Die Veranstaltung am 15.04.16 im Vereinshaus von Wasserstadt Leipzig e.V. sollte mal wieder ein Diskurs sein über den Versuch, eine für alle vereinbare Gewässernutzung zu ermöglichen. Die Beteiligung der BürgerInnen war eher bescheiden, vielleicht lag es daran, dass das Ergebnis des Diskurses von vornherein fest stand und bereits die Liste der offiziell geladenen Interessenvertreter die Schieflage zu Ungunsten von Naturschutz und sanftem, naturverträglichen „Tourismus“konzepten offensichtlich machte. Die durch Losziehen willkürlich zusammengewürfelten Workshopgruppen brachten auch nicht gerade signifikanten Kompetenzzuwachs in dem dort von den ausgelosten Laien geführten „fachlichen“ Austausch zu den vorgegebenen Themen.
Die im Umwelt- und Naturschutzbereich tätigen Leipziger Vereine laden ebenfalls regelmäßig zu Veranstaltungen ein. Die dortige Art und Weise sowohl der Einladung also auch der Themen ist jedoch eine völlig andere: Das eigene Thema, die eigene Zielrichtung werden im Rahmen der Veranstaltung konkret benannt. Ausgangspunkt ist immer die Darstellung des eigenen Standpunktes samt fachlicher Begründung desselben und das Angebot an Dritte, darüber ins Gespräch zu kommen und nach Möglichkeiten zu suchen, vor dem Hintergrund der rechtlichen Rahmenbedingungen die unterschiedlichen Interessen zu einem Gemeinsamen zu machen, um sich für dessen Umsetzung dann gemeinsam einzusetzen. In Leipzig kollidieren die verschiedenen Ambitionen der Akteure mit den diversen rechtlichen Vorschriften, auch mit substantiellen Umwelt- und Naturschutzfragen, und laufen daher fast immer auf eine Auseinandersetzung mit den Behörden hinaus, insbesondere im Zusammenhang mit allem, was die Gewässernutzung anbetrifft. Denn die Nutzung der Gewässer hängt in Leipzig immer mit dem Auwald zusammen, für den Wasser die Lebensgrundlage ist.
Eine Beschreibung des Ziels der Veranstaltung „Wasserstadt Konferenz Leipzig“ ist der Einladung nicht zu entnehmen. Aus dem Gesamtkontext der Einladung konnte entnommen werden, dass versucht werden soll, alle möglichen Nutzergruppen für eine Gewässernutzung „unter einen Hut“ zu bekommen. Ein schwieriges Unterfangen – um es vorsichtig auszudrücken.
Dem widerspricht zudem die nachträglich von Dr. Heymann abgegebene Erklärung: „Es sollte begonnen werden, zum Vorteil aller, Mensch, Wirtschaft und Natur, die Nutzung der Leipziger Gewässer nachhaltig zu gestalten.“
Dieses Ansinnen ist schon als Satz der Widerspruch schlechthin, denn Natur wird nicht „gestaltet“, schon gar nicht nachhaltig wenn es zum Vorteil der Wirtschaft ist, sehr oft leider auch wenig nachhaltig für den Menschen. Natur entwickelt sich selbst. Jede „Gestaltung“ ist eine Veränderung, mit der der Mensch in die Natur eingreift, sich dabei einerseits anmaßt, ihr damit Gutes tun zu können, und zugleich mit eben dieser „Gestaltung“ die Natur per se beseitigt. Deshalb werden auch diejenigen, die Natur um ihrer selbst willen und in Anerkennung ihres Wertes in ihrem natürlichen Zustand nutzen wollen, ausgeschlossen. Diese Menschen wollen Orte schaffen, in denen sich Natur nach ihrem eigenen Maß und Wollen entwickeln kann – zum Vorteil derer, die auf solche Refugien der natürlichen Biodiviersität, der Wasser- und Luftreinhaltung, der Ruhe und Erholung existentiell angewiesen sind: wir Menschen nämlich, wir LeipzigerInnen, lebend in einer rasant wachsenden Großstadt, ganz besonders. Was nützt uns der eine oder andere Minijob im Tourismus zusätzlich (der anderswo deswegen auch nur wegfällt), wenn die Stadt Leipzig, deren innerstädtische Grünflächen mehr und mehr unter Beton verschwinden, nun auch noch seine kostbare Grüne Lunge, seinen in großen Teilen unter Schutz stehenden Auwald zur Disposition und Wirtschaftsinteressen über die Erhaltung unserer in Leipzig durch den Auwald besonders hochwertigen Lebensqualität stellt?
