten Ball der Magdeburger erfolgreich verteidigen. Das war heute, wie im Hinspiel auch, eine Partie, die 20.000 Zuschauer verdient gehabt hätte.“
Bennet Wiegert (Trainer SC Magdeburg): „Der Leipziger Sieg geht vollkommen in Ordnung. Sie waren heute über die 60 Minuten die bessere Mannschaft. Wir haben uns zu Beginn ein wenig verunsichern lassen und hatten große Probleme im Rückzugsverhalten, die dazu führten, dass wir 4-Mal einen Konter durch Lukas Binder kassiert haben. So gehen wir mit einem 4-Tore-Rückstand in die Pause und dann wird es halt schwer zu gewinnen. Unsere Torhüter haben uns schon oft gerettet, mit ein bisschen mehr Glück hätten es heute vielleicht ein paar mehr Paraden sein können, um die nötige Sicherheit in unserer Verteidigung zu bekommen. Die Unsicherheit, die sich schon in den letzten Spielen abzeichnete, gilt es in den kommenden Spielen schnellstmöglich abzustellen.“
SC Magdeburg gegen SC DHfK Leipzig 33:34 (14:18)
Torschützen SC DHfK: Binder 9, Gebala 6, Witzke 6, Wiesmach 5, Remke 4, Weber 3, Milosevic 1
Torschützen SC Magdeburg: Damgaard 9, Magnusson 9, Mertens 4, Musa 3, Gullerud 3, Hornke 2, O’Sullivan 2, Pettersson 1
Zeitstrafen: Magdeburg 2 Min, Leipzig 10 Min
Siebenmeter: Magdeburg 4/4, Leipzig 0/0
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