Von Paul Hansen: In Deutschland gibt es seit Jahrzehnten eine Friedensbewegung. Im März 2014 taucht plötzlich noch eine auf und wirft ihren Kritikern Spaltung vor. Die neue Friedensbewegung spricht viel von Vernetzung, dennoch sind die Mahnwachen über ganz Deutschland verteilt spontan entstanden. Man bezeichnet sich selbst als dezentral, doch die Stossrichtung ist überall gleich: für den Frieden gegen die FED. Die erste Kneifzange ist gelandet.
Die Verteidiger dieser neuen „Friedensbewegung“ appellieren unentwegt an die Kritiker, doch vorbei zu kommen und sich selbst ein Bild zu machen. Ich weiß, wie sich Demos und Mahnwachen anfühlen. Aber bevor ich da mit mache, möchte ich mehr über die Initiatoren wissen. Schließlich verfügen diese über viel Macht, sie legen fest, wer als Redner auftreten darf und wer nicht, besitzen letztlich Hoheit über das offene Mikro. Aber Fehlanzeige, Intransparenz rules. Der einzige namentlich bekannte Mitorganisator ist Stephane S., der Pressesprecher der zumindest NPD-nahen Bürgerinititive „Gohlis sagt nein“ gegen den Moscheeneubau in Leipzig, und das ist auch erst seit letztem Montag offiziell. Was haben die Macher zu verbergen?
Die „Leipziger Erklärung“ [1] ist so allgemein gehalten, dass sich wirklich jeder mit ihr identifizieren kann, da ist für jeden was dabei. Die Redebeiträge sind weniger schön. Diffuse Kritik an Gentechnik mischt sich mit Polemik gegen „die da oben“ und allgemeinem Palaver. Nichts Greifbares. Und bei allem wird brav geklatscht. Klatschen für den Weltfrieden, egal wie groß der Stuss ist, der grad erzählt wird. Eine der größten Nummern ist der Redner aus Borna am 07.04. Der sagt doch allen Ernstes: „Weil die Bananen sind für die Affen und nicht für uns, wir sind keine Affen, oder?“[2]. Genau. Deswegen fliegen auch gern mal Bananen aufs Spielfeld, wenn ein afrikanischer Fussballer aufläuft.
Auf einer echten Friedensdemo würde so ein Rassist achtkantig in den Hintern getreten, in Leipzig gibt es Beifall. Deswegen darf er weiterschwafeln über den Menschenrechtspuristen Putin, über die angeblich besetzte BRD und der Unsinn mit den Personalausweisen darf auch nicht fehlen. Dieses Gefasel der Reichsdeutschen klingt harmlos, ist aber ernst gemeint: die Bundesrepublik und ihre Behörden und Gesetze werden schlicht nicht anerkannt. Das gipfelt dann z. B. in Aktionen wie der vom selbsternannten „Deutschen Polizeihilfswerk“, die dann kurzerhand mal einen Gerichtsvollzieher „festnehmen“ (natürlich nicht uneigennützig, die Pfändung betraf ein Mitglied).[3]
Auch darf bei dem Bornaer Redner mit Merkels „Schattenkabinett“ der Hinweis auf die große Verschwörung im Hintergrund nicht fehlen. Seine Bitte am Ende der Rede, auf Rassismus zu verzichten, ist angesichts des eingangs erwähnten Zitates der blanke Hohn. Wenn es dafür Applaus gibt, wie soll ich die „Friedensdemo“ und ihre Teilnehmer als Friedensbewegung ernst nehmen? Da tauchen Leute mit Luftballons auf mit der Losung „Dem Gedenken der Opfer des TERRORangriffs auf Dresden am 13./14. Februar 1945“, ebenjene Losung, die von Neonazis in Dresden verwendet wird, und auf der Leipziger „Friedens“-veranstaltung stört sich niemand daran? Lächerlich!