Und so behauptet Frau Dr. Heymann ohne Zögern und in guter Gesellschaft mit Behörden der Stadt, es gäbe keinen Plan, sondern nur ein Konzept. Da sollte endlich mal zur Kenntnis genommen werden, was längst offensichtlich ist und immer mehr den Diskurs der Akteure dahin zu bringen droht, wohin er gehört: Überschrift und Name sind rechtlich völlig unerheblich. Allein maßgeblich ist die Durchführung. Und die hier durchgeführten Maßnahmen sind genehmigungspflichtig und damit verwaltungsrechtlich in einem ordentlichen Verfahren auf ihre Verträglichkeit zu überprüfen. Es reicht ein Blick ins Wassertouristische Nutzungskonzept WTNK, ein Blick in die Veröffentlichungen der das WTNK steuernden und umsetzenden Gremien, wie z. B. des Grünen Ringes Leipzig, des Regionalen Planungsverbandes Westsachen oder auch der ominösen „Steuerungsgruppe“ bis hin zu Verlautbarungen des Kommunalen Forums „Zweckverband Südraum Leipzig“. Es wird ein Gesamt-Plan (sic!) verfolgt. Es handelt sich beim WTNK sogar um ein Schlüsselprojekt, eines, das seinen Niederschlag auch in den Regionalplänen, die quasi gesetzliche Grundlagen für Aktivitäten in der Region sind, wiederfindet!
Die „Wasserstadt Konferenz Leipzig“ wurde und wird vom „Verein Wasserstadt Leipzig“ veranstaltet, dessen Ziel die Anbindung eines dort beschriebenen Wasserknotens Leipzig an das internationale Wasserstraßennetz ist. Es sollen also die Gewässer der Leipziger Region zu Wasser“straßen“ umgewidmet werden. Denn nur dann ist so ein Anschluss sinnvoll. Und in diesem Sinne wurde auch in der Einladung auf den Lindenauer Hafen und die Verbindung zum Karl-Heine-Kanal hingewiesen, die wiederum Teile des WTNK sind, welches wiederum umfangreiche Ausbau- und Neubauarbeiten an und in den Leipziger Gewässern beinhaltet, die wiederum alle dem einen Ziel, einer motorisierten Gewässernutzung, dienen: für Paddler und Kanuten sind die avisierten Maßnahmen völlig überdimensioniert – und für diese Art der Nutzung würden auch keine Steuergelder ausgereicht werden. So dient auch die Schiffbarkeitserklärung der Tagebaurestlöcher, nicht der nachhaltigen, naturverträglichen Erholungsnutzung, sondern ist nur notwendig, um motorisierte Aktivitäten dort genehmigungsfrei und unbegrenzt möglich zu machen. Diese Interessen machte der veranstaltende Verein in seiner Einladung zu diesem „Diskurs“ über eine allgemein akzeptierte Gewässernutzung nicht deutlich.
Also wollte ein Verein, dessen Ziel die Motorisierung der Leipziger Gewässer ist (denn eine Umwidmung eines Gewässers in eine Wasserstraße bedeutet immer und in jedem Fall die motorisierte Nutzung eines Gewässers, das ist sozusagen der einzige Zweck) versuchen, auch diejenigen Nutzer „unter den einen Hut“ (der Schiffbarkeit) zu bringen, die per se Gegner einer solchen Umwidmung sein müssten, denn deren Nutzungen (Schwimmen, Paddeln, Tretbootfahren, Surfen) wird bei Erklärung der Schiffbarkeit per Gesetz der motorisierten Nutzung untergeordnet – bis hin zur völligen Untersagung. Dieser Gemeingebrauch hat nämlich bei einer Umwidmung eines Gewässers in eine Wasserstraße durch Erklärung der Schiffbarkeit der motorisierten Nutzung den Vorrang zu gewähren. Das ist die Politik, die gegen Umwelt- und Naturschutzgesetze und gegen den artikulierten Willen der Bevölkerung durchgesetzt werden soll.
Dieser grundlegenden Intention folgend, bedient sich der Verein von Frau Dr. Heymann unkommentiert behördeneigener Unterlagen, macht sich diese damit zu Eigen.
So gäbe es genügend Anlass, Fragen zu stellen und zu beantworten: Was das WTNK ist, welcher „Beteiligungs-Prozess“ das offiziell als Handlungsgrundlage dienende Ergebnis der Charta 2030 hervorgebracht hat und zu aller erst, wer die dahinter stehende Steuerungsgruppe ist und mit welcher demokratischen Legitimation und damit welcher demokratischen Kontrolle unterliegend sie tätig ist?
Stattdessen wurde wieder einmal so getan, als wären der „Prozess“ und die diesem zu Grunde liegenden Planungen tatsächlich ein Beteiligungs-Prozess. In Wahrheit sollten Bürger in dem „Charta 2030-Prozess“ ihre Meinung zu Planungen kundtun, die schon lange abgeschlossen sind und an denen sie zum Teil überhaupt nicht (Tagebausanierung) oder nur teilweise zu beteiligen waren. Zu keinem Zeitpunkt wurde offen über eine wassertouristische Nutzung in ihrer gesamten Dimension gesprochen oder auch nur darüber, ob eine solche überhaupt von den hier lebenden und also direkt betroffenen Menschen präferiert wird. Vielmehr wurde diese wasser“touristische“ und motorisierte Gewässernutzung als einem allgemeinen Konsens unterliegend vorausgesetzt. Lediglich die Umsetzung sollte diskutiert werden. Allerdings erst, nachdem Wesentliche Teile der Planung bereits umgesetzt und die entsprechenden Steuergelder dafür ausgegeben wurden. Die Bürger sollten also nachträglich ihre Meinung zu einer Planung kundtun, die zu großen Teilen bereits realisiert wurde. Über Kosten, Folgen und Folgekosten wurde ebenfalls nicht gesprochen, was jedoch unabdingbare Voraussetzung zur kompetenten Meinungsbildung der im Nachgang Befragten gewesen wäre.
Es drängt sich mithin die Frage wie der Veranstalter den Eindruck vermitteln kann, er wäre befugt und ermächtigt die gemeinsam erarbeiteten Ziele auch umsetzen: Wer ist der Wasser-Stadt-Leipzig e.V.? Was unterscheidet ihn von den anderen, durchaus auch engagierten Leipziger Vereinen, dass gerade er seine Ziele auch politisch umsetzen zu können glaubt? Welche Funktion, Stellung hat gerade dieser Verein, einen die Bürger betreffenden Diskurs „abzuschließen“? Ergeben sich daraus irgendwelche Konsequenzen für eine Gewässernutzung in Leipzig?
Es wurde und wird nach wie vor gar nicht erst die Frage diskutiert, ob es eine touristische Gewässernutzung geben soll – die Umfrageergebnisse unter der Bevölkerung sind eindeutig und lauten Nein. Die Zustimmung wird also wider besseren Wissens vorausgesetzt. Soll nun lediglich über die Form eines „Diskurses“ Beteiligung simuliert, Einigung herbeigeführt und an einer Verabredung gearbeitet werden, um, möglichst unter Einbezug aller, Projekte umzusetzen, deren Regelverletzungen ungeahndet bleiben – weil ja alle beteiligt waren? Wer nämlich gemeinschaftlich Verabredung zu Regelverletzungen trifft, kann später schwerlich gegen diese vorgehen.
Zur allgemeinen Meinungsbildung wäre es also hilfreich gewesen, wenn der veranstaltende Verein zunächst seine grundsätzlichen Ziele dargelegt hätte. So hätten die Teilnehmenden ihre Schlussfolgerungen bezogen auf das Ziel der Veranstaltung ziehen können.
Und nicht zuletzt ist Grundlage für jede Diskussion über eine Gewässernutzung die Kenntnis der maßgeblichen rechtlichen Rahmenbedingungen, die im rechtlichen Teil des WTNK angeschnitten wurden und dort nachzulesen sind: keiner kann sagen, er habe es nicht gewusst.
Der L-IZ Artikel vom 25.04.16
Ein Offener Brief und die Frage nach den gemeinsamen Regeln im Leipziger Auwald
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