Die Anhänger des SC DHfK Leipzig hatten nach den Siegen gegen die Füchse Berlin, GWD Minden und TVB Stuttgart von einem weiteren Auswärtssieg inklusive 8:0 Punkten zu träumen begonnen. Die Sachsen gingen als klarer Favorit in das aktuelle Bundesligaspiel in Friesenheim. „Wir schätzen die Leipziger – auch auf Grund der Zugänge – als einen sehr starken Gegner ein, der sicherlich eine super Saison absolvieren wird. Die Videositzungen vor dem Spiel waren regelrechte Lehrstunden für uns“, gab Benjamin Matschke, der Trainer der Eulen aus Ludwigshafen, respektvoll zu.
Allein die Tatsache, dass die körperkulturellen Handballer in den ersten Saisonspielen auch größere Rückstände kompensieren konnten, hatte die Konkurrenten aufhorchen lassen. Das passierte auch dieses Mal wieder. Denn die Gastgeber aus dem Stadtteil Friesenheim besaßen mit 4:1 Toren den besseren Start. Auch dieses Mal drehten die Sachsen anschließend auf. In dieser Phase hatten vor allem Marko Mamic und der wieder genesene Patrick Wiesmach die entsprechende Verantwortung übernommen. 4:6, 5:7, 6:8. Da schienen die Gäste obenauf.
Auf der anderen Seite hatten die Eulen aus Ludwigshafen gleich mehrere freche Kampfansagen geliefert. Im Hallenheft sagten schätzungsweise 1966 Experten einen Heimsieg voraus. Sie begründeten das Ganze mit den knappen Niederlagen gegen die Rhein-Neckar Löwen und Kiel und erinnerten an das sensationelle 27:24 über die Leipziger im vergangenen Jahr. „Wir müssen die eigenen Fehler minimieren und mutig spielen“, wurde Benjamin Matschke im Vorfeld zitiert.
Tatsächlich zeigte Dominik Mappes im mittleren Rückraum der Friesenheimer ein tolles Spiel. An seiner Seite erzielten Gunnar Dietrich und Jerome Müller das eine oder andere Tor. Doch die eigentliche Überraschung stellte Max Neuhaus dar. Der Youngster (aus dem Magdeburger Nachwuchs) absolvierte sein erstes Bundesligaspiel und avancierte zum „Helden des Tages“. Er markierte vier Tore in wenigen Minuten und überraschte mit André Haber selbst seinen früheren Trainer bei der deutschen Juniorennationalmannschaft. Die Friesenheimer nutzten das eine oder andere Missverständnis des Gegners und spielten sich unmittelbar vor dem Seitenwechsel in einen regelrechten Rausch. Sie bogen das erwähnte 6:8 ohne Federlesen um. Der Halbzeitstand lautete 16:12.
Das Resultat gab den Gastgebern das erforderliche Selbstvertrauen, den eigenen Matchplan konsequent zu befolgen. Sie brauchten bloß auf einen der zahllosen Fehler der Gäste und die eigene Chance warten. Die Friesenheimer marschierten nach der Pause stets zwischen zwei und fünf Toren vorneweg. 17:12, 18:16, 21:17, 22:20. Immer, wenn die geduldigen Eulen ein Tor brauchten, trafen Pascal Durack oder Jerome Müller in den grün-weißen Kasten.
Außerdem hatten die Leipziger die letzte Gelegenheit, der Begegnung eine Wendung zu geben, fast fahrlässig liegen gelassen. Erst hatte Lukas Binder das 24:22 (aus Friesenheimer Sicht) geworfen, dann Maximilian Janke im darauffolgenden Angriff die „Nülle“ nicht unter Kontrolle bekommen und dadurch das Anschlusstor verpasst. In den vergangenen Spielen hatte ja immer ein anderer Spieler den Fehler seines Kameraden ausbügeln können. „Die Mannschaftsleistung setzt sich immer aus vielen Einzelleistungen zusammen. Doch dieses Mal haben zu viele Spieler ihr Vermögen nicht erreicht“, schätzte André Haber ein.
Der Chefcoach der Leipziger riskierte in der Schlussphase alles, brachte anstelle des Torwarts einen siebenten Feldspieler, ließ offensiv decken. Doch das nutzten die cleveren Friesenheimer, die weiterhin in einem emotionalen Rausch spielten, gnadenlos aus, den eigenen Vorsprung in die Höhe zu schrauben. 26:22, 29:24, 31:26. Sie gewannen schließlich die Auseinandersetzung der beiden befreundeten Vereine mit 34:27 Toren völlig verdient. Spielbericht: Leutzscher Welle
André Haber (Trainer SC DHfK Leipzig): „Wir hatten uns viel vorgenommen und wussten natürlich, was uns heute erwartet. Es ist Wahnsinn, wie sich die Eulen hier aufgeopfert haben. Ben Matschke hatte einmal gesagt, dass Leipzig in Sachen Mentalität das Vorbild der Eulen ist. Heute haben uns die Eulen darin überholt. Bei uns war der Spielstart ganz ok und wir hatten die Partie beim 6:8 eigentlich unter Kontrolle. Dann passieren uns allerdings 4 Fehler in Folge und im gesamten Spiel waren es 13 Ballverluste. Das ist zu viel in der ersten Bundesliga, zumal auch Fehler in ganz wichtigen Situationen dabei waren. Bei uns ist in vielen Mannschaftsteilen zu viel schiefgelaufen und Ludwigshafen hatten heute Spieler, die einfach besser waren. Darum gehen wir als verdienter Verlierer von der Platte. Mich ärgert besonders, dass wir das Mentalitätsduell verloren haben.“
Benjamin Matschke (Eulen-Trainer): „Ich freue mich sehr, dass die Mannschaft den Fans so einen Abend geben konnte. Ich schätze diesen Sieg unheimlich hoch ein, weil sich Leipzig unglaublich gut verstärkt hat und mit diesem Personal mit Sicherheit eine richtig gute Runde spielen wird. Handball lernt uns immer wieder Demut – Woche für Woche – und ich möchte meine Mannschaft heute loben. Alle Spieler waren in den letzten 48 Stunden sehr giftig, da kann ich keinen herausheben. Das war heute ein richtiges Brett.“
Karsten Günther (Geschäftsführer SC DHfK Leipzig): „Die Niederlage ist extrem bitter, weil sie verdient war. Aber wenn wir den Biss und die Konsequenz von Ludwigshafen heut als Vorbild nehmen und an dieses Spiel denken, wenn der innere Schweinehund mal wieder überwunden werden muss, dann kann es noch ganz wertvoll werden. Es liegt jetzt an uns, was wir draus machen!“
Die Eulen Ludwigshafen gegen SC DHfK Leipzig 34:27 (16:12)
SC DHfK Leipzig: Birlehm, Vortmann; Wiesmach 6/2, Semper 6, Mamic 4, Weber 4, Binder 2, Esche 1, Gebala, Janke 1, Milosevic 1, Roscheck 1, Witzke 1
Ludwigshafen: Durak 8/3, Dietrich 5, Müller 5, Neuhaus 5, Mappes 3, Scholz 3, Falk 2, Hofmann 2, Stüber 1
Siebenmeter: Ludwigshafen 3/5, Leipzig 2/2
Strafen: Ludwigshafen 8 Min, Leipzig keine
Zuschauer: 1912 Handballfans in der Friedrich-Ebert-Halle
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