Mit einer eindeutigen Distanzierung zu der Berliner Veranstaltung tut man sich auch schwer. Warum? In Stuttgart hat’s geklappt. Und Berlin ist eine Lachnummer. Lars Mährholz, der nach eigener Aussage Anfang des Jahres begonnen hat, sich mit Geschichte und Wirtschaft[4] zu befassen, hat natürlich nach mehreren Wochen im Internet mehr Durchblick als Historiker und Wirtschaftswissenschaftler nach jahrelangem Studium plus anschließender Praxis. Mährholz, der ständig predigt, man solle sich informieren, verlinkt munter auf ein Video des bayrischen NPD-Bundesvize und Mitglied der Bürgerinitiative Ausländerstopp. Nach der Kritik kommen halbgare Rechtfertigungen und Löschungen auf seiner Homepage. Es ist immer dasselbe Versteckspiel: da wird verlinkt, geteilt und geliked auf Teufel komm raus und dann heißt es „Naaaiiiin, damit hab ich nichts am Hut, ich wollte nur darauf hinweisen, zum informieren.
Und die Hauptredner in Berlin? Ken Jebsen, der seine Shirts von einem Hallenser Ex-Mitglied von Blood&Honour (woher kennt der ausgerechnet zufällig den?) vertreiben lässt, natürlich Fairtrade für 2,50 ?[5], schwadroniert von „Ich kenne eine Menge Antisemiten, dass sind Juden, die haben was gegen arabische Semiten.[…] Semiten sind eine […] Rasse.“ [6] Aha, Rassenkunde. Natürlich für den Frieden. Und Tschüss!
Jürgen Elsässer, der schon 2012 anlässlich eines Fussballspiels schrieb: „Kein Volk ist schlechter als das andere. Aber absolut TÖDLICH ist das Vermischen”[7]. Der 2013 die homophobe Compact-Konferenz „Werden Europas Völker abgeschafft?“ veranstaltete, unter anderem mit der Mitverfasserin des Anti-Schwulen-Propaganda-Gesetzes in Russland.[8] Für Weltfrieden und so. Und Tschüss!
Angesichts solcher Äußerungen wird die Antisemitismusdebatte fast schon zweitrangig (und ja, sämtliche Probleme dieser Welt auf die FED zu reduzieren und dann mit der jüdischen Familie Rothschild zu personalisieren ist antisemitisch). Elsässer und Jebsen sitzen mitten drin in dem braunen Sumpf, der diese „Friedensbewegung“ dominiert.
So verwundert es nicht, wenn allenthalben auf diesen Veranstaltungen Verschwörungstheorien und mehr oder weniger versteckte antijüdische Ressentiments zum Besten gegeben werden.
So verwundert es nicht, wenn die Licht&Liebe-Esotheriker im Freigeistforum von Jo Conrad sich vor vier Tagen über Folgendes ergehen: „Das Recht gründet sich im wahrsten Sinne des Wortes auf sehr heiße Luft, welche die Juden in den Gaskammern zwecks Massenvernichtung von Juden erzeugt haben.“ und „Du bezahlst nämlich für die Ahnungslosigkeit Deiner Eltern und Großeltern samt Deiner eigenen Ahnungslosigkeit sogar noch heute für die Verbrechen, welche die Juden begangen und uns in die Schuhe geschoben haben.“[9]
So verwundert es auch nicht, dass der User Dreck beim Kreuzer Leipzig phantasiert: „Wartet mal ab bis [..] ihr die Minderheit im Land seid..“[8]
Sicher, die Medien haben bei ihrer Berichterstattung über diese neuen Montagsdemos einen großen Fehler gemacht: sie haben in ihrer Aufzählung diejenigen vergessen, die nichts mit dem rechts-extremen Kram am Hut haben und trotzdem das Verlangen verspüren, ihrem Unmut auf der Straße Nachdruck zu Verleihen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Veranstaltungen von demokratiefeindlichen Menschen dominiert sind.
