Von Wolfgang Stoiber (NuKLA): Wie am 05.12.13 gleich mehrere Leipziger Zeitschriften berichteten, erhielt der Leipziger Umweltbürgermeister, wohl als Frontmann der vielen, sich um die Vermarktung des Neuseenlandes bemühenden Akteure, den sächsischen Fördermittelbescheid über rund 52.000 Euro. Bei Lichte betrachtet und vor dem Hintergrund der Summen, die bereits in ein Wassertouristisches Nutzungskonzept WTNK samt zusätzlicher Potentialanalyse zum WTNK für ebendieses Gebiet geflossen sind, ist das nicht gerade viel, zusammen mit den 60.000 Euro, die es in Sachsen-Anhalt für den länderübergreifenden Blick in die Zukunft gibt, wirkt es mehr, fließt aber nicht in Sachsen.
Man darf schon an dieser Stelle fragen, was denn der damit subventionierte “Mitteldeutsche Masterplan” an substantiell neuen Erkenntnissen bringen soll. Sicherlich wieder nur eine Wiederholung der alten Lieder: die fragwürdige Vision, von Hamburg nach Leipzig (eher nicht umgekehrt, denn schließlich sind die reichen Hamburger, die Geld nach Sachsen und Sachsen-Anhalt bringen sollen, die Zielgruppe, mit der man liebäugelt) mit kraftstoffbetriebenen Motorbooten fahren zu können.
Noch einmal für alle zum Mitmeißeln: die Elbe ist ein Niedrigwasserfluss, die wochen-, manchmal monatelang während der Saison nicht befahrbar ist, es gibt keine schiffbare Verbindung von der Saale zur Elbe, und, das vor allem, es wird immer, egal, was man sich ausdenkt, stinklangweilig sein, stundenlang durch Rübenäcker auch nur von Leipzig nach Halle zu fahren. Daran ändert auch ein gigantisches, millionenschweres und im Unterhalt kostspieliges Schiffshebewerk mitten auf der Strecke nichts.
Und dennoch: attraktiv könnte das Gebiet sein, wenn man sich endlich auch gegenüber alternativen Ansätzen öffnen würde, anstatt fantasielos (oder auch nur lobbyistisch) bereits bestehenden, über Jahrzehnte gewachsenen und etablierten Wassersportregionen für Motorbootnutzer Konkurrenz machen zu wollen. Alle wissen es, keiner sagt es öffentlich: Es wird keine “neuen” Arbeitsplätze geben, nur eine Verlagerung von A nach B, denn diejenigen Touristen, die jemals von Mecklenburg einen (dann mit hoher Wahrscheinlichkeit einmaligen) Ausflug in die mitteldeutsche Wasserlandschaft machen, fehlen dann anderen, strukturschwachen Regionen. Und die Arbeitsplätze, die es geben soll und die angeblich den großen Aufschwung bringen, werden fast ausschließlich, wie in der Tourismusbranche üblich, solche im Niedriglohnbereich sein. Die notwendigen wenigen qualifizierten Mitarbeiter bringen die Unternehmen mit, die, auch das ist so, dann ihre Steuern in den alten Bundesländern zahlen, wie der Fahrgastschiffbetreiber auf dem Markkleeberger See oder Porsche.
Was fehlt noch im Tourismus an Saale und Pleiße: Zwei Förder-Schecks für ein Erkundungsprojekt
Gleich zwei Fördermittelbescheide gab es …
Und es geht noch um etwas ganz Anderes: wohinein will Mitteldeutschland investieren, mit welcher Vision? Wird in Jugend und Bildung investiert, in Wissenschaft und Forschung, wird Förderung beantragt für soziale Gerechtigkeit, Integration, sozialen Frieden? Oder sieht die Mehrheit der betroffenen Bevölkerung stillschweigend zu, wie Kommunen, die sich am Rande der finanziellen Katastrophe bewegen bzw. dieser mit knapper Not gerade so entgehen werden in 2013, wie Leipzig, nicht vorhandene kommunale Gelder (denn derer bedarf es in jedem Fall im Zusammenhang mit den umjubelten Fördermittelbescheiden) in Kanaldurchstich, Stadthafen und neue Analysen versenken? Sollten die Verantwortlichen sich statt dessen nicht besser den Grundaufgaben der Öffentlichen Hand und deren aktuellen und akuten Herausforderungen stellen? Was für eine Politik ist das, wenn Millionen investiert werden (sollen), um die soziale Schere noch weiter auseinanderklaffen zu lassen, während im sozialen und nicht “hochkulturellen” Bereich gekürzt wird, Straßen, Schulen und Sporthallen völlig marode sind und für den Bau von Kitas neue Schulden gemacht werden müssen?
Wer das bereits vorliegende Wassertouristische Nutzungskonzept und die sich darauf beziehende Potentialanalyse aufmerksam liest, wird darin zwischen den Zeilen durchaus ernst zu nehmende Vorbehalten bezogen auf die große “Wassertourismus-Vision” finden, begründet durch die realen Gegebenheiten. Und dabei wurde noch gar nicht berücksichtigt, dass ab 2015 EU-Wasserrahmenrichtlinien gelten, die die Natürlichkeit und die ökologische Güte der Oberflächengewässer zum Ziel haben und hohe Strafen von denjenigen einfordern werden, deren Gewässer dem nicht entsprechen. Und Gewässer, die schiffbar, also für motorisierten Bootsverkehr nutzbar sind, entsprechen diesen Vorgaben nicht.
Es ist also aus vielen Gründen an der Zeit, über alternative Konzepte für die Menschen unserer Region nachzudenken, die vielleicht weniger spektakulär, dafür aber ökonomisch und ökologisch sinnvoll sind, den Erholungswert unserer Heimat erhalten und ausbauen und einen zukunftsfähigen, sanften und umweltverträglichen Tourismus zu fördern, um “die Verweildauer der Gäste in Mitteldeutschland zu erhöhen und die Nachfrage zu stärken”.
Keine Kommentare bisher