Die Handballer des SC DHfK Leipzig waren mit Wut im Bauch zum Auswärtsspiel nach Kassel gefahren. Schließlich hatten die Leipziger in der vergangenen Woche eine ganz schmerzliche Pleite in letzter Sekunde im Ostderby gegen Magdeburg hinnehmen müssen. Obendrein hatten sie auch noch eine Rechnung mit Melsungen offen, denn die MT-Handballer hatten den SC DHfK vor fünf Wochen aus dem Pokal geworfen.
Nachdem Leipzig im Pokal zunächst die HSG Nordhorn eliminiert hatte und später in der Liga überraschend gegen Nordhorn verloren hatten, wollten die Leipziger nun ihrerseits den Spieß umdrehen und sich in der Liga für das Pokalaus rächen. Und die Revanche glückte tatsächlich. Leipzig gewann das Auswärtsspiel mit 31:34 und holte damit zum ersten Mal überhaupt in einem Ligaspiel einen Sieg in Kassel.
Die Gastgeber waren allerdings erwartungsgemäß ein richtig harter Brocken. Sie hatten in den letzten Wochen ihre Heimspiele gegen die Spitzenteams Magdeburg, Hannover und Rhein-Neckar Löwen gewonnen und gingen auch gegen Leipzig als klarer Favorit ins Spiel. So begann das Spiel mit einem Fehlwurf von Lucas Krzikalla und dem Führungstor der Gastgeber.
Im nächsten Angriff bekam der SC DHfK einen Siebenmeter zugesprochen, doch auch hier scheiterte Lucas Krzikalla zunächst an Torhüter Nebojsa Simic. Allerdings schnappte sich Krzikalla den Abpraller und netzte im dritten Versuch zum 1:1- Ausgleich. Es sollte der Anfang sein für ein Wahnsinnsspiel des 25-Jährgen, der am Ende des Abends mit neun Treffern bester Torschütze der Partie wurde.
Aber auch die anderen Leipziger erwischten einen richtig guten Tag. Abwehrchef Bastian Roscheck brachte den SC DHfK nach zehn Minuten zum ersten Mal in Führung (3:4). Auch, als er wenig später eine Zeitstrafe absitzen musste, ließen sich die DHfK-Männer nicht aus der Ruhe bringen und blieben durch das 7:8 von Lukas Binder weiter vorn. Jedoch blieben anschließend auch die Hausherren in eigener Unterzahl standhaft und glichen das Spiel wieder aus.
Nach 20 Spielminuten leuchtete auf der Anzeigetafel in der ausverkauften Rothenbach-Halle das Zwischenergebnis von 10:10. Es dauerte bis zur 26. Minuten, bis sich erstmals überhaut eine Mannschaft mit zwei Treffern absetzen konnte. Maximilian Janke und Lukas Binder mit seinem bereits vierten Treffer hatten den SC DHfK mit 12:14 in Führung geworfen. Wenige Sekunden vor dem Pausenpfiff durfte sich dann auch noch Viggo Kristjánsson in die Torschützenliste eintragen – und so ging es mit einem überraschenden 14:17 für die Gäste aus Leipzig in die Halbzeit, auch dank einer guten Leistung von Torhüter Jens Vortmann, der diesmal den Vorzug vor Joel Birlehm erhalten hatte.
Kaum war die Partie wieder angepfiffen, war Vortmann wieder zur Stelle und sicherte seiner Mannschaft mit seiner siebten Parade einen weiteren Ballgewinn. Außerdem holte Kreisläufer Alen Milosevic, der nach der Pause für Maciej Gebala ins Spiel gekommen war, erst einen Siebenmeter raus (den Lucas Krzikalla sicher verwandelte), und erzielte dann selbst sein erstes Tor. Lukas Binder netzte schließlich zum 18:22 und brachte des SC DHfK dadurch erstmals mit vier Treffern in Führung. Die 30 mitgereisten Fans aus Leipzig durften so langsam anfangen, von einem Auswärtssieg zu träumen.