Von denen wird jegliche Kritik abgebügelt, entweder mit dem „Argument“ Auftragsschreiber oder weil man noch nicht aufgewacht sei. Wie es bei anderen aussieht weiß ich nicht, aber ich war die letzten Jahre durchaus sehr wach. Und wenn man gerade erst aufgewacht ist (wie es vielen „Friedensbewegten“ ja zu gehen scheint), sollte man sich doch erst mal in Ruhe zurücklehnen, Kaffee trinken und wirklich umfassend informieren, anstatt den erstbesten Einflüsterungen Glauben zu schenken, noch bevor man sich den Schlaf aus den Augen gerieben hat.
Was bleibt eigentlich übrig, blendet man die Politik mal kurz aus? Ein Eventmanager (Mährholz) und zwei Medienunternehmer. Die nicht im entferntesten so unabhängig sind, wie sie behaupten. Denn beide bedienen eine eng umrissene Zielgruppe, von der sie leben. Dazu Andreas Popp als Autor von Büchern für ebenjene Zielgruppe. Eine Kaffeefahrt unter dem Label Montagsdemo. Eine Friedensbewegung, die an die Montagsdemos anknüpft aber keine Demos macht sondern pro Woche eine zweistündige Mahnwache abhält. Dazu Rechtsextremisten mit Love&Peace-Transparenten, Herzchen und Regenbogenfahnen. Fasching im April.
Ihr habt noch das Protestcamp mit Öffnungszeiten Di und Do von 15.00 – 17.00 Uhr und den Donkosakenchor vergessen. Im Ernst ihr Friedensfreunde: Lars Mährholz sagt, die FED wäre das Krebsgeschwür des Planeten. Krebsgeschwüre schneidet man so schnell es geht raus. Wenn also Deutsche das „Problem“ FED der Vereinigten Staaten von Amerika zeitnah lösen wollen, dann geht das wohl nur mit einem Bombenteppich über Washington, DC. Ihr seid für den Frieden? Wie viel Wagenladungen an Kneifzangen wollt ihr noch in unseren Kleiderschränken abkippen?
Zurück nach Leipzig. Wenn einer der Organisatoren behauptet, Mitorganisator Stephane S. würde nur kritisiert, weil er Franzose ist[11], dann ist das eine ungeheuerliche Lüge. Denn diese Aussage unterstellt den Kritikern einerseits Ausländerfeindlichkeit, verschweigt aber die eigentliche Kritik: seine unverkennbare Nähe zur NPD. Angesichts dessen muss ich davon ausgehen, dass auch das tolle neue Transparent ein Teil dieser Lüge ist.
Auf die Straße gehen, um für den Frieden zu demonstrieren? Um unseren Politikern auf die Finger zu klopfen und den Medien die Meinung zu geigen? Kapitalismuskritik? Jederzeit! Aber nicht mit Alt- und Jungnazis, Reichsdeppen, Verschwörungstheoretikern und rechten Esotherikern!
Herr Freitag, Sie schreiben im dritten Teil ihrer sehr guten Artikelreihe, daß „die urplötzlich auftauchende NPD [..] seine Bürgerinitiative „Gohlis gegen den Moscheebau“ schneller übernahm, als S. noch Möff sagen konnte.“ Darum geht es eigentlich von Anfang an bei diesem Theater. Nur dass man den Eindruck nicht loswird, die Veranstalter hätten gar nichts gegen eine Übernahme.
Anm. der Red.: Alle Fehler im Original
Zum Artikel vom 21. April 2014 auf L-IZ.de
Montagsdemo unter der Lupe (4): Gegen die Fed, für eine freie Welt?
[1] http://s14.directupload.net/images/user/140407/dazikgef.pdf
[2] http://www.youtube.com/watch?v=Cl_s1cR4CqU#t=4558 bei 01:15:53
[4] https://www.facebook.com/photo.php?v=692418250804638
[6] https://www.youtube.com/watch?v=KyYAxHKIWtA
[7] https://juergenelsaesser.wordpress.com/2012/10/17/44-nach-40-deutschland-schafft-sich-ab/#more-4911
[8] http://kreuzer-leipzig.de/2014/04/22/ein-bisschen-frieden/
[9] https://www.youtube.com/watch?v=AwuxOe5fFxg (1:33:55)
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