Von Stefan Neumeier: Sorry, der Artikel schwadroniert, als ob es sich um fortgesetzte lokale Straßenkämpfe wie in der Pariser Banlieue handelt. Nicht nur ich bin der Meinung, dass seit heute Mittag ein Grundrecht unterminiert wird, aber Ihr lasst auch jetzt noch keine Möglichkeit, einen Kommentar zu hinterlassen, während anderswo (z.B. tagesschau.de) die Kommentarspalten wegen Überfüllung wieder geschlossen werden.
Stefan Neumeier
Dies tun wir ausdrücklich gern und hoffentlich in den vergangenen Jahren ab und zu in gelungener Form und bald auch wieder (siehe „Ausblick, Lösung und Fazit“ weiter unten). Die meisten Debatten konnten wir in den letzten Jahren einfach laufen lassen, denn sie waren geprägt von einem Geist der lösungsorientierten, konstruktiven Art und bezogen auf das Miteinander in unserer Heimatstadt. Auch diese wurden mit einem kontinuierlichen Leseranstieg natürlich mehr. So manches Engagement entstand auch dadurch auf, in und rings um unsere Zeitung. Den einen oder anderen Bundespolitiker, Fanatiker oder „Wissenden“ der seine meist menschenfeindlichen Hinweise hinterlassen wollte, ertrugen wir und debattierten sie mehr oder minder erfolgreich zu Ende.
Immer öfter jedoch und gerade im Umfeld der PEGIDA-Aktionen mussten wir uns leider in den vergangenen 2 Monaten mit unzähligen Beiträgen befassen, die nur ein einziges Ziel hatten: Andere User zu beleidigen, puren Hass zu verbreiten, Grenzen auszuloten oder uns in Debatten zu verwickeln, die unsere Zeitung, unsere Journalisten und Menschen, die wir kennen, pauschal verunglimpfen, beschimpfen oder in der einen oder anderen Art zu erniedrigen sollten. Was vor etwa einem Monat zur Schließung der freien Kommentierung führte und nunmehr schlicht aus Kapazitätsgründen auch zum Nichteinbau der Möglichkeit des Diskurses unter manchen Artikeln beitrug.
Denn auch unsere Kapazität ist endlich und wird immer von einem friedlichen Miteinander geprägt sein. Dies wollten manche nicht akzeptieren.
Um unsere Erfahrung der vergangenen Wochen mal drastisch zu formulieren und zu beschreiben, was wir in Mengen und aus der gesamten bunten Republik erlebten: Menschen, die erkennbar vorher nicht nur nie die L-IZ gelesen hatten, welche uns als Menschen schon gar nicht kennen und mit dem Begriff „lokaler Journalismus“ nichts verbinden, kamen kurz in unserem „Heim“ zu Besuch und spuckten alles voll, was ihnen in den Weg kam. Oft genug mit Eindrücken und Haltungen, welche wir durch unsere Arbeit der vergangenen 10 Jahre nicht nur nie befördert haben, sondern den wir in einem selbstauferlegten Bildungs- und Erklärungsauftrag versuchten entgegenzuwirken.
Dies alles korrespondiert auch trefflich mit einem Leserzuwachs um rund 20.000 Personen auf durchschnittlich 250.000 Menschen pro Monat auf der L-IZ.de – ein Leserzuwachs jedoch, welcher qualitativ schwierig war. Denn statt zu fragen, sich der Debatte zu stellen, war es bei manchen Neulesern eher wie eine kollektive „Entleerung“ einer jahrelang aufgestauten Frustration, für deren Entstehen wir uns angesichts der Arbeit der letzten Jahre nicht verantwortlich fühlen. Ob der maßgebliche Teil der derzeitigen sächsischen Landesregierung hingegen ebenso oft schlecht schläft, wie wir in den letzten Jahren, können wir nicht sagen – allen Grund dazu hätte sie jedoch. Denn sie hat in ihrer Ignoranz dazu beigetragen, was hier geschieht.
Ausblick, Lösung und Fazit
Wir werden noch in dieser Woche mit einer lang vorgedachten, neuen Art Netzzeitung an den Start gehen. Diese sieht vor, dass unsere mittlerweile 250.000 verschiedenen Leser auch dazu aufgerufen sein werden, sich finanziell an der L-IZ.de zu beteiligen. Damit soll auch genau das sichergestellt werden, was Sie zu Recht fordern: Offener Disput über alle Fragen mit kompetenten Partnern. Denn ab dann können wir über alles wieder offen diskutieren, ohne Vormoderation und Sperren, da jeder User, der daran teilhaben möchte, mit seinem kleinen finanziellen Beitrag dafür sorgen wird, dass auf der „anderen“ Seite, also von unserer Redaktion, jemand sitzen wird, der Fragen beantwortet, sich um die juristischen Fragen kümmert und im wahrsten Wortsinn „moderiert“.
Es wird noch weitere Neuerungen, wie tiefere Geschichten, mehr Journalisten & Bandbreite und mehr Lesereinbindung im lokalen Raum geben, mit denen wir diesen Aufruf zur Bezahlung würzen werden. Aber dies, nur auf die Kommentarfunktion bezogenen und zugegeben, langen Ausführung, sind die Antwort auf Ihre Frage(n). Denn wir sind Menschen, keine Maschinen. Ganz gleich, wer einen anderen Eindruck erwecken oder befördern will, wenn es um Journalisten geht, werden wir das auch bleiben.
Und wenn auch das niemanden interessiert, dann ist das eben so. Dann sehen sich alle in der bunten Trallala-Welt von Werbung und Verkauf bei Facebook und Co. wieder (Beispiele gern auf Nachfrage 😉 und wir werden auch unseren vielleicht dann ganz anderen, neuen Weg finden. Wir können ab dem Tag X jedenfalls mit jedem Ergebnis leben.
Mit dem, wie es jetzt ist, nicht mehr. Sie offenbar auch nicht. Wir freuen uns also auch auf Ihre Unterstützung nach unserer Umstellung.
Nachtrag: Der Vergleich mit der ARD und der LVZ ehrt uns und ist doch Fehlsicht nicht nur inhaltlich, sondern auch im Ansinnen und der Finanzierung zugleich. Als Vergleichs-Anregung: Wo bei Genannten (noch) 3-4 sitzen, ist es bei der L-IZ.de noch meist schon immer der eine, aufmerksame Mensch. Jeder darf die Leistungen aller drei gern vergleichen. Unter Einbezug dieses Kräfteverhältnisses allemal.
Das werden wir zu ändern versuchen, denn wir wissen in unserer eigenen Unzufriedenheit, dass es noch viel besser geht. Und viele Kollegen in Leipzig wissen es auch. Wenn es gewünscht ist, dürfen uns ab der Umstellung unserer Seite unsere Leser auch aktiv dabei helfen, eine längst deutschlandweit bekannte, eigenständige Stimme aus Leipzig zu stärken. Denn wie schon seit Jahren lautet der Schlachtruf: Mehr Nachrichten. Mehr Leipzig.
Keine Kommentare bisher