Nachfolgend, ausdrücklich als Leserbrief durch Alexej Danckwart eingesandt, unternimmt der ab September 2014 neu im Stadtrat sitzende Leipziger Linke eine Widerrede zur Mitteilung der Leipziger Grünen vom 29. Mai 2014 unter dem Titel: "Mitglied der Linken Leipzig begrüßt den Einsatz russischer Söldner in der Ostukraine: Kreisverband Bündnis 90/Die Grünen fordert Distanzierung". Die Stellungnahme nachfolgend im vollen Wortlaut.
Alexej Danckwardt (Die Linke): “Sehr geehrte Damen und Herren, zu der gegen mich persönlich gerichteten Stellungnahme des Grünen-Vorstandssprechers Kasek erlaube ich mir folgende Anmerkungen, um deren Veröffentlichung ich bitte.
Wer persönlich diffamierend wird, dem sind die Argumente in der Sache ausgegangen. Die Partei Bündnis90/Die Grünen hat sich von Beginn des (damals noch) innenpolitischen Konflikts in der Ukraine an neben anderen europäischen und deutschen Kräften in unzulässiger Weise in die inneren Angelegenheiten dieses europäischen Staates eingemischt und einseitig Partei für die Maidan-Bewegung ergriffen. Die praktisch von Anfang an am Rande des Maidan stattfindende, zahlreich dokumentierte massive Gewalt der Gegner der damaligen Regierung wurde entweder schamhaft geleugnet oder sogar beklatscht.
Auch Vertreter der Partei Bündnis90/Die Grünen haben sich in den innenpolitischen Konflikt in destruktiver Weise eingemischt, indem sie Sanktionen für den Fall gefordert haben, dass die damalige legitime Regierung der Ukraine die in gewaltsame Krawalle umgeschlagenen Proteste polizeilich auflösen lässt. Indes ist mir keine einzige offizielle Stellungnahme der Grünen bekannt geworden, die eine Beendigung des gegen die Bevölkerung in der Ostukraine gerichteten Militäreinsatzes der derzeitigen Übergangsregierung fordern würde.
Nicht einmal die Ereignisse vom 02.05.2014 in Odessa, als Dutzende Menschen, die tatsächlich friedlich gegen die Übergangsregierung protestierten, im Gewerkschaftshaus bei lebendigem Leibe verbrannt oder auf sonstige Weise ermordet wurden, haben die Partei Bündnis90/ Die Grünen zu einer Distanzierung von den dafür und für die täglich steigende Anzahl von Toten im Osten der Ukraine verantwortlichen faktischen Machthabern in Kiew bewegen können.
Die Presseerklärung des Herrn Kasek, in der dieser die durch mich und Margitta Hollick ausgesprochene Mahnung, kritisch mit der Rolle von Herrn Klitschko in der derzeitigen ukrainischen Krise umzugehen, scharf angreift, reiht sich in die geschilderten Beobachtungen der einseitigen Parteinahme und politischen Blindheit nahtlos ein. Wir konnten und können es indes nicht unwidersprochen lassen, wenn im Rahmen der auch nach unserer Auffassung weiterhin nötiger Kontakte mit unserer Partnerstadt der Eindruck erweckt wird, als bekenne sich die gesamte Leipziger Bürgerschaft zu den Methoden des Machtkampfes, derer sich Herr Klitschko und seine Weggefährten im Winter dieses Jahres bedient haben.
Unkritisches Hochjubeln der Person von Vitalij Klitschko wäre politisch kurzsichtig und würde auch dem Ruf unserer Stadt und der Erinnerung an die friedlichen Proteste 1989 schweren Schaden zufügen.
Der Vergleich mit dem Herbst 1989 ist bereits im Ansatz verfehlt und offenbart verfehltes Demokratieverständnis. Der Protest in Kiew richtete sich gegen einen in demokratischen Wahlen legitimierten Präsidenten und eine in demokratischen Wahlen legitimierte Regierung. In nur einem Jahr standen in der Ukraine Neuwahlen des Präsidenten an, in denen ein Politikwechsel auf gewaltfreiem und demokratischem Weg möglich war. Konkrete Anhaltspunkte für geplante Fälschungen gab es nicht, entsprechende Mutmaßungen sind gewagt. Das Recht zum zivilen Widerstand entsteht nach rechtsstaatlichem Verständnis erst, wenn sich die Unmöglichkeit eines Machtwechsels auf demokratischem Wege herausstellt.
Auch sind es im Falle Kiews die maßgeblichen Akteure des Protestes selbst, auch und insbesondere Herr Klitschko, die die Verantwortung dafür tragen, dass der Maidan nicht friedlich geblieben ist. Die von einem Teil der Protestierenden ausgehende rohe Gewalt habe ich angesprochen. Die Videos der Krawalle sind im Netz jedermann zugänglich. Doch auch diejenigen Protestierenden, die an den Krawallen nicht unmittelbar beteiligt waren, können sich nicht auf den Standpunkt zurückziehen, sie hätten von den in 300 Metern Entfernung auf der Gruschewski-Straße tobenden Straßenschlachten nichts gewusst.
