Von Kai Schirmer: Ich habe selten so einen Artikel gelesen, der so völlig am Thema vorbeigeht. So weit ich gelesen habe, kritisiert Th. Hartung Frau Lemke einzig und allen im Zusammenhang mit ihrer zukünftigen Funktion als Hochschulpräsidentin. Und in meinen Augen ist das völlig berechtigte Kritik, denn es geht nicht gegen Leute die nicht promoviert sind, sondern um einen in dieser Form einzigartigen Vorgang.
Mir selbst ist ein einziger Fall bekannt, wo ein (zu diesem Zeitpunkt noch nicht promovierter und habilitierter) diplomierter Ingenieur (Dipl.) außerordentlich zum Professor berufen wurde. Dieser Mann hatte jedoch zuvor 20 Jahre in dem Fach, welches er schließlich unterrichten sollte, gearbeitet und galt darin als ausgezeichneter Spezialist. Inzwischen besitzt er auch die notwendigen wissenschaftlichen Qualifikationen. Im Fall von Frau Lemke geht es jedoch sogar um die Leitungsfunktion einer Hochschule! Ohne wissenschaftliche Qualifikation!
Ohne irgendetwas, was die Eignung begründen würde. Und das hat schon ein Geschmäckle. Nein, die Kritik von Hartung war berechtigt! Hätte sie jemand anders geäußert, der nun nicht gerade zufällig in der AfD ist, hätten sich vermutlich die Journalisten darauf gestürzt und sich die Auffassung zueigen gemacht. Heute ist es aber offenbar wichtiger, wer Kritik äußert, und nicht warum und wieso!
Antwort der Redaktion / Michael Freitag
Vielen Dank für diese Zuschrift. Sie unterstreicht letztlich, worin das Problem besteht. So lautet schon die Betreffzeile von Dr. Hartungs (AfD- und Ex-Pegida-Presseverantwortlicher) Pressemitteilung nicht „Zur Berufung von Eveline Lemke (Grüne) als Präsidentin der privaten Karlshochschule in Karlsruhe“, sondern „PM Grüne“.
Im Weiteren geht es, wie bereits im Beitrag zitiert wohl eher darum: „Für den Ex-Dozenten passt diese Berufung ins Bild bildungsunwilliger grüner Politiker mit einer ungelernten Hilfsarbeiterin wie Claudia Roth an der Spitze.“, so Hartung.
Hiermit ist es keine Einzelfallbetrachtung mehr, sondern schlichtes Bashing, wie im Kommentar von Ralf Julke ausführlich dargelegt. Zudem von jemandem, der seinen Doktortitel mit einer Dissertation „Die Science-fiction der DDR von 1980 bis 1990. Eine unterhaltungsliterarische Bestandsaufnahme unter thematischem und wirkungsspezifischem Aspekt“ erworben hat.
Nun kann man sicherlich seinen Doktor in so manchem Blüten- und Krautbereich erwerben, doch was damit den heutigen Pressesprecher der AfD Sachsen über das Leben und Wirken von Frau Lemke stellt, bleibt dem „Ex-Dozenten“ und Ex-Mitarbeiter von „Sachsen Fernsehen“ überlassen.
Die TU Dresden trennte sich von Herrn Hartung im Übrigen aus ganz bestimmten Gründen. Sie sehen selbst, Abwertungen ala AfD funktionieren nach dem immer gleichen Muster und sind auf praktisch jeden anwendbar. Und offenbar bei einigen Menschen ein grundlegendes Verhaltensmuster. Ob dies in politischen Auseinandersetzungen wirklich fruchtbar ist, lasse ich mal offen – ich glaube persönlich nicht, dass dies funktioniert oder unsere Gesellschaft voranbringt.
Ihr Fazit “Ohne irgendetwas, was die Eignung begründen würde.” können Sie gern an der Vita von Frau Lemke nochmals selbst prüfen (am Ende verlinkt) – auch wenn sich dadurch Ihre Meinung nicht ändert, haben sie dann jedoch einen eigenen Eindruck.
Interessant ist übrigens auch, dass Dr. Thomas Hartung (hier bei Wiki) am 5. Januar 2014 noch dieser Meinung war: „Originelles Denken und Spezialbegabungen werden systematisch eingeebnet: im Kindergarten, in Schulen und Hochschulen, bis in die Personalabteilungen der Firmen hinein.” Er empfahl da noch diesen Artikel beim Spiegel auf seiner Facebookseite als „Lesenswert!“, sah also Querdenker noch als wertvoll an.
Vielleicht kann man das Fazit auch dabei belassen, dass die Karlshochschule sich die Entscheidung für Frau Lemke auch überlegt haben wird?
Die Vita von Evelin Lemke finden Sie hier.
Die Vita von Dr. Thomas Hartung finden Sie hier.
Zum Beitrag: Die tiefsitzende Verachtung des Dr. Thomas Hartung für Frauen ohne Doktor und Diplom
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