Es folgte ein hartes Wortgefecht zwischen den ehemaligen Mannschaftskollegen Philipp Müller und Julius Kühn, wofür beide Spieler eine Zweiminutenstrafe absitzen mussten. DHfK-Coach André Haber reagierte mit einem 6. Feldspieler und die Leipziger Tormaschine kam auch in dieser Situation nicht ins Stocken. Zwar blieb die MT Melsungen in Schlagdistanz (24:26, 25:27, 26:28), aber in den entscheidenden Momenten hatte Leipzig entweder im Angriff die passende Lösung parat, oder Torhüter Jens Vortmann war zur Stelle.
Ein Doppelschlag zum 26:31 durch Philipp Weber und den isländischen Nationalspieler Viggo Kristjánsson, der ebenfalls ein sehr starkes Spiel zeigte, brachte fünf Minuten vor dem Ende die Vorentscheidung. Zwar drückte die MT Melsungen nochmal aufs Tempo, aber Leipzig spielte die Begegnung clever runter und nutzte die offensive Deckung der Gastgeber, um das Torkonto weiter nach oben zu schrauben.
Mit überragenden 34 Auswärtstoren sicherten sich die Handballer des SC DHfK schließlich einen 31:34-Sieg in Kassel. „Heute hat eine DHfK-Mannschft gespielt, wie wir sie uns alle wünschen“, lobte Geschäftsführer Karsten Günther die Mannschaftsleistung auf der abschließenden Pressekonferenz. Auf den Tag genau 30 Jahre nach dem Fall der Mauer konnten sich die Handballer aus Leipzig mit strahlenden Gesichtern auf die Rückreise vom Westen in den Osten machen.
Trainer Heiko Grimm (MT Melsungen): „Wir sind sehr enttäuscht über diese Niederlage. Wir haben es über 60 Minuten nicht geschafft, eine Abwehr zu stellen und waren in der Deckung wahninnig passiv. Auch unsere Torhüter hatten heute nicht viele Gelegenheiten sich auszuzeichnen. Wir müssen uns jetzt schnell wieder die Basics erarbeiten. Wir haben 31 Tore geworfen, was eigentlich für einen Heimsieg reichen sollte. Deshalb wird unser Hauptaugenmerk in der kommenden Trainingswoche auf der Defensive liegen.“
Trainer André Haber (SC DHfK Leipzig): „Für uns ist das ein Sieg für die Seele, weil wir am letzten Sonntag mit einer Derbyniederlage in letzter Sekunde etwas erlebt haben, was maximal tragisch war. Meine Mannschaft hatte noch etwas Wut im Bauch und das hat man bei den Jungs heute gespürt. Ich bin stolz über den Glauben, den meine Mannschaft heute über 60 Minuten gezeigt hat, hier in Melsungen etwas holen zu können. Dadurch sind wir mit einer Führung in die Halbzeit gegangen und haben auch in der zweiten Halbzeit kontinuierlich gescort. Wir sind überglücklich und freuen uns riesig. Das war heute ein Spiel, an das wir uns sicherlich auch in einem Jahr noch gern erinnern werden, weil es einfach etwas Besonderes ist.“
MT Melsungen gegen SC DHfK Leipzig 31:34 (14:17)
Melsungen: Sjöstrand; Simic; Maric (3); Kühn (5); Lemke (2); Reichmann (2); Ignatow; Kunkel (2); Mikkelsen; Danner (1); Schneider; Allendorf (5/5); Sidorowicz (1); Häfner (7); Salger; Pavlovic (3)
Leipzig: Vortmann; Birlehm; Semper; Wiesmach; Krzikalla (9/4); Binder (6); Janke (3); Müller; Roscheck (1); Weber (5); Mamic (2); Remke; Gebala (1); Milosevic (2); Kristjansson (5); Santos
Siebenmeter: Melsungen 5/5, Leipzig 4/5
Strafminuten: Melsungen 4 Min, Leipzig 6 Min
Zuschauer: 4300 (ausverkauft)
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