Von einem „Gewandhausbesucher“: Nun ist es bekannt. Der Gewandhauskapellmeister bekennt nach zähen Jahren, dass er 2016 geht. Fast 11 Jahre wird er dann da gewesen sein. Doch sollte so manche Würdigung stutzig machen. Das Gewandhausorchester war bereits vor Jahrzehnten eines der Besten. Durch Persönlichkeiten wie Franz Konwitschny, Vaclav Neumann und schließlich der langen Ära Kurt Masur war das Orchester international präsent und konnte ein Spitzenniveau vorweisen.
Dieses Niveau fand Herbert Blomstedt bei seiner Ankunft vor. Und ebenfalls Riccardo Chailly. Bei dem sich plötzlich etliche Plattenaufnahmen und DVD-Projekte verwirklichen ließen.
Doch war diese Zeit leider auch von einem faden Beigeschmack geprägt. Leider muss man feststellen, bei den Ankündigungen und Erwartungen, die mit seiner Arbeit in Leipzig verbunden waren, dass ihm das Gewandhaus ein Lippenbekenntnis, nie aber ein Herzensanliegen war. Mit viel Not konnte er 2008 von einem kompletten Rückzug abgebracht werden. Spätestens hier wurde klar, dass er das Gewandhaus in der Hand hat. Und das nicht im positiven Sinne. Dies zeigen seine Anwesenheit und sein Führungsstil. Denn mit dem 26 Jahre älteren Prof. Blomstedt haben wir einen sehr viel präsenteren und engagierteren Dirigenten erlebt.
Der in Sachsen, Dank seiner Verbundenheit mit der Staatskapelle Dresden, aber auch dem Gewandhausorchester heimisch ist. Dem die Musik Berufung, aber kein Aktiengeschäft ist. Wenn man allein seine Aktivitäten für junge Besucher betrachtet. Und die vielen unvergesslichen Konzerte. Schließlich in den Jahren 2005 und 2006 endlich seine Präsenz auch in der Oper.
Nun also geht Herr Chailly zur Mailänder Scala. Und da ihm dies alles noch nicht reicht, übernimmt er das Lucerne Festival Orchestra. Mir stellt sich bei dieser Gemengelage die Frage, warum die Gewandhausdirektion noch in diesem Sommer gebetsmühlenartig Durchhalteparolen ausgab. Dass Herr Chailly seine Verpflichtungen bis 2020 einhalten werde. Vielleicht auch darüber hinaus im Amt zu bleiben gedenke.
Bleibt neben zu vielen Wiederholungen, zu wenig echter Innovation, ein herausragendes Mahlerfest 2011. Bei dem das Gewandhausorchester wirklich Großes leisten durfte, und Leipzig zum Treffpunkt weltberühmter Orchester wurde. Glücklicherweise schloss sich danach der Mahler-Zyklus an. Den Herr Chailly hoffentlich noch beenden wird.
Sein Nachfolger aber wird sehr viel Arbeit in verloren gegangenes Vertrauen investieren müssen. Zu viele Enttäuschungen hat es in letzter Zeit gegeben.
Zu oft hat Herr Chailly abgesagt und die Gewandhausdirektion nicht ihre Ankündigungen einhalten können. Kommen noch ein ausgesprochen laienhaftes Krisenmanagement und mehrere Finanzskandale hinzu. Deshalb sollte es nicht nur zu einem musikalischen Neuanfang kommen. Sondern auch zu einem Neuanfang an der Spitze des Gewandhauses im Generellen. Denn nur mit unverbrauchten und unbelasteten Persönlichkeiten wird das Gewandhaus zu Leipzig neues Vertrauen gewinnen können.
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