Von Henryk Boeck (Ein Leipziger in Berlin): Als ich vor einiger Zeit (es war abends noch warm, vermutlich Sommer) um meinen Lieblingssee schlenderte, sprach mich ein junger Mann an. Er war vielleicht 23 Jahre alt, ziemlich schlank und hatte kurze, blonde Haare. Die silberne Hornbrille auf seiner Nase unterstrich seinen intelligenten Gesichtsausdruck und er sprach mit einem russisch anmutenden Akzent (später stellte sich heraus, das es nur eine Marotte war, er kam aus Biesdorf). Er wolle mit mir über Gott sprechen, gab er mir zu verstehen.
Als “souveräner Großstädter” auf solche Situationen vorbereitet fragte ich: “Über welchen denn?”. Er schien etwas verstimmt, ließ sich aber dennoch nicht von seinem Ziel abbringen mit mir über Jesus Christus sprechen zu wollen. Ich hatte an diesem Abend keine großen Pläne und ließ mich auf ein Gespräch mit ihm ein. Er las mir Verse aus einem Gebetbuch vor und fragte mich wie ich dazu stünde, ich versuchte gewohnt rational darauf zu antworten. Und da fiel er, der Satz, der mir den Unterschied zwischen uns beiden schlagartig vor Augen führte: “Glauben ist stärker als Wissen, im Glauben gibt es keinen Platz für Zweifel, denn sie zerstören den Glauben und helfen dir nicht dabei den Baum des Lebens zu finden.”
Obwohl mich meine Skepsis und Zweifel oft ein wenig behindern, war ich nie stolzer auf sie, als in diesem Moment. Denn mir wurde bewusst, dass die Realität dieses jungen Mannes nur auf Glauben und Versen beruhte. Nicht das Glauben an sich was Schlechtes wäre, nur als einziger Pfeiler eines Lebensfundamentes fand ich das äußerst bedenklich.
Warum erzähle ich diese kleine Anekdote? Nun, weil ich finde, dass es genau darum gehen sollte in der Debatte um den Bau der Moschee in Gohlis. Nicht ob sie gebaut wird oder nicht. Diese Sachen sind längst entschieden und unterliegen rechtlichen Grundlagen, sie sind quasi nur ein Verwaltungsakt. Die Frage ist doch, sind wir gefestigt genug um andere und ihren Glauben zu tolerieren. Denn bei allem Verständnis für die Sorgen und Ängste um fehlende Parkplätze und Lärm. Diese Lappalien treiben niemanden auf die Straße. Es ist die Angst, die die Leute bewegt und darüber sehen die Verantwortlichen aus bequemer Vogelperspektive hinweg. Die Angst vor der eigenen Unsicherheit. Und die lässt sich auch nicht mit Floskeln aus dem “Handbuch für weltoffene Demokraten” wegdiskutieren. Es wird auch nicht helfen, sich auf Verwaltungsparagraphen des Leipziger Baugesetzes zu berufen, um die notwendige Integration dieser muslimischen Gemeinde zu fördern.
Das geht nur wenn man die Sorgen und Ängste der Anwohner versteht, ernst nimmt und versucht sie zu mindern. Was ganz sicher nicht funktionieren wird, ist das Abdrängen aller Skeptiker in Ecken an denen Bauernfänger mit Armbinden lauern, um die Unverstandenen aufzunehmen. Es ist gut, dass Leipzig Präsenz zeigt gegen den Missbrauch dieses Themas. Aber es ist wenig hilfreich, wenn sich ein Block “weltoffener Connewitzer” zum gemütlichen Stelldichein versammelt und alle Gegner des Baus als “geistige Kleingärtner” abstempelt (manchmal auch um sich ein wenig überlegen zu fühlen). Es wirkt schon ein wenig doppelmoralisch, wenn man sich gleichzeitig gegen den Bau von Restaurants im eigenen Kiez wehrt, weil sie der persönlichen Weltanschauung nicht entsprechen. Engagement gegen Rechts in allen Ehren aber bitte mit Selbstreflexion.
Ich möchte nochmal kurz darauf zurück kommen, warum der Glauben in dieser Debatte so wichtig sein könnte. Mir hat das anfangs geschilderte Erlebnis gezeigt, dass Glauben ein delikates Thema ist. Er gibt Menschen Kraft und Hoffnung in scheinbar ausweglosen Situationen, lässt sie aber manchmal nicht Zweifeln, wenn sie es sollten. Das finde ich in einer Gesellschaft, die sich gerade auf einen Umbruch zubewegt, äußerst bedenklich. Auf der Suche nach der eigenen Identität steuert mindestens eine Generation in einen Sinnfindungsprozess und der Wegfall von stetigem Wirtschaftswachstum wird dies noch beschleunigen. Hinzu kommt, das die Hälfte dieser Generation, bei der die Sonne frühmorgens aufgeht, sowieso schon ein Identitätsproblem hat.
Während sich die Einen in das etablierte Wirtschaftssystem einfügen, errichten Andere nationale Kleingartenanlagen in ihren Köpfen und wieder andere sind so im eigenen Ost-Rechts-Komplex gefangen, dass Differenzierung oder das klare Benennen von Missständen kaum noch möglich scheint. Denn trotz aller Befürwortung der Religionsfreiheit darf und (oder vielleicht sogar muss) man bei der Verbreitung von Religion auch ruhig nach Beweggründen und Zielen und Wirkungen fragen. Das gilt für mich allerdings im Bezug auf alle Religionen. Das wäre dann sozusagen Glauben mit gesundem Zweifel.
Zu weiteren Artikeln (Auswahl, mehr in den roten Kästen) zum Thema auf L-IZ.de
Moscheebau Gohlis – “Alerta, alerta – Antifaschista!”: NPD kommt, redet und fährt weiter
Moscheebau in Gohlis: OBM Burkhard Jung im Video-Interview
Leserbeitrag zu den Vorgängen rings um den Moscheebau Gohlis
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