Die bekannte Steinschleuder war mitten auf dem Maidan der Unabhängigkeit aufgestellt. Udo Lielischkies zeigte sich in einem seiner Berichte beeindruckt von Frauen, die Pflastersteine aus den Bürgersteigen herausreißen. Haben Herr Lielischkies und die besagten Frauen etwa nicht geahnt, dass diese Pflastersteine auch fliegen werden?
Auch die Verquickung mit Rechtsextremen kann niemandem entgangen sein. Das Porträt Stepan Banderas hing groß und weithin sichtbar über dem Maidan. Die im 2. Weltkrieg als ukrainische Entsprechung des deutschen “Sieg heil!” entstandene Losung “Ruhm der Ukraine – den Helden Ruhm” wurde und wird von allen auf dem Maidan Anwesenden regelmäßig gebrüllt und hat bereits das “Guten Tag” ersetzt. Die Fackelzüge des Rechten Sektors fanden in aller Öffentlichkeit statt. Gerade aus der deutschen Geschichte wissen wir, wie gefährlich Mitläufer sind. Es gibt keinen Grund, sie in der Ukraine zu verharmlosen.
Zwischenzeitlich steht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch fest, dass nicht die damalige Regierung für die Toten vom 20.02.2014 verantwortlich ist. Eine Untersuchungskommission der Rada hat vor Kurzem verlautbaren lassen, dass kein Geschoss, das Menschen dort tötete, aus einer von den Sicherheitskräften verwendeten Schusswaffe stamme. Das sind offizielle ukrainische Ergebnisse und keine Verschwörungstheorien. Einen Schießbefehl Janukowitschs hat man auch 3 Monate nach den Ereignissen nicht ausfindig gemacht. Stattdessen weiß man, dass am Morgen des 20.02.2014 zuerst Polizeikräfte unter Beschuss gerieten, aus einem durch Maidan-Anhänger besetzten Gebäude. Stattdessen ist in einem Video dokumentiert, wie ein hoher Mitarbeiter von Turtschinow ein Scharfschützengewehr herausschmuggelt.
Wer es bis heute als vermeintlich feststehend verbreitet, “friedliche Demonstranten” seien unter willkürlichen Beschuss eines “blutrünstigen Diktators” geraten, ist entweder blind oder böswillig.
Ich vertrete privat Auffassungen, die teilweise nicht mit offiziellen Standpunkten der Partei DIE LINKE übereinstimmen. Meinen privaten Facebook-Account habe ich in den letzten Monaten für eine detaillierte Dokumentation der Ereignisse in der Ukraine, die ich von Anfang an genauestens beobachtet habe, genutzt. Dabei handelt es sich ausschließlich um private Meinungsäußerungen, die in keinerlei Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit der Partei DIE LINKE stehen, in der ich bislang keinerlei Funktion ausübe. Angesichts der Fülle an Material und der hohen emotionalen Anspannung kann ich es nicht ausschließen, dass dort einzelne Äußerungen gefallen sind, die kritikwürdig sind.
Allerdings nutzt Herr Kasek aus dem Zusammenhang gerissene Zitate manipulativ, um mich persönlich zu diffamieren.
Vor diesem Hintergrund ist es müßig, auf alle Einzelheiten einzugehen. Geradezu dreist ist es jedoch, wenn die dokumentierten Verbrechen, die – über den vernünftigen Zweifel erhaben – den derzeitigen Kiewer Machthabern zuzurechnen sind, wider besser Wissen den “Separatisten” in die Schuhe geschoben werden und mir daran eine “unverhohlene Freude” unterstellt wird. Derartige Unterstellungen verlassen jede zulässige Grenze des Anstandes im politischen Diskurs. Sie sind bereits verleumderisch, denn nicht mit “Freude”, sondern mit erkennbar blankem Entsetzen verbreite ich Informationen über die Verbrechen der derzeitigen Kiewer Machthaber und mit einem einzigen Ziel: Die deutsche Öffentlichkeit wachzurütteln.
Die Vertreter von Bündnis 90/ Die Grünen meinen offensichtlich, dass es besser wäre, weg zu sehen oder die Verbrechen zu leugnen.”
Alexej Danckwardt
Zur Mitteilung der B90/Die Grünen Leipzig vom 29. Mai 2014
Mitglied der Linken Leipzig begrüßt den Einsatz russischer Söldner in der Ostukraine: Kreisverband Bündnis 90/Die Grünen fordert Distanzierung
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