Es war der 28. März im Jahr 2004. Der Mitteldeutsche Basketball Club hatte sich ungeschlagen durch die Qualifikations- als auch die Hauptrunde des FIBA Euro Cups 2003/04 gespielt. Heute vor exakt 15 Jahren standen die Wölfe im türkischen Izmir dem französischen Erstligisten JDA Dijon als Finalist gegenüber. Nach einer packenden Partie übernahmen die Mitteldeutschen im letzten Viertel das Finale und fuhren unter anderem durch die MVP-Leistung von Marijonas Petravicius den verdienten 84:68 Pokalsieg gegen den vermeintlichen Favoriten aus Frankreich ein.
In einer bewegten und schwierigen Zeit für den Club bewiesen die Wölfe Herz und brachten Weißenfels wider Erwarten auf die Karte des europäischen Top-Basketballs. Heute zählt der Gewinn des Euro Cups zu einem der größten Erfolge des Clubs. Wir sprachen mit einem der Helden von Izmir. Stephen Arigbabu stand im Finale von 2004 gut 27 Minuten auf dem Parkett, erzielte 8 Zähler und sammelte 11 Rebounds ein. Im gesamten Turnier verzeichnete der heute 47-Jährige in zehn Partien 9,2 Punkte, 5,8 Rebounds und 2,2 Assists.
Der gebürtige Hannoveraner und heutige Assistant Coach von s.Oliver Würzburg stand uns zum Anlass des Jubiläums für ein interessantes Interview zur Verfügung.
Vor 15 Jahren gewannen Sie mit dem Mitteldeutschen Basketball Club den FIBA Euro Cup. Wie kann man den Moment beschreiben, als Sie damals den Pokal zum ersten Mal in den eigenen Händen gehalten haben?
„Bis heute ist dieser Moment für mich unvergessen. Es ist ja eine ganze Menge passiert damals, vor allem, wenn man an die Insolvenz denkt. Wir hätten aufgeben oder zusammenbrechen können, doch wir haben uns dazu entschieden zu kämpfen und zusammenzuhalten. Und haben so unter wirklich schweren Rahmenbedingungen einen Wahnsinns-Erfolg eingefahren. Es war unter allen Titeln, die ich bisher gewonnen habe, ein ganz Besonderer.“
Wie hat das Team den Sieg über Dijon damals gefeiert?
„Wir haben richtig gefeiert! Bis heute gibt es noch Geschichten davon und Anekdoten von jener Feier. Immer, wenn ich zum Beispiel Sebastian Machowski sehe, bekommen wir sofort ein Grinsen ins Gesicht. Es ist einfach eine unvergessene Geschichte, weiter ins Detail werde ich jetzt jedoch nicht gehen (lacht).“
Wie war die Stimmung in Weißenfels, als die Mannschaft mit dem Pokal im Gepäck aus Izmir wieder an der Saale anreiste?
„Ich habe es noch ganz genau vor Augen. Meine Tasche war die erste, die am Flughafen vom Band gekommen ist. Dort gab es dann so eine Schiebetür durch die ich ging, um den Bus zu erreichen, der uns nach Weißenfels bringen sollte. Alle waren noch sehr müde von der Party und erschöpft. Als die Schiebetür aufging, standen dort auf einmal gefühlt 150 Menschen, um uns zu empfangen. Ich bin erst nicht rausgegangen, sondern hab mich umgedreht und den Jungs zugerufen: Leute, da sind ganz viele Fans! Dann sind wir noch im Autokorso von Leipzig nach Weißenfels gefahren und haben noch etwas vor der Stadthalle getrunken. Es gab sogar noch ein Feuerwerk. Immer, wenn ich hier bin, muss ich daran denken. Ja, es war eine geile Zeit.“
10 Siege standen auf dem Liga-Konto der Wölfe nach Ablauf der Saison 2003/2004. Dennoch stieg man nach einer turbulenten Saison nachträglich ab. Im Euro Cup blieb man im Gegensatz ungeschlagen. Wie beschreiben Sie das Gefühl zwischen dem Bangen in der Liga und dem Erfolg auf europäischen Level?
„Ähnliches durchlebe ich ja jetzt gerade. In der Bundesliga kämpfen wir um die Playoff-Teilnahme und im Euro Cup sind wir ins Viertelfinale gekommen. Euro Cup und die Liga sind zwei unterschiedliche Dinge. Es gibt immer Teams, die einem besser liegen als andere. Damals vor 15 Jahren lagen uns die Mannschaften aus Europa besser, als die aus der BBL.“
Verglichen mit den frühen 2000er Jahren: Wie hat sich der deutsche Basketball seitdem Ihrer Meinung nach verändert? Was ist heute anders?
„Basketball hat sich unabhängig vom Sportlichen sehr verändert. Das Produkt „Basketball in Deutschland“ hat sich durch das Einführen von Qualitätsstandards stark entwickelt. Durch neue Richtlinien wurde der Weg hierhin geebnet. Es gibt heute vernünftige Hallen, die auch ausverkauft sind. Das macht als Spieler einfach Spaß. Geh mal nach Griechenland, da sind die Arenen nur voll, wenn der Erste gegen den Zweiten spielt, ansonsten ist es leer. Darüber hinaus muss man sich die Fülle an Top-Spielern in der BBL anschauen, die derzeit aktiv sind. Nicht nur in München, Berlin oder Bamberg ist dies der Fall, sondern auch in kleineren Vereinen. Es gibt deutlich mehr große Namen. Deutschland hat sich absolut entwickelt und ich bin gespannt, wo die Reise noch hingeht.“
Im Jahr 2010 beendeten Sie ihre Karriere als Basketballer. Noch im gleichen Jahr übernahmen Sie den Posten als Cheftrainer beim damaligen Regionalligisten und heutigem MBC-Kooperationspartner BSW Sixers. Mit den Sixers klappte dann direkt der Aufstieg in die Pro B. Wie schwierig war die Umstellung von Spieler auf Trainer?
„Erstmal war es grundsätzlich schwierig, diese Entscheidung zu treffen. Mir war schon immer klar, dass ich im Sport bleiben wollte. Ich wollte weiterhin nah am Geschehen dran bleiben. 2009 und 2010 habe ich noch in Griechenland gespielt, wir waren in der Top-16 der Euroleague, also sehr erfolgreich. Im Mai 2010 kam dann das Angebot von den Sixers und ich dachte mir zunächst, dass meine Zeit noch nicht gekommen war. Aber mir wurde dann klar, dass ich diesen Schritt gehen musste. Nicht jeder kriegt sofort ein Trainerangebot, also wollte ich diese Chance nutzen. Ich habe bei den Sixers sehr viel gelernt. Viele fangen erst als Assistenz Trainer an. Ich durfte direkt im kalten Wasser schwimmen lernen, aber es hat geklappt und war sehr lehrreich.“
15 Jahre sind eine lange Zeit. Haben Sie dennoch zu dem ein oder anderen Teamkollegen aus Ihrer Zeit in Weißenfels Kontakt?
„Die Leute, die in der Bundesliga sind, sieht man ja natürlich regelmäßig. Ansonsten gibt es ja die Möglichkeit über die sozialen Netzwerke Kontakt zu halten. Es gibt immer genügend Gesprächsstoff, wenn man sich sieht.“
Im MBC-Team von 2003/2004 zählten Sie zu den erfahrensten Spielern im Kader. Wie wichtig sind neben den Trainern erfahrene Teamkollegen als Mentoren für jüngere Spieler?
„Ich finde das absolut wichtig. Als ich damals in Braunschweig angefangen habe, hatte ich Harald und Lothar Stein an meiner Seite. Du kannst als junger Spieler sehr von den alten Hasen profitieren, wenn du dazu bereit bist und die Älteren korrekte Typen sind. Harald Stein war das bei mir und ich hoffe, dass ich es auch für die Jüngeren beim MBC gewesen bin. Die jungen Spieler müssen es aber auch wollen. Heutzutage ist es manchmal anders als früher. Man merkt, dass viele der Jüngeren glauben, sie könnten alles besser. Ich will damit nicht sagen, dass früher alles besser war, aber dass ein beidseitiges Verständnis und eine Offenheit nötig ist.“
Heute stehen Sie als Assistant Coach bei s.Oliver Würzburg den Wölfen als Kontrahent gegenüber, in der letzten Spielzeit noch bei den Basketball Löwen Braunschweig. Wird man emotional, wenn man berufsbedingt an seine alte Wirkungsstätte zurückkehrt, an welcher man so Großes erreicht hat?
„Aber natürlich. Und zwar sehr. Wenn ich zum Beispiel heute Martin Geissler sehe, muss ich immer daran denken, wie er mir damals geholfen hat, als das mit dem Internet losging. Da war er noch Pressesprecher, heute sind wir immer noch im guten Kontakt. Damals hatte ich in Weißenfels einen Freund, mit dem Ich immer angeln gegangen bin, der sitzt heute auch noch auf der Tribüne. Neulich habe ich in Weißenfels auch meine ehemalige Nachbarin getroffen. Die Menschen hier sind sehr herzlich und das spürt man immer wieder. Die Hallenatmosphäre im Wolfsbau ist auch noch nach wie vor der Wahnsinn.“
Was möchten Sie heute den Fans der Wölfe und der Stadt Weißenfels mit auf dem Weg geben?
„Ich möchte sagen: liebe Wölfe-Fans, habt Vertrauen in den Verein, den Trainer und die Spieler. Es ist eine schwierige Situation. Bei uns war es damals auch schwierig. Man muss gemeinsam weitermachen und sich gegenseitig unterstützen. Missgunst bringt keinen weiter. Der Glaube entfacht Hoffnung, vor allem in der Mannschaft. Jede Mannschaft der Liga hat es in der Stadthalle schwierig. Die Wölfe-Fans haben von den Rängen aus eine starke Kraft, das sollten sie niemals vergessen. Auch die großen Teams haben Respekt vor der Atmosphäre in Weißenfels.